Gewalt im Fußball: Wiener Rechtsextreme suchen Kontakt zu Kölner Hooligans
Ermittler der Polizei sind alarmiert. Anlässlich eines Testspiels zwischen dem 1. FC Köln und Austria Wien wurden führende Vertreter der Wiener Gruppierung "Unsterblich" in der Domstadt gesichtet - eine der militantesten rechten Hooligan-Vereinigungen Europas.
Die Polizei war alarmiert: Jedes Restaurant, jede Kneipe rund um den Kölner Dom hatte am vergangenen Samstag staatlichen Besuch. Mit Hunderten Kräften der Kölner Polizei sowie mit Unterstützung durch Bundesbeamte wurde das Testspiel zwischen dem 1. FC Köln und Austria Wien gesichert.
Ein Großaufgebot der Polizei für das Freundschaftsspiel eines deutschen Zweitligisten und eines österreichischen Teams? Die Einsatzstatistik zeigt, dass die Beamten sehr wohl berechtigten Grund zur Sorge hatten:
- 25 österreichische "Fans" wurden für die Dauer des Spiels festgesetzt, in ihren Autos wurden Pyrotechnik und selbst hergestellter Sprengstoff sichergestellt;
- Bei einem Anhänger des 1. FC Köln wurde ein sogenannter Totschläger gefunden, eine Hiebwaffe;
- Rund 70 Personen, die der gewaltbereiten Essener Fanszene zuzuordnen sind, brachen ihren Trip nach Köln auf halber Strecke ab und fuhren mit dem Zug zurück in den Ruhrpott. "Da war diesmal zu viel Polizei. Da wäre für uns nichts gegangen", sagt ein Szenekenner.
Bereits Mitte Januar wurde Köln zum Ort eines Gewaltexzesses, der für bundesweite Aufregung sorgte. Auf dem Rudolfplatz in der Innenstadt hatten Hooligans und Ultras aus Köln, Gelsenkirchen, Dortmund und Mönchengladbach am helllichten Tag mitten in der Stadt aufeinander eingeprügelt, ein Hooligan der Schalker "Gelsenszene" war schwer verletzt worden.
Besonders alarmiert wurden die Polizeibeamten am Samstag aber durch zwei Flugbesatzungen. Aus Bratislava und Wien waren Mitglieder des mittlerweile verbotenen Austria-Fanclubs "Unsterblich" nach Köln gereist. "Sie kamen gesplittet, ein Teil flog dabei über die Slowakei. So sollte die Anreise wohl verschleiert werden", sagt ein hochrangiger Polizist.
Beobachtung durch den österreichischen Verfassungsschutz
"Unsterblich" ist eine der militantesten rechten Hooligan-Gruppen Europas. Die Gruppenfahne trägt die Farben der Reichskriegsflagge, das zentrale Symbol darin erinnert an den Reichsadler. Anstatt des Hakenkreuzes ist das Wappen von Austria Wien zu sehen. Im Oktober 2013 griffen etwa 30 Mitglieder der Gruppe die Räumlichkeiten eines türkischen Migrantenvereins in Wien an. Austria Wien hatte der Gruppe bereits Monate zuvor den Status eines Fanclubs aberkannt.
"Unsterblich" versucht seit Jahren den Zusammenschluss aller gewaltbereiten, rechten Wiener Hooligans aufrechtzuerhalten, der unter dem Namen "Eisern Wien" firmiert und vom österreichischen Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung beobachtet wird. Immer wieder gibt es Hinweise, dass Gruppenmitglieder von "Unsterblich" auch an Aufmärschen der europaweit agierenden rechtsextremen Bewegung "Die Unsterblichen" teilnehmen. Die Organisation hat in den vergangenen Jahren sehr viel Aufmerksamkeit auf sich gelenkt: Die Neonazis zogen nachts mit weißen Theatermasken und brennenden Fackeln durch die Straßen, brüllten rechte Parolen und ließen sich dabei filmen. Anschließend wurden die Aufnahmen im Internet verbreitet.
Die Kölner Polizisten verfolgten die Wiener Hooligans vom Flughafen bis in den Stadtkern. Und waren überrascht: Die Mitglieder von "Unsterblich", darunter zwei der einflussreichsten Köpfe, schlugen sich nicht mit den Hooligans des 1. FC Köln - sondern übernachteten bei ihnen. "'Unsterblich' sucht internationale Anknüpfungspunkte. Wir haben auch Hinweise auf konspirative Treffen mit anderen Hooligan-Gruppen in Deutschland", sagt ein österreichischer Szeneermittler.
Wie weit eine solche Form der "Verbrüderung" führen kann, zeigt das Europa-League-Spiel zwischen Austria Wien und dem baskischen Club Athletic Bilbao aus dem Jahr 2009. Dieses musste für etwa 20 Minuten unterbrochen werden, weil Austria-Hooligans das Spielfeld gestürmt hatten. Im Polizeibericht fanden sich neben den Personalien von "Unsterblich"-Mitgliedern auch die von Anhängern der offen faschistischen Lazio-Rom-Gruppe "Irriducibili" sowie von militanten Hooligans von Lewski Sofia und Real Madrid. Auch 2010, beim Europa-League-Spiel des VfB Stuttgart bei Slovan Bratislava, stürmten mehrere Dutzend Hooligans aus dem slowakischen Block auf die deutschen Gäste zu. Damals wurden neun Mitglieder der "Unsterblich"-Gruppe festgesetzt.
Schon wieder die "GnuHonnters"
Drei Personen aus der etwa 50 bis 70 Mann starken Kölner Hooliganszene gehören der deutschlandweit agierenden Bewegung "GnuHonnters" an, die ein Zusammenschluss aus Neonazis und Fußball-Hooligans ist. "Wir haben die Vermutung, dass es hier zu einem konspirativen Zusammentreffen gekommen ist. Beide Gruppen haben viele Überschneidungspunkte, suchen womöglich nach gemeinsamen Handlungsräumen", sagt ein Staatsschützer aus NRW. Ein Kölner Polizeisprecher bestätigte auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE, dass "mehr als zehn Personen einer international agierenden, rechtsgerichteten Gruppierung aus Österreich offensichtlich Kontakte zur Kölner Hooliganszene gesucht haben". Der Staatsschutz, so der Sprecher der Kölner Polizei, habe die Ermittlungen bereits aufgenommen.
Zumindest ins Stadion gelangten die rechten Hooligans am Samstag nicht. Das konnte die Polizei verhindern.
Rechtsextremes Netzwerk: Hooligans und Neonazis bedrohen deutschen Fußball
Aachen, Braunschweig, Duisburg - immer häufiger wird der Fußball zur Bühne rechter Gewalt. Soziologen und Staatsschützer sind alarmiert. Sie warnen vor einer neuen Gefahr: einem Netzwerk aus Neonazis und Hooligans.
Sie nennen sich GnuHonnters, der Name soll für New Hunters stehen, neue Jäger. Ihr Leitspruch lautet: "Kameraden im Geiste. Viele Farben, dennoch eine Einheit." Vor drei Wochen trafen sich einige Mitglieder im Rahmen einer kleinen Feier in Berlin, eine Hooligangruppe beging ihren 30. Geburtstag. Es gab Bier, Rockmusik, dazu Stripperinnen und Tabledance. Irgendwann schleppte einer der Gäste, ein tätowierter Schrank mit Glatze, eine Riesenschlange auf den Schultern durch den Raum.
Die GnuHonnters sind ein Zusammenschluss von 17 Hooligangruppen aus ganz Deutschland. Hooligans prügeln sich eigentlich untereinander. Aber jetzt haben sie sich zusammengetan, ein Netzwerk gegründet, um gemeinsam für ihre Sache zu kämpfen. Sie werden dabei unterstützt von gewaltbereiten Rechtsextremisten.
In den vergangenen Jahren wurden die Hooligans durch massiven Polizeieinsatz und engagierte Fans in den Stadien der deutschen Proficlubs stark zurückgedrängt. Die Schläger verabredeten sich seitdem zu Prügeleien fernab der Spielorte und der Öffentlichkeit, auf Äckern und Wiesen. Doch nun ist die Hooligankultur wieder auf dem Vormarsch. Fanbeauftragte aus Dortmund, Braunschweig, Aachen, Frankfurt oder Düsseldorf berichten, dass Hooligans, die bereits in den neunziger Jahren aktiv waren, wieder in den Fankurven Präsenz zeigen.
Überschneidung zwischen Fußballszene und rechtem Milieu
Die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze, eine Behörde, die Gewalttaten rund um den Fußball protokolliert, bescheinigt den Vereinen der ersten beiden Ligen einen Anstieg "an rechtsmotiviertem Verhalten" innerhalb der gewaltbereiten Hooliganszene. Bei 16 Clubs sieht die Behörde eine personelle Überschneidung zwischen der jeweiligen Fußballszene und dem rechten Milieu. Der Verfassungsschutz spricht von einer 15-prozentigen Überschneidung zwischen fußballaffinen Hooligans und Rechtsextremen. Die Dunkelziffer, so sagen es Staatsschützer aus dem Ruhrgebiet, dürfte deutlich höher liegen.
Beim Prozess gegen die Gruppe Hooligans Elbflorenz in Dresden wurde bekannt, dass etliche der Schläger zusammenarbeiten. "So gingen etwa immer wieder Hunderte Hooligans am Rande von Fußballspielen mit Gewalt auf Polizeibeamte los - geplant und gut organisiert. Wir stellten dabei fest, dass darunter auch zunehmend gewaltbereite Rechtsextremisten waren. Offenbar nutzen sie die Hooliganauseinandersetzungen als Training", sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Schär, der den Prozess gegen die Hooligans Elbflorenz führte, der "Sächsischen Zeitung". Schär stellte sogar fest, dass Hooligans und Neonazis sich gemeinsam zum Schusstraining mit scharfen Waffen in abgelegenen Wäldern trafen: "Seitdem wir rechtsextremistische Kameradschaften intensiv verfolgen, tummeln sich die Mitglieder in anderen Zusammenhängen wie den Hooligans oder den freien Kameradschaften. Für uns ist es schwieriger geworden, sie zu fassen."
Subtile Agitation
Das Fußballumfeld scheint den Schlägern und Rechten besonders zu gefallen, und dort gibt es auch einen Gegner: die Ultras. Viele Ultragruppen verknüpfen ihr Fansein mit politischen Themen, sie unterstützten Anti-Rassismus-Kampagnen, demonstrieren gegen Kommerzialisierung. Das passt den Hooligans nicht. Es bringt ihre machohafte und gewaltgeprägte Welt ins Wanken. Hooligans wollen, so sagen sie es den Ultras, "keine Politik im Stadion". Ein alter Slogan, den Rechtsextreme seit Jahren benutzen, um sich in ehrenamtlichen Sportvereinen oder bei Jugendbewegungen breitzumachen. Durch diese vordergründige Trennung von Sport und Politik wollen sie viele junge Menschen für sich gewinnen. Gemeinsame Kleidung, Musik oder der Besuch von rechtsoffenen Lesungen sollen ein nationales Bewusstsein schaffen. Subtile Agitation.
Die Mitglieder des Netzwerks GnuHoonters sind dabei leichte Beute. Wie zahlreiche Rechtsextremisten haben sie einen gemeinsamen Feind: Auch sie empfinden die oft linksorientierten Ultras als Fluch.
Gegründet wurde die Vereinigung der "neuen Jäger" auf einem Bauernhof in Leichlingen im Rheinland. Damals, Anfang des Jahres 2012, besuchten fast ausschließlich dickbäuchige Althooligans die Veranstaltung. Mitglieder der Dortmunder Borussenfront luden ein, es war ein guter Anlass, um gemeinsam Bier zu trinken und über alte Schlachten zu sprechen. So beschreibt es einer, der seitdem bei mehreren Treffen der Hooligans dabei war.
Von Treffen zu Treffen sollen mehr Hauer dazu gekommen sein. Auch viele jüngere Hooligans, Kampfsportler, Nachwuchskader. Sie trafen sich mal in Frankfurt, mal in Berlin, mal in Essen. Nie zweimal an einem Ort. Ein krudes Pamphlet wurde verfasst, gilt seitdem als Leitbild. Oberstes Gebot: "Herstellung alter Werte." Zweites Ziel: "Keine Antifa im Stadion." Drittens: "Meinungsfreiheit zurückgewinnen."
Seit Monaten kommt es vermehrt zu Übergriffen von rechten Hooligans auf linksorientierte Fangruppen. Das prominenteste Beispiel ist der Traditionsclub Alemania Aachen, dessen Ultrafangruppe Ultras Aachen förmlich aus dem Stadion geprügelt wurde. Zum Saisonende zogen sie sich aus dem Stadion zurück, aus Angst vor den Schlägen der Rechten.