"Schiri, wir wissen wo dein Auto steht..."
Die Brigade Hartmut Strampe ist der erste Ultra-Fanklub, der mit Gesängen, Fahnen und Transparenten nur die Schiedsrichter anfeuert.
Die Brigade Hartmut Strampe ist eine der ungewöhnlichsten Fangruppierungen in den Fußballstadien.
Ooooooooooooooooooh!“ Immer lauter schallt es plötzlich von der Tribüne, immer ungeduldiger und aufgedrehter wird das illustre Grüppchen, das sich auf Höhe der Mittellinie postiert hat. Der Verteidiger hatte den Stürmer kaum gefoult, da hatten sie da draußen, alles Mitglieder der Brigade Hartmut Strampe, auch schon den Urlaut der Fußball-Fanszene angestimmt und die Hände erwartungsfroh zum Himmel gestreckt.
„Oooooooooooooooooh!“ Was für Ottonormal-Fußballfan seit jeher der letzte Schrei vor der Ausführung von Elfmetern oder Eckbällen ist, kommt dem bunten Haufen von der Längstribüne nur nach Fouls der härteren Sorte über die Lippen. Als der Schiedsrichter schließlich in seine Brusttasche greift und dem Verteidiger völlig zu Recht die Gelbe Karte zeigt, gibt es auf den Plätzen hinter der Trainerbank kein Halten mehr. Jubel brandet auf, als wäre gerade ein Tor gefallen. Gelb-rote Fahnen werden geschwenkt, wie man sie sonst nur von Schiedsrichter-Assistenten kennt. Natürlich gibt’s auch das passende Transparent dazu: „Der hat schon Gelb!“
Aus dem Häuschen
Es sind seltsame Szenen, die sich neuerdings auf Berlins Fußballplätzen abspielen. Da geraten auf den Tribünen Menschen völlig aus dem Häuschen, nur weil der Schiedsrichter pfeift und auf Freistoß entscheidet. Da gibt’s tosenden Applaus, wenn der Schiedsrichter-Assistent die Fahne hebt und eine Abseitsposition signalisiert. Und da zucken Stadionbesucher selbst dann aus, wenn der vierte Offizielle an der Seitenlinie nur schnell einmal die Nachspielzeit anzeigt.
Die Brigade Hartmut Strampe ist wohl die ungewöhnlichste und deshalb auch eine der angesagtesten Fangruppierungen, die man im Moment in deutschen Fußballstadien zu sehen und zu hören bekommt. Es ist die erste Ultra-Bewegung, die sich nicht einem Klub verschrieben hat, sondern den Schiedsrichtern und deren Teams. „Es war höchst an der Zeit, dass sich auch einmal jemand der Schiedsrichter annimmt. Die haben auch ein Recht auf Unterstützung und Anfeuerungsrufe“, sagt Alex Brandt, Gründungsmitglied der Clique, die sich vor einigen Monaten in Berlin formiert hat. „Es war schon zu später Stunde und ein bisschen Alkohol ist auch schon geflossen“, erinnert sich Brandt.
Fragende Blicke
Ein Namenspatron für die illustre Runde war schnell gefunden. Hartmut Strampe war um die Jahrtausendwende ein berühmter Referee in Deutschland, der neben fachlichen Qualitäten auch noch alte Schiedsrichter-Klischees erfüllte. „Er hatte diesen fantastischen Schiri-Look“, sagt Alex Brandt. „Schnäuzer, Bürstenhaarschnitt, die ganze Parkraumüberwacher-Attitüde eben.“
Ihr offizielles Stadion-Debüt feierte die Brigade Hartmut Strampe vor Kurzem beim Ligaspiel zwischen Hertha BSC und Stuttgart. Als die 30 Mitglieder, darunter Studenten, Steuerberater und Juristen, mit ihren Transparenten und Fahnen im Olympiastadion einmarschierten und plötzlich nach jedem Pfiff des Schiedsrichters zu jubeln begannen und noch nie gehörte Gesänge anstimmten, ernteten sie fragende Blicke. „Manche haben gemeint, wir gehörten besser nach Malle und nicht ins Stadion“, erzählt Alex Brandt. „Aber offenbar haben wir mit unseren Aktionen auch den Nerv getroffen.“
Gefeierte Helden
Denn in Deutschland ist um die Brigade Hartmut Strampe mittlerweile ein regelrechter Hype ausgebrochen. Die Gruppe wird von Kamerateams ins Stadion begleitet, Alex Brandt ist ein gefragter Interviewpartner. Sie haben ja auch einen großen Unterhaltungswert und einen Sinn für Humor. Einen in Stadien oft gehörten Schmähruf gegen Schiedsrichter hat die Brigade kurzerhand umgetextet in: „Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht. Ist aufgetankt, ist aufgetankt.“
Als die Truppe zuletzt beim Amateurmatch zwischen Lichtenberg 47 und Anker Wismar aufkreuzten, waren sie schnell die Hauptdarsteller im Stadion. „Da waren nur 200 Zuschauer, und wir mittendrin. Der Schiedsrichter war 17, ein Debütant, und hat sich überhaupt nicht mehr ausgekannt, als wir ihn besungen haben“, schmunzelt Brandt. „Aber es hat ihm offensichtlich gefallen.“
Die Schiedsrichter sind die Helden der Brigade Hartmut Strampe. Doch auf eine Sache pfeifen dann selbst diese pfiffigen Fans. Wenn der Schiedsrichter das Freistoßspray hervorholt, erntet er statt Applaus nur Spott. Auf einem der Transparente der Brigade Hartmut Strampe ist auch zu lesen: „Gegen das moderne Freistoßspray.“