Dienstag, 19. Juni 2012

Neues vom HH Hirni

Was bisher geschah:

Um seine neue Fahne aller Welt zu präsentieren, reist HH-Hirni mit ihr nach Malle. Dort geht er auf die Suche nach Presseleuten um endlich in die Medien zu kommen. Auf diesem Weg lernt er die hübsche Trixi kennen, die ihn für einen Promi hält und sich an ihn heftet. ( http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s432.html )


"Wenigstens kann ich dort die Toilettentüren mit meinen Aufklebern zustickern." tröstet sich HH-Hirni als er mit Trixi zur nahegelegenen Strandbar spaziert. Dort fällt sein Blick als Erstes auf die fast komplett besetzten Barhocker - während alle Blicke der Belegschaft auf die attraktive Trixi fallen. Doch das bemerkt der Hamburger gar nicht, denn keinen Augenblick später ist er bereits dabei, sein Banner an den Barhockern anzubringen. Allerdings gefällt das der Kundschaft weniger. "Hey, was soll das?!" beginnt schon ein biertrinkender, beleibter Senior zu fluchen. Auch ein jüngerer Bursche mit Blumengirlande um den Hals ist wenig erfreut, als HH-Hirni ein Bändchen seiner Fahne an seinem Hocker festknotet. "Lass gefälligst diesen Sch...!" "Ja, sind wir hier auf einer Werbeparty?" mischt sich nun auch ein pummeliger Mittzwanziger ein, welcher einen Fischerhut auf dem Kopf trägt. Etwas verwirrt beugt sich der Wirt über die Theke und blickt zornig zu dem Hamburger. "Hey Junge, nimm dein Zeug da ab!" Sowas fangen wir hier gar nicht erst an!" HH-Hirni sieht überrascht zu ihm herüber. "Starr mich nicht an, Kleiner! Runter damit, und mach, dass du wegkommst! Ich hab' null Bock auf solchen Stress!" Wutentbrannt entfernt HH-Hirni sein Banner und stürmt davon. Trixi dackelt ihm verständnislos hinterher. "Deine Freundin kannst du aber gerne hier lassen!" kichert der Fischerhutträger. "Was sollte denn das? stellt Trixi den Hamburger zur Rede als sie außer Reichweite sind. HH-Hirni atmet genervt aus. "'Verstehst du nicht!" Plötzlich erblickt er etwas, was ihm total die Sprache verschlägt: Über dem Eingang einer Cocktail-Bar hängt in voller Breite das Banner von ... Junkersdorf Jünter! In Sekundenschnelle fängt es in HH-Hirni an zu kochen. Hastig packt er Trixi am Arm und zerrt sie hinter sich her in das Lokal. "Na, dem mache ich jetzt einen Strich durch die Rechnung! Wäre ja gelacht ... !" Wie von der Tarantel gestochen, steuert er in dem halbvollen Laden den nächsten Kellner an. "Ich muss unbedingt den Geschäftsführer sprechen!" fordert er. Der Laufjunge sieht ihn verdutzt an, nickt dann aber und flitzt Richtung Küche. Kurze Zeit später erscheint er mit einem großen, kräftigen Herrn, dessen schwarzes Muskelshirt die durchtätowierten Arme besonders betont. Lächelnd zwinkert dieser Trixi zu, wirft dann aber einen grimmigen Blick auf den ihm über einen Kopf unterlegenen HH-Hirni. "Was gibt's?" Der Hamburger schluckt. "Ich wollte Ihnen nur sagen, dass da draußen jemand eine Banderole über den Eingang Ihres Lokals gehängt hat." Im selben Moment entdeckt er an einem Tisch Junkersdorf Jünter, der sich bei dem Wort "Banderole" zu ihm dreht und wie ein König grinst. "Mensch, Rico," lacht der Kölner den Muskulösen an, "lass den Kleinen, der ist bloß ein nerviger Fan von mir." Rico schmunzelt und streicht sich über sein raspelkurzes, dunkles Haar. "Na, wenn das so ist ..." Wieder zu HH-Hirni gewandt, fordert er: "Da hörst du's, Bengel! Geh meinem Kumpel nicht auf den Senkel! Jünter und ich kennen uns schon seit der Zeit am Bolzplatz, da genießt er hier Sonderrechte!"  "Ich fass' es nicht!" denkt der Norddeutsche und sucht nach passenden Worten um sich aus der Situation zu retten. "Hast du's nicht kapiert?" brüllt nun Rico und stemmt seine nicht kleinen Fäuste in die Hüften. "Mach 'nen Abgang!" Während HH-Hirni den Ausgang ansteuert, steuert Junkersdorf Jünter mit einem charmanten Lächeln Trixi an. "Hey, Süße. Was möchtest du denn mit diesem Loser? Setz dich lieber zu mir an den Tisch. Ich lad' dich ein." Trixi zögert unschlüssig. "Wenn du möchtest, erzähle ich dir gerne mehr über deinen Begleiter." bietet der Kölner an.  So muss der Hamburger seinen Urlaub wieder alleine fortsetzen.
Alleine? Nein, denn er hat ja seine Fahne ... Lesen Sie im 4. und letzten Teil:
HH-Hirni hängt beim Groundhopping im Stadion von UD Arenal seine Fahne auf. Plötzlich nähert sich ihm ein Reporter der örtlichen Sportzeitung. Wird HH-Hirni endlich sein langersehntes Interview geben können? Sie erfahren es in Kürze.

Fahnenhopperzeit heißt auch HH-Hirni-Zeit. Wir erinnern uns an den pickeligen Junggesellen, der seine Fahne zum Zentrum seines Lebens machte und sich nach nichts Anderem sehnte, als von den Medien endlich entdeckt zu werden. Zuletzt war er nach Malle gereist, um dort sein geheiligtes Stöffchen auf dem Hotelbalkon, am Strand und in den Bars zu präsentieren. Aber wieder war sein härtester Rivale Junkersdorf Jünter (der Typ mit der sperrigsten Zaunfahne) auf dem besten Wege, seinen Ruhm zu verhindern. http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s440.html

HH-Hirni steht im kleinen Stadion vom Viertligisten UD Arenal, der heute ein Testspiel gegen die zweite Mannschaft von CD Atletico Baleares austrägt.  Das Stadion ist klein bzw. bietet Platz für ca. 2000 Personen und verfügt auf der einen Geraden über eine überdachte großstufige Tribüne und über ein Café im linken Eck der Gegengeraden. Im Ganzen: es ist geradezu dafür geschaffen, eine Fahne blickgerecht aufzuhängen. „Zum Einen hat man keine Konkurrenz durch Fanclubs oder selbstdarstellerische Ultras, die einem das Aufhängerecht aberkennen oder mit ihren bunten Bannern schlichtweg von meiner Fahne ablenken, zum Anderen ist die zaunartige Mauer hinter einem der Tore der beste Blickfang für die vor der Bar oder auf der Tribüne sitzenden Zuschauer.“ sagt sich HH-Hirni und glaubt in dem Moment, den genialsten Einfall seiner nicht ganz glattgelaufenen Fahnenhopperkarriere zu haben. Mit bester Laune schreitet er zu dem Zaun. „Wer will denn hier schon dieses langweilige, bedeutungslose Amateurspiel sehen? Spätestens wenn die 22 Trottel auf dem Spielfeld nichts bieten, wird der Blick des Publikums an meiner Fahne – der einzigen hier im ganzen Rund – haften bleiben. Und dann wird sie nicht nur zum Gesprächsgegenstand der einheimischen Zuschauer, sondern auch des ein oder anderen deutschen Groundhoppers, der zum Abkreuzen vor Ort ist.“ denkt er sich. Mit vor Stolz angeschwollener Brust befestigt der Hamburger seinen frisch gewaschenen Lappen an dem Zaun. Er glaubt, die zahlreichen anerkennenden, neugierigen aber natürlich auch neidischen Blicke auf sich und seiner Fahne zu spüren. Plötzlich hört er die etwa 150 Zuschauer jubeln. Das Herz des Fahnenhoppers beginnt zu rasen. „Kann es sein, dass mir ausgerechnet hier soviel Anerkennung zuteil wird?“ schießt es ihm wie ein Blitz durch den Kopf. Doch mit einem Schlag erstarrt er und wagt nicht zu atmen. Er ringt verzweifelt nach Fassung und wird knallrot.
Nicht ihm oder seiner geliebten Fahne galt der Applaus ... sondern diesen 22 popeligen Amateurfußballern, die gerade auf dem Spielfeld eingelaufen sind! HH-Hirni könnte platzen vor Wut. „Ihr nutzlosen Trottel!“ flucht er vor sich hin. „Euch kennt keiner, und ihr werdet niemals Bedeutung erlangen!“ Aber es kommt noch dicker für den Norddeutschen: Ein älterer, wuchtiger Herr betritt die Tribüne und hängt am Mäuerchen davor eine winzige Fahne auf, die aus einer blauen und einer weißen Stoffbahn zusammengenäht wurde. Ein paar Zuschauer, die auf den hohen Stufen der Tribüne hocken, erheben sich und gehen zur Begrüßung auf den Senior zu. Dem hamburger Jungen fallen die Augen aus dem Kopf. „Ja, ist das denn zu fassen?! Ich bringe hier eine der wichtigsten Hopperfahnen Europas an, und diese planlosen Dummköpfe scheren sich um diesen alten Fettsack mit seinem schäbigen Putzlappen!“ Soviel Ungerechtigkeit ist selbst für einen abgebrühten Kerl wie HH-Hirni zuviel. Was er braucht, ist Ablenkung. Die verschafft er sich, indem er seine Fahne fotografiert, wobei das Erzielen eines scharfen Bildes nicht einfach ist, da er immer noch vor Wut zittert. Letztendlich gelingt ihm ein passables Foto. „Mit irgendetwas muss ich meine Fans im Fratzenbuch doch bei Laune halten ...“ tröstet er sich trotzig. Seine „Fans“, das sind die bisher nur 15 Leutchen, denen sein Auftritt in dem sozialen Netzwerk „gefällt“. Sein kölner Rivale Junkersdorf Jünter hingegen hat 139 Fans, weshalb der Hamburger bereits schwer überlegt, sich mehrere Profile zuzulegen, die seine eigene Seite mit „gefällt mir“ „bewerten“. Nachdem er die perfekte Aufnahme über sein iPhone online gestellt hat, beginnt er die Stufen der Tribüne zu zählen und ihre Breite zu schätzen. „Man weiß schließlich nie, wann man mal in einemGroundhopperforum mit diesem Insiderwissen glänzen kann ...“ Wo er gerade gedanklich bei dem Thema ist, fällt HH-Hirnis Blick tatsächlich auf einen potenziellen Groundhopper. Der Mittzwanziger mit Dreiviertel-Hose, gebügeltem Markenshirt und grauem Rucksack steht friedlich neben dem Lokal und schlürft sein warmes Bier, während seine Augen die Lederarmbanduhr streifen um festzustellen, wie lange er noch die Zeit totschlagen muss, bis die für das Kreuzle notwendigen 45 Minuten endlich ein Ende haben. „Verstehe einer diese komischen Groundhopper!“ seufzt der Hamburger. „Geben endlos viel Geld aus um die abgelegensten Stadien dieser Welt zu bereisen. Und das alles ... für Kreuzchen im Informer! Niemand wird weder sie noch ihre Informer zur Kenntnis nehmen. Bei keiner Spielübertragung werden sie im Fernsehen zu erkennen sein. Was für unscheinbare Gestalten! Wäre ich sie, würde ich wenigstens zu jedem Spiel eine Fahne mit der darauf vermerkten Anzahl meiner „gemachten“ Stadien aufhängen. So hat man immerhin die realistische Chance, von einem Reporter entdeckt zu werden und zeitgleich allen mitzuteilen, auf welchem Stand man sich in der Groundhopper-Rangliste befindet.“ In dem Augenblick, wo der Fahnenhopper an Reporter denkt, stockt ihm der Atem. Da nähert sich ihm tatsächlich ein hagerer Herr älteren Semesters, der eine professionelle Kamera umhängen hat. Er lächelt direkt in seine Richtung. Um dieses Mal Missverständnisse auszuschließen, schaut sich HH-Hirni dreimal um, ob wer anderes in seiner Nähe steht, der gemeint sein könnte. Aber es gibt niemanden im Umkreis von zehn Metern. Es kann nur er, HH-Hirni, gemeint sein. Er oder seine Fahne. Oder beides. „Mein Name ist Fernando G. Ich bin Reporter der örtlichen Wochenzeitung. Sind Sie Anhänger von UD Arenal?“ begrüßt ihn der Pressemann auf spanisch. HH-Hirni kommen die Tränen wegen seiner unerwarteten Entdeckung. Verstohlen wischt er sie sich mit dem Ellbogen weg. „Jetzt nur nichts Falsches sagen.“ denkt er. Zwar hat er die Frage halbwegs verstanden, spricht aber kaum spanisch um zu antworten. Er versucht es mit einer Gegenfrage. „Do you speak English?“ Der Spanier schüttelt den Kopf und macht beim Weggehen eine Andeutung, wiederzukommen. HH-Hirni steht ratlos auf einem Fleck und weiß weder ein noch aus. Wenige Minuten später steht der Reporter wieder vor ihm ... zusammen mit ... Rico! „Dieser Mann helfen bei Übersetzung!“ versichert er lächelnd. Dem Hamburger fällt die Kinnlade herunter, und er wünscht sich auf einen fernen Stern. Rico grinst, dass seine Zähne zum Vorschein kommen. „Nix für ungut, Kleiner! Jetzt, wo du prominent bist, will ich dein Kumpel sein!“ plappert er mit schallendem Gelächter drauf los. Der Reporter stellt seine Fragen und Rico übersetzt. „Ist das deine Fahne?“ „Selbstverständlich!“ betont HH-Hirni. Rico sieht Fernando an und nuschelt für Ausländer unverständlich „Er hat sie mal irgendwo gefunden und nun hier aufgehängt.“ „Hast du einen UD Arenal-Fanclub gegründet?“ „Nein, ich bin nur Zuschauer.“ antwortet der Norddeutsche. „Er möchte nur das Stadion schmücken, weil es so unbunt ist.“ erzählt Rico dem Reporter auf spanisch. „Ist er UD Arenal-Fan?“ HH-Hirni schluckt. „Fan nicht direkt, aber ich finde die Mannschaft großartig!“ Mit einem Grinsen „übersetzt“ Rico: „Er findet die Mannschaft grauenhaft und wird in Zukunft nur noch Erstligafußball gucken.“ Der Reporter schnauft enttäuscht. „Was steht denn auf der Fahne drauf?“ „Idiot.“ Damit antwortet Rico zum ersten Mal wahrheitsgemäß. Fernando verabschiedet sich kurz und kehrt mit Rico zum Café zurück. HH-Hirni bebt vor Glück. Er kann es kaum erwarten, endlich ein Interview von sich in einer Zeitung zu sehen. Sofort postet er diese Neuigkeit auf seiner Seite im Fratzenbuch und schreibt zusätzlich alle seine Freunde per SMS an. Als HH-Hirni im Folgemonat in der Online-Ausgabe der Monatszeitung nach seinem Namen sucht, wird er nicht fündig. „Das ist doch unmöglich!“ flucht er fassungslos. Was soll er jetzt bloß seinen Freunden erzählen? Denen aus der Realität und denen im sozialen Netzwerk. Immer wieder und wieder geht er die 60 Seiten des Magazins durch. Vergeblich. ... und einen Monat später erscheint ein Interview mit ... Junkersdorf Jünter. Aber das wird HH-Hirni nie erfahren, denn er plant bereits seine Reise zur EM nach Polen und in die Ukraine.

Teil 2 Was bisher geschah: Die Fahnenhopper HH-Hirni und WSV-Wursti hatten sich im Auto auf den Weg zum EM-Eröffnungsspiel nach Warschau gemacht, um dort TV-gerecht ihre Banner hinter einem der Tore zu hissen. Allerdings hatte der Hamburger nicht die geringste Ahnung, welche Schrottlaube der Wuppertaler fuhr ... http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s480.html

„Sag mal, kannst du nicht mal auf's Gas drücken? Wir tuckern nun schon eine geschlagene Stunde mit 100 km/h über die Autobahn. Mit deinem Schneckentempo reicht es noch nicht mal für einen Fahnenplatz 2. Klasse im Oberrang!“ flucht HH-Hirni nervös. „Dann fällt die Karre komplett auseinander, und wir können zu Fuß nach Warschau laufen!“ warnt ihn der Wuppertaler. Verzweifelt fasst sich der Hamburger an den Kopf. „Verdammt nochmal! Warum hast du mich nicht vorgewarnt, auf was ich mich da einlasse?“ Dann hätte ich den Nachtschnellzug genommen und stünde jetzt schon vor'm Stadion!“ WSV-Wursti schmunzelt in sich hinein. „Weil ich dann deine Spritkostenbeteiligung nicht hätte einsacken können und die Tour für mich aufgrund meiner finanziellen Probleme ins Wasser gefallen wäre.“ denkt er sich, versucht aber HH-Hirni folgende Entschuldigung aufzubinden: „Letzte Woche raste mein Wagen noch wie ein Weltmeister. Ich verstehe wirklich nicht, was auf einmal mit ihm los ist.“ ... Und während der bergische Junge nach Ausreden sucht, hört HH-Hirni im Takt seiner Worte die Türen und den lockeren Auspuff des alten Fahrzeugs klappern. „Jetzt ehrlich, wie viel bedeutet dir deine Fahne eigentlich noch?“ will der Hamburger wissen, denn langsam überkommen ihn ernsthafte Zweifel. WSV-Wursti schluckt heftig. „Was meinst du damit?“ „Früher warst du einer der Ersten am Stadioneingang und kämpftest nach Einlass stets um die TV-gerechtesten Fahnenplätze. Du hattest eine der größten Fotosammlungen, was dein Stöffchen anging. Doch nun riskierst du durch dein prähistorisches Auto, dass wir zum Auftakt-Spiel überhaupt noch irgendwo unsere Banner unterbringen können.“ „Ach, weißt du ...“ brummt WSV-Wursti. „Ich bin jetzt Mitte Vierzig, habe noch nie eine Freundin gehabt, bin seit der Entlassung aus der Wurstfabrik vor fünfzehn Jahren arbeitslos und finde kaum noch eine Schwarzarbeitstätigkeit. Ich sehne mich nach einem geregelten Leben, dann kann auch meine Fahne wieder davon profitieren.“ HH-Hirni lässt sich diese Aussage Wort für Wort durch den Kopf gehen, und betrachtet sie mit einem lachenden und einem weinenden Auge: „Wenn er aufhört, gibt es wieder einen Fahnenplatz mehr und damit einen Konkurrenten weniger. ... Aber warum muss ihm das – verflucht nochmal – gerade jetzt einfallen, wo ich bei ihm auf dem Beifahrersitz hocke?“ Seine Laune sinkt endgültig auf den Nullpunkt. „Willst du mir weismachen, eine Frau könne dir mehr geben als deine Fahne?“ schreit er den am Steuer Sitzenden an. WSV-Wursti zuckt mit den Schultern. „Vielleicht finde ich zufällig eine Partnerin in Polen oder in der Ukraine. Dann kann ich dir darauf eine Antwort geben.“ HH-Hirnis Geduld ist am Ende, und Panik macht sich in ihm breit.
„Bitte fahr schneller.“ schluchzt er. „Mir bedeutet meine Fahne noch unendlich viel, und ich bringe mich um, wenn sie morgen nicht TV-gerecht im Unterrang hängt!“ Immer größere Tränen rollen ihm über die Wangen. „Wir schaffen das schon.“ tröstet ihn der Wuppertaler. „Aber vorher müssen wir bei Potsdam rausfahren. Am Bahnhof warten zwei Mitfahrer von der Mitfahrzentrale.“ Für Sekunden herrscht Totenstille. Nur das Auto klappert. „Was hast du da gesagt?“ schreit HH-Hirni fassungslos. „Du fährst gefälligst zügig auf dem kürzesten Weg nach Warschau!“ „Das kann ich nicht! Ich brauche das Geld!“ versucht sich WSV-Wursti zu rechtfertigen. Der Hamburger schreit erbost auf. „OK, ich schlage dir einen Deal vor: Du kriegst von mir die Asche. Aber fahr zum Teufel nochmal weiter!“ Nach einer endlosen Parkplatzsuche und einem noch längeren Fußmarsch erreichen die beiden Schlachtenbummler das Stadion gegen drei Uhr in der Nacht. Vor dem Eingang „ihrer“ Tribüne lungern bereits neun Schatten. „Da hast du's!“ faucht HH-Hirni. Beim Näherkommen erkennen sie die dort wartenden Fahnenhopper. „Na großartig, Junkersdorf Jünter mit seinem sperrigen Riesenlappen ist auch wieder dabei!“ „Keif hier nicht rum, Hirni!“ fährt ihn KSC-Kutti, der sich ebenfalls unter den Deutschen befindet, an. „Seid froh, dass eure Karten für diesen Bereich sind, denn an anderen Eingängen stehen bereits bis zu siebzehn Fahnenhopper Schlange.“ „Dann bringt dieses Mal eure Fahnen dicht nebeneinander an, damit hier für jeden Platz ist! Und vor allem: Kommt nicht jedes Jahr mit einem größeren Banner!“ entrüstet sich der Hamburger, während ein paar Fahnenliebhaber WUP-Wursti per Handschlag begrüßen.
„Konntest du den nicht daheim lassen?“ fährt Junkersdorf Jünter den Wuppertaler an und zeigt mit vor Wut zitterndem Finger auf HH-Hirni. Dann wendet er sich an den Norddeutschen direkt: „Mein Bannerformat geht dich einen feuchten Kehricht an, sonst hängt mein Luxuslappen demnächst auf deinem Dreckslumpen!“ „Mir geht's zur Zeit finanziell schlecht. Da bin ich auf jeden Mitfahrer angewiesen.“ flüstert WSV-Wursti mit gesenktem Blick den anderen Fahnenhoppern zu. Zur gleichen Zeit werfen sich Junkersdorf Jünter und HH-Hirni ein paar Unsachlichkeiten an die Köpfe. „Du meinst, als Sparmaßnahme künftig zu weniger Spielen reisen zu können?“ erkundigt sich KSC-Kutti, und die umstehenden Fahnenhopper blicken sich vielsagend an. Nach einer Weile lassen der Hamburger und der Kölner voneinander ab. In seiner rasenden Wut bemerkt HH-Hirni gar nicht, dass der Junkersdorfer ohne Rucksack vor Ort ist. Auch die anderen Jungs sind in Gedanken viel zu sehr mit Fahnenplätzen beschäftigt, um davon Notiz zu nehmen. „Wenn die Spinner doch bloß einschlafen würden, könnte ich versuchen, einen Ordner zu bestechen, mein Banner vorzeitig aufzuhängen. Hier im Osten läuft schließlich alles über Korruption.“ denkt sich der Norddeutsche. Als sich im Morgengrauen eine angeregte Diskussion über TV-gerechte Fahnenplätze in Lemberg und Kharkov - die Städte, in denen Deutschland antritt – entfacht, schleicht HH-Hirni zu einem vorbei spazierenden Ordner. „Ey Marek! Du hast doch bestimmt Zugang zum Stadion, oder?“ spricht er den breitschultrigen Mann vom Sicherheitsdienst mit rasendem Herzen an. Aber dieser blickt nur fragend auf den Hamburger herab. HH-Hirni zückt ein Bündel Fünf-Euro-Scheine und wedelt damit. „Hier! Euro! Für dich! Wenn du meine Fahne direkt hinter dem Tor aufhängst!“ Der Norddeutsche zieht ein Stück seines Banners aus dem Rucksack um seine Worte zu verbildlichen. Der stoppelhaarige Ordner, welcher nicht Marek sondern Tomek heißt, guckt sich blitzschnell um, zieht HH-Hirni das Geld aus der Hand und lässt es vom Rest der Welt ungesehen in seiner Hosentasche verschwinden. Dann setzt er gemütlich seinen Weg fort. Verdutzt folgt ihm HH-Hirni, in dem guten Glauben, es wäre ein Vertrag zustande gekommen. Als der Wächter aber wortlos am Tribüneneingang vorbei schreitet, beginnt der Fahnenhopper zu verzweifeln.
„He! Meine Fahne soll doch hier drin hängen!“ ruft er ihm mit heller Stimme nach und deutet auf die Öffnung mit den Drehkreuzen. Aber der Pole reagiert nicht und entfernt sich immer mehr. „Haaallooo! Sie da!“ versucht der Hamburger vergeblich die Aufmerksamkeit zu erregen. Plötzlich kommt KSC-Kutti angerannt. „Mensch Hirni, was hast du bloß vor?“ „Nichts, ich wollte bloß auf's Klo!“ antwortet dieser wutschnaubend. Am Vormittag steht bereits ein ganzer Haufen Fahnenhopper in der Schlange vor dem von HH-Hirni anvisierten Eingang. Wie ein halbes Leben erscheint es ihm, als endlich die Ticket- und Einlasskontrollen stattfinden. Der eifrige „Fußballfan“ muss vor den Ordnern seine Fahne und seine Ersatzfahne ausrollen und auf verfassungswidrige Inhalte untersuchen lassen. Nervös tritt er von einem Fuß auf den anderen und beobachtet all jene, die an ihm vorbeilaufen. „Jetzt macht doch endlich hinne!“ fleht er. Als die Ordner nicken, packt er seine Fahnen und rennt wie von der Tarantel gestochen die Tribüne bis zur Spielfeldabgrenzung hinunter. Dabei fragt er sich, warum alle vor ihm angekommenen Fahnenhopper nach links und rechts strömen. Als er sich nach Luft ringend über die Brüstung beugt, weiß er, warum: In der goldenen Mitte hängt in voller Pracht die ehlendig lange Fahne von niemand Anderem als ... Junkersdorf Jünter. „Tja, Kleiner!“ lacht der stolze Besitzer keine fünf Meter neben ihm und zwinkert. „Einer der Ordner ist der Türsteher meiner früheren Stammdisco in Köln.“ HH-Hirni hat keine Zeit zu reagieren. Von oben ergießt sich eine Welle weiterer Fahnenhopper in Richtung Zaun. Mit geschultem Auge erblickt er eine Lücke zwischen KSC-Kuttis und Hoffe-Homers Fahnen. Aber die Sache hat einen Haken. Mehr dazu im nächsten Teil!

Verehrte Leser, wie Ihr Euch noch erinnert, sind HH-Hirni und WSV-Wursti zusammen nach Polen gefahren. Auch alte Bekannte, wie KSC-Kutti und sein Erzrivale Junkersdorf Jünter hatten diese glorreiche Idee. Trotz früher Ankunft am Stadion, kriegt der Hamburger im TV-gerechten Bereich bloß ein kleines Stück Zaun ab. http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s576.html
Im Nu befestigt er sein edles Stöffchen mit Bändern und Saugnäpfen, stellt dann aber mit eiskaltem Schrecken fest, dass sein Banner länger ist als der vorhandene Platz. Damit das letzte „i“ von „Hirni“ und das danebenstehende Gehirn im Lorbeerkranz nicht untergehen, überhängt er den Rand von Hoffe-Homers Transparent, wodurch für den Zuschauer das „Hof“ nicht mehr sichtbar ist. Zu allem Übel fällt diese Schummelei, die jedem Fahnenhopper-Kodex widerspricht, de Hoffenheimer nach wenigen Sekundenbruchteilen auf, und er wiederum zieht das Eck seiner Fahne nach vorne und verdeckt den besagten Teil von HH-Hirnis Banner. „Wenn dir dein Platz nicht reicht, dann klatsch deinen Lumpen in den Oberrang, oder wirf ihn auf's Spielfeld!“ schimpft der Württemberger und streicht liebevoll sein weiß-blaues Tuch glatt. „Was mache ich jetzt bloß?“ grübelt HH-Hirni mit gerunzelter Stirn. „Egal! Irgendwann wird derHoffenheimer auf den Rasen glotzen, und dann nutze ich die Gunst des Moments und ziehe meine Fahne wieder drüber.“
Aber da hat sich der Hamburger geirrt: Während er den Hoffe-Homer aus dem Augenwinkel beobachtet, schielt dieser ohne Unterbrechung auf seine Fahne. Diese Niederlage treibt HH-Hirni schon wieder Tränen in die Augen. So hat er sich das Ganze nicht vorgestellt! Nach und nach trudeln die griechischen und die polnischen Anhänger ein. HH-Hirni verspürt den Drang, sich unbedingt zu vergewissern, ob man seine Fahne trotz der überhangenen Ecke im Fernsehen erkennen kann. Früher hätte er für alle Fahnensichtbarkeitsfragen seine Kollegen, ehemaligen Mitschüler oder Nachbarn angerufen, aber da von diesen Personen inzwischen niemand mehr ans Telefon geht, wenn zu Länderspielen seine Nummer auf deren Display erscheint, bleibt ihm nur noch seine jüngere Halbschwester als Auskunftsquelle. Zwar interessiert sich die 25jährige Jessy fast gar nicht für Fußball, aber da sie in einer Kneipe als Serviererin arbeitet, bekommt sie von den Spielübertragungen auf der Leinwand zwangsweise einiges mit. Auch heute ist die Schänke wieder gut besucht, und zahlreiche Jungs aus HH-Hirnis Nachbarschaft haben sich im Biergarten versammelt, um der EM-Eröffnung beizuwohnen. Sie kennen den eifrigen Fahnenhopper aus ihrer Jugend. Damals hat er noch mit ihnen auf dem Bolzplatz gekickt ... „Bis er mit 16 einen Dachschaden bekam.“ so sagen sie. Trotzdem achten sie bei Länderspielen ab und zu auf seine Fahne. Aber nicht aus Bewunderung, sondern als Bestätigung, dass er sich nicht geändert hat.
Als die Blondine Hannes und Sören – ehemalige Grundschulkameraden von HH-Hirni, die sich inzwischen zu den stolzen Familienvätern zählen – das Bier bringt, bimmelt ihr Handy.
„Entschuldigt mich.“ flüstert sie, stellt die Krüge auf den Tisch und greift nach ihrem Mobiltelefon. „Ach, du bist's, Brüderchen! Was gibt's? Willst du wieder wissen, ob man deine Fahne im Fernsehen sieht?“ „Ja, es geht darum, dass mich Hoffe-Homer ein Stück überhangen hat. Deshalb möchte ich mich vergewissern, ob man meine Fahne trotzdem erkennt und ob das fehlende Stück sehr auffällt.“ Jessy rollt die Augen und wirft einen Blick auf die Leinwand. „Alles bestens. Klugen Fußballkennern wird deine Fahne sofort ins Blickfeld springen. Da macht das Bisschen Überdeckung rein gar nichts aus.“ tröstet sie ihn, in der Hoffnung, dass er in Kürze Ruhe gibt. Aber meistens ist dem nicht so. Hannes und Sören, die den Dialog mithören, kichern. „Frag deinen Bruder mal, warum er jetzt „HH-Hirn“ heißt, obwohl er sein Gehirn verloren hat!“ gröhlt der Erstgenannte.
Jessy presst ihren Zeigefinger auf die Lippen, aber der Wunsch, dass ihr Bruder nichts mitbekommen hat, ist vergebens. „Warum lügst du mich so dreist an? Gib zu, du nimmst meine Fahne nicht ernst! Du denkst nur an dein eigenes Wohlbefinden! Wer weiß, wie oft du mich schon in der Vergangenheit mit Unwahrheiten abgespeist hast!“ Bevor die Kellnerin Luft holen kann, hat ihr Bruder bereits aufgelegt. Die Kundschaft um sie herum kriegt sich kaum ein vor lachen. Doch was sie dann im Fernsehen geboten bekommen, verschlägt ihnen fast die Sprache. Stavros, ein nicht großer aber ebenso breiter Grieche mit glatt nach hinten gegelten Haaren, betritt die Tribüne. Zusammen mit seinen Kumpeln nähert er sich dem Zaun, denn er hat den Bewohnern seines kleinen Dorfes versprochen, seine Griechenland-Flagge mit der blutroten „Hellas“-Aufschrift hinter einem der Tore aufzuhängen. Die Leute aus seinem Ort sind stolz auf ihn und seine Truppe, denn viele leben in Armut, und bisher konnte es sich noch keiner von ihnen leisten, zu einer EM oder gar WM zu reisen. Doch seit Stavros eine Gyrosbude in Deutschland leitet, geht es ihm nicht schlecht, und daran lässt er seine Freunde teilhaben. Wie eine Eiche platziert er sich neben HH-Hirni, der schon Allerschlimmstes ahnt. Neugierig beugt sich der Grieche über die Abgrenzung, was auch bei den Ordnern am Spielfeldrand besorgte Gesichter hervorruft. Links von HH-Hirni sieht er eine blau-weiße Fahne: die von KSC-Kutti, und rechts eine weiß-blaue Fahne: die vom Hoffenheimer, und in der Mitte ein blau-gelbes Banner ... „Das hat nichts mit Hellas zu tun!“ brüllt er, und bevor sich HH-Hirni versehen hat, liegt er schon weggerempelt am Boden, und auf seinem Lappen hängt Stavros' Griechenlandflagge. In der Zeit, wo sich der Hamburger mühsam wieder aufrichtet, klopft der kräftige Mann dem Karlsruher fest auf die Schulter, wodurch auch dieser ins Schwanken gerät aber nicht stürzt. „Bist Deutscher, aber trägst ein blau-weißes Shirt und bist für Hellas? Guter Junge! Woher kommt's?“ Der Badener guckt den Griechen scheu an und ringt nach Argumenten. „Ich ... ich ... fand den Rehakles damals ... so gut.“ „Feines Kerlchen!“ johlt der Dicke und klopft dem Fahnenhopper wieder so derb auf die Schulter, dass dieser ins Taumeln gerät. „Wer ist denn dein Lieblingsspieler?“ KSC-Kutti weicht sämtliche Farbe aus dem Gesicht. „Gott, was sag' ich jetzt nur?“ grübelt er und hat dann die Erleuchtung: „Pa ... Papadopoulos! Der spielt doch bei Schalke!“ Höchst erfreut über diesen plötzlichen Geistesblitz wischt sich der Karlsruher den Schweiß von der Stirn. Inzwischen hat sich HH-Hirni aufgerappelt. Obwohl der stämmige Grieche für ihn furchteinflößend ist, sieht er nicht ein, seinen Fahnenplatz kampflos aufzugeben. Wutschnaubend zerrt er an dem engen T-Shirt seines Gegners, der sich inzwischen auch noch auf die Abgrenzung gesetzt hat, an der seine überhangene Fahne befestigt ist. „Geh gefälligst weg da! Das ist mein Fahnenplatz! Ich war zuerst hier!“ fordert er den Dicken auf. Dieser wirft nur einen kurzen Blick zu dem Hamburger, entzieht ihm das T-Shirt-Ende und rülpst zufrieden. Das ist zu viel für HH-Hirni! Schluchzend bahnt er sich einen Weg durch die von der EM-Eröffnungsfeier begeisterten Zuschauer und steuert einen Ordner an. „Sprechen sie deutsch?“ Der Mann schüttelt den Kopf und grinst hämisch. Da fällt es dem Hamburger wie Schuppen von den Augen: „Das ist ja der Kerl, der mich vor dem Stadion abgezogen hat und an meiner Misere schuld ist!“ In aller Verzweiflung nimmt er die Beine in die Hand und macht sich auf die Suche nach einem ehrlichen Ordner. „Gleich fängt das Spiel an! Was mache ich bloß, wenn dann nicht meine Fahne im Fernsehen zu sehen ist?“ geht es ihm durch den Kopf als er dann plötzlich eine hübsche Ordnerin im Gang erblickt. „Die hat bestimmt Verständnis für mich!“ glaubt er, und noch bevor er sie erreicht hat, zeigt er auf Stavros und brüllt in gebrochenem Englisch: „Dahinten! Fetter Grieche! Hat meine Fahne überhängt! Helfen Sie mir!“ Zusammen mit der Dame schleicht er zu „seinem“ Fahnenplatz. Doch als sie Stavros' Griechenlandflagge anhebt ... ist sein Banner verschwunden! Den Rest dürft Ihr, verehrte Leser, Euch jetzt selber denken. Wo könnte HH-Hirnis Fahne stecken?
a) in Stavros' Wampe

b) in Junkersdorf Jünters nicht-vorhandenem Rucksack
 
c) demnächst bei einem Bundesliga-Spiel verkehrt herum über einem Ultra-Banner.
 
Wer zuerst die richtige Antwort errät, gewinnt ein ... Interview.

Dass HH-Hirni in das Fahnenhopperparadies Polen & Ukraine gefahren ist, muss nicht wiederholt werden. Dies ist schlichtweg die Fortsetzung von dem letzten Teil: http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s592.html .

Für die Nacht vor der Begegnung Deutschland gegen Holland hat sich HH-Hirni ein Hotelzimmer mit Balkon und Straßenblick in Charkiw gegönnt. Natürlich musste er eine Stange Geld für diesen Luxus hinlegen, aber die Balkonbrüstung bot sich hervorragend als Blick-gerechte Stelle für seine ihm inzwischen nachgesandte Ersatzfahne an. Da konnte er einfach nicht widerstehen. Nun hängt das Stöffchen in voller Pracht in einer belebten Einkaufsstraße und wartet auf Bewunderer.  Wer jetzt annimmt, HH-Hirni würde sich nun gemütlich ins Bettchen kuscheln, der hat sich schwer geirrt!  Gegen Mitternacht verlässt er das Hotel und macht sich zum Stadion auf, wo bereits die üblichen Verdächtigen vor dem Eingang lungern um beim Einlass am nächsten Abend zu den glücklichen Ersten zu gehören, die einen TV-gerechten Fahnenplatz belegen.  Von den anderen Fahnenbesitzern skeptisch gemustert, hockt er sich in ihre Nähe und beginnt zu warten.  „Du gibst auch niemals auf.“ grunzt Junkersdorf Jünter, der sich an das Absperrgitter gelehnt hat und ein warmes Bier in einer Plastikflasche genießt.  „Fahr dein Fressbrett ein, sonst fällt was runter!“ knurrt HH-Hirni und vernimmt ein schäbiges Gelächter von KSC-Kutti, der ein paar Meter weiter sitzt.  „Irgendwie besteht diese EM nur aus warten, warten, warten ...“ grummelt der Hamburger in sich hinein, wohl merkend, dass seine Augenlider immer mehr zu Blei werden.  Als er wieder in Deutschland ist, schlägt er eine Tageszeitung auf. Eigentlich interessieren ihn Nachrichten herzlich wenig, aber der Titel „Fahnenverbot in der Bundesliga“ ruft bei ihm Bestürzung hervor. Sorgfältig liest er den einspaltigen Artikel wieder und wieder. Darin heißt es unter Anderem: „Um künftig den Zündstoff für Fankrawalle zu minimieren und gleichzeitig die Sponsoren und deren im Stadion hängende Werbung zu stärken, hat der DFB beschlossen, dass ab nächster Saison das Anbringen von Fan-Bannern in allen Stadien im Fußballprofibereich untersagt wird.“  Bei diesen respektlosen Worten bleibt dem Hamburger die Luft weg. Wenn er seine Fahne nicht mehr aufhängen darf, welchen Sinn machen dann noch Besuche von Fußballspielen? Mit unruhigen Fingern wählt er die Nummer von Junkersdorf Jünter.  In dem Moment, als der Kölner abnimmt, sprudelt der Norddeutsche darauf los. „Hi, hier HH-Hirni! Du bist zwar das größte A....l..., das ich kenne, aber wo es nun ernst wird, müssen wir zusammenhalten, sonst sind wir in Kürze verraten und verkauft!“  Nach sekundenlangem Schweigen erwidert Junkersdorf Jünter: „Jetzt knallt's bei dir komplett durch, wie?! Was ist - erstens - vorgefallen, und warum sollte ich – zweitens – mit jemandem wie dir an einem Strang ziehen?“  Die Reaktion überrascht den Hamburger ziemlich. „Sag bloß, du weißt es noch nicht!“  „Dann bemüh' dich mal, mir Entwicklungshilfe zu leisten, du Vollpfosten!“  Mit aufgeregter Stimme liest HH-Hirni den Bericht aus der Zeitung vor.  „Was sollen wir jetzt bloß tun?“  Junkersdorf Jünter denkt scharf nach. „Es gibt im Grunde nur eine Lösung, und die heißt: protestieren! Wir ziehen mit unseren Fahnen vor das Gebäude des DFB und sammeln Unterschriften gegen diese unfassbare Repression. Vielleicht finden wir noch ein paar volksnahe Randparteien, die uns unterstützen. Ansonsten gibt es ja die Ultras, die sich garantiert diesem Kampf stellen würden. Schließlich leben sie von der Selbstdarstellung durch Fahnen oder auf Demos.“  Kämpferisch schlägt HH-Hirni die Faust auf den Tisch. „Dann lass uns alle aus der Fahnenszene kontaktieren, und anschließend setzen wir einen Aufruf in das Fahnenhopper-Forum und in das ultras.ws!“  Kaum hat der Hamburger aufgelegt, haut Junkersdorf Jünter bereits eine glühende Rede in die Tastatur.  Viele Benutzer des Fahnenhopper-Forums sind zwar schon über den Skandal informiert, aber alle loben sie den Aufruf des Kölners. Bis auf HH-Hirni, in dem Eifersucht aufsteigt. „Im Übrigen war die Demo meine Idee.“ kontert er, kriegt aber außer einem lachenden Smiley keine Beachtung.  Endlich kommt der große Tag des Widerstandes. Der Marsch ist genehmigt, und so ziehen Ultras und Fahnenhopper – wenn auch getrennt hintereinander – in zwei Gruppen durch Frankfurt.  Die Ultras sind bis auf wenige Ausnahmen schwarz gekleidet und verdecken ihre Augen trotz dem Regenwetter mit Sonnenbrillen. Als Ausgleich bringen ihre Banner, Schals und Doppelhalter Farbe ins Spiel. Gruppe für Gruppe stolzieren sie hinter ihren Gruppen-Bannern, welche sie zu mehreren Leuten vor sich her tragen.  Unter den Fahnenhoppern schaut es anders aus. Da es sich bei ihnen überwiegend um Einzelpersonen handelt, haben sie ihre Banner auf lange Bambusstäbe oder Teleskopstangen gespannt und transportieren diese in voller Breite vor ihren Bäuchen. Dabei genießen sie die vielen Kameras um sich herum und hoffen, auf Fotos und Videos möglichst deutlich erkennbar zu sein.  Die Ultras sind das absolute Gegenteil: Sie vermummen nach und nach ihre Gesichter mit Schals, Mundtüchern und Sturmhauben.  Vor dem Sitz des DFB angekommen, halten sie Banderolen mit darauf gesprühten Forderungen wie „Gegen Repression“ und „Emotionen respektieren“ in die Höhe. Von den Fahnenhoppern können solche Aktionen nicht gestartet werden, da sie jeweils mit ihrer eigenen Fahne die Hände voll haben.  Zuerst hält ein Capo über sein Megaphon eine Rede über die Legalisierung von Pyrotechnik, Freiheit für Stadionverbotler und zuletzt über die Farbe und Identität der Kurve durch Gruppen-Banner und Fanclub-Flaggen. Ein paar Pfiffe seitens der Fahnenhopper begleiten den Vortrag des Ultrarepräsentanten.  Die anschließende Rede erfolgt durch Junkersdorf Jünter, welcher dabei selbstverständlich hinter seiner Fahne steht. Von manchen Demonstranten wird er bejubelt, von vielen aber auch ausgebuht. Während er sein Anliegen herüber bringt, lichtet sich der Mob der Ultras.  HH-Hirni könnte platzen vor Neid, dass es ausgerechnet sein Rivale Junkersdorf Jünter ist, der im Namen der Fahnen-besitzenden Allesfahrerszene sprechen darf. Dennoch muss er insgeheim eingestehen, dass der Kölner kein schlechter Redner ist. Letztendlich geht es um eine gemeinsame Sache, von der auch die Zukunft des Hamburgers abhängt.  „Verehrte Brüder, die ihr wie ich den selbstlosen Dienst an der Fahne für unser Vaterland leistet“, beginnt der Kölner. „Seht nur, HH-Hirni pennt wie ein Stein!“  Plötzlich reißt der Hamburger die Augen auf. Um ihn herum ist Dämmerung, aber er vernimmt deutlich das Gekichere seiner Artgenossen. Nein, er befindet sich nicht in Frankfurt, sondern noch immer vor dem Metalist-Stadion in der Ukraine. Und das Warten auf den Einlass will kein Ende nehmen ...
Verehrte Leser,
wir erinnern uns: HH-Hirni war zusammen mit WSV-Wursti zum Eröffnungsspiel nach Warschau gefahren. Während es für den Hamburger von Spiel zu Spiel geht (s. letzte Folge: http://www.ultras.ws/fahnen--und-quothopping-und-quot-t7889-s672.html ) möchtet Ihr sicher erfahren, was aus dem Wuppertaler geworden ist.  HH-Hirni hockt vor dem Olympiastadion in Kiev und ist in Gedanken bereits bei einem TV-gerechten Fahnenplatz zum Spiel England gegen Schweden.  Zur gleichen Zeit sitzt WSV-Wursti mit seinem Hund an der Bushaltestelle vom Wuppertaler Hauptbahnhof.  Für ihn war die Fußball-EM bereits nach dem Eröffnungsspiel zu ende. Als er nach der Veranstaltung mit seinem Mitfahrer HH-Hirni zu seinem betagten Auto zurückging, wollte dieses partout nicht mehr anspringen. Egal, was der Wuppertaler auch versuchte, die Karre blieb still wie ein toter Hund. Währenddessen tobte HH-Hirni wie ein Irrer auf dem Beifahrersitz. Bei dem Gedanken, nicht überpünktlich zu „seinem“ nächsten Spiel in Lemberg erscheinen zu können und damit möglicherweise einen TV-gerechten Fahnenplatz zu verpassen, rastete er aus.  Irgendwann stellte der Wuppertaler den vor Wut schäumenden Hamburger vor vollendete Tatsachen, worauf dieser sich zunächst weigerte, seinen Spritanteil zu bezahlen, dann aber einen kleinen Betrag – der nicht im Ansatz an die vereinbarte Summe herankam – vor WSV-Wurstis Füße warf und mit einem Höllentempo zum Bahnhof flitzte.  Da der Autofahrer sich keine Unterkunft leisten konnte, übernachtete er in seiner Blechkiste und fasste einen folgenschweren Entschluss: Die Aufgabe des Fahnenhoppings.  Am folgenden Morgen machte er sich auf die Suche nach einem Autoersatzteilhändler und wurde eine Weile später in einer Hinterhoflaube bei einem ostukrainischen Gastarbeiter fündig. Nachdem dieser das PKW-Wrack begutachtet hatte und die Nummernschilder in einem Kanal entsorgt waren, drückte er dem Reisenden ein paar Zloty-Scheine in die Hand und schleppte die Schrottkiste ab. Etwas später kontaktierte der Wuppertaler seine Versicherung und meldete sein Auto als gestohlen.  Da das wenige Geld nicht für die Heimfahrt ausreichte, stellte er sich an den Rand einer Schnellstraße und hielt ein Schild mit der Aufschrift „Wuppertal / Germany“ hoch.  Einige Stunden darauf stoppte vor ihm ein Lastwagen. Die Fahrertür sprang auf und ein drahtiger Mann mit blonden Bartstoppeln und „Polska“-Käppi beugte sich heraus. „Ey, du! Ich bin Zlatan aus Poznan und fahre an Wuppertal vorbei! Kannst einsteigen, habe heute wegen kurzer Strecke keinen Kollegen dabei!“  Als der Wuppertaler es sich im LKW bequem machte, schielte er unauffällig zu der Rückwand hinter den Sitzen, wo eine Deutschlandkarte mit der Angabe der dort ansässigen ALDI-Filialen hing. Einige waren schon abgekreuzt.  „Tja, jeder macht sein Kreuzchen woanders.“ dachte er sich.  In Wuppertal angekommen, besorgte er sich bei seiner Tante die Video-Aufnahme vom EM-Eröffnungsspiel und genoss daheim zu einem Bier den Anblick seiner Fahne im flackernden Fernseher. „Wenigstens hing sie TV-gerecht und fiel mehr auf als der verknudelte Lappen von HH-Hirni.“ seufzte er.  „Aber ab morgen werde ich mein Leben umkrempeln!“  So brachte er tags darauf seine in einem Schuhkarton gebettete Fahne in den Kellerverschlag. Anschließend begab er sich zu einem Tierhändler und kaufte sich von seinem letzten Geld einen kleinen, weißen, zotteligen Hund – auch Havaneser genannt – und die ersten Dosen Fleischfutter.  „Liebling, ich werde dich einfach nach deinem Herrchen benennen. Wursti, bei Fuß!“  Zufrieden zog er mit seinem neuen Freund und Familienmitglied durch die Fußgängerzone und genoss es in vollen Zügen, wenn dieser schwanzwedelnd die Passanten ansprang oder abschleckte. Auf diese Weise konnte WSV-Wursti nicht nur die für ihn nötige Aufmerksamkeit gewinnen, sondern seine Aussicht auf soziale Kontakte und schöne Frauen vergrößern.  Jedes Mal, wenn ein hübsches Mädel seinen Weg kreuzte, sprach er besonders laut und eindringlich auf sein Hundchen ein, denn Tierliebe lässt fast alle Frauenherzen schmilzen.  Ihm lief ein warmer Schauer über den Rücken, als die zahlreichen gutaussehenden Studentinnen seinen Schützling tätschelten und mit „aaach, wie süüüß“ und „aaach, wie niiiedlich“ bedachten. Leider gab ihm keine der Schönheiten ihre Handynummer. Dafür lernte er aber dutzende Hundehalter kennen. Zwar waren die meisten Damen unter ihnen nicht mit den flotten Uni-Besucherinnen vergleichbar, sondern ähnelten vom Aussehen und Geruch eher ihren vierbeinigen Gesellen, aber dafür rückten sie eigeninitiativ ihre Telefonnummern heraus und hatten rund um die Uhr Zeit.  Inzwischen verbringt der ehemalige Fahnenhopper die größte Zeit zusammen mit anderen „Herrchen“ und „Frauchen“ sowie deren Hundchen bei ein paar Bierchen im Bahnhofsgebäude oder vor dem nah gelegenen Kiosk. Seinen Wunsch nach einem Job hat er derweil verworfen, denn schließlich braucht er für seinen bellenden Partner und seine neugewonnenen Freunde viel Zeit.  Die Benutzer im Forum, die seinen Lebenswandel beschmunzeln, bedenkt er mit Satzbausteinen wie „Wer Tiere hasst, hasst auch Menschen“ oder „Tiere sind die besseren Menschen“.  Das ist das Letzte, was er auf dieser Internet-Plattform tut, bevor er sich dort für immer abmeldet.
 
Lest in der nächsten Folge, wie HH-Hirni derweil um einen Fahnenplatz auf der Gegentribüne in Kiev kämpft.