Rapid-Torhüter verletzt: Freispruch für Austria-Fan
Schon in den ersten
Spielminuten hatten Austria-Fans am 28. August 2008 Gegenstände auf das
Spielfeld des Hanappi-Stadions geworfen. In der sechsten Spielminute
explodierte in unmittelbarer Nähe von Rapid-Torhüter Georg Koch ein Böller. Er
erlitt dabei einen massiven Hörverlust am rechten Ohr in Verbindung mit einem
Tinnitus. Damit verbundene anhaltende Gleichgewichtsstörungen und
Schwindelgefühle sowie eine posttraumatische Belastungsstörung sorgten dafür,
dass der Sportler in Folge von Berufsunfähigkeit seinen Vertrag mit Rapid
einvernehmlich auflösen und im März 2009 seine Karriere beenden musste.
Erster Freispruch wegen Mängeln
Bereits im November
2010 stand der mutmaßliche Täter wegen Körperverletzung mit schweren
Dauerfolgen vor Gericht. Der zum Tatzeitpunkt 17-Jährige wurde freigesprochen,
das Gericht hatte auf die Befragung des ermittelnden Kriminalbeamten verzichtet
und zunächst auch kein fotogrammetrisches Gutachten eingeholt. Das Wiener
Oberlandesgericht (OLG) hob daher den Freispruch wegen Feststellungsmängeln auf
und ordnete eine ergänzende Beweisaufnahme an. Im zweiten Rechtsgang am Mittwoch
legte der Polizist nun im zweiten Rechtsgang dar, das Bild- und Videomaterial,
anhand dessen er sich auf die Suche nach dem Übeltäter begeben hatte, sei
„nicht überragend“ gewesen. Darauf war zwar in schwammiger Qualität zu sehen,
dass der Knallkörper im Austria-Sektor gezündet wurde, ein Foto mit dem
„vermeintlichen Werfer“ taugte aber nicht zu dessen Ausforschung, zumal die
Identität des Verdächtigen nicht feststand. Nach Besuchen in der Fanszene habe
er das Gerücht gehört, der 17-Jährige wäre der Böllerwerfer gewesen. Bei einem
Spiel konfrontierte der Beamte den Verdächtigen mit dem Vorwurf, nach
Darstellung des 17-Jährigen hatte sich der Beamte dabei nicht als Polizist
ausgewiesen. Als der Bursch den Vorwurf abstritt, lud ihn der Beamte zu einer
Einvernahme vor, nachdem er sich als Gesetzeshüter zu erkennen gegeben hatte.
Verdächtiger sah belastendes Material nicht
Diese Befragung fand
erst am 22. Oktober 2008 statt. Das ihn angeblich belastende Material bekam der
17-Jährige dabei trotz entsprechender Bitte nicht zu sehen, „weil das technisch
nicht möglich war. Wir haben kein Gerät gehabt“, wie der Beamte nun der
Richterin erklärte.
In seinem
Abschlussbericht bezeichnete er den jungen Mann zweifelsfrei als „Täter“. Dies
deshalb, da „das Gesamte den Eindruck entstehen hat lassen, dass er es war.
Eindeutig ist aufgrund dieses Materials nix genau“, wie er vor Gericht
bemerkte. Unerwähnt ließ der Polizist, dass er im Bericht in nicht korrekter
Weise suggeriert hatte, der damals 17-Jährige sei von seinem Ex-Schulkollegen
explizit als Täter bezeichnet worden, obwohl die entsprechenden Angaben von
dessen Freundin stammten und sich auf Gerüchte bezogen hatten. „Waren Sie bei
Ihrem Abschlussbericht der Meinung, Sie haben den richtigen Täter?“, wollte die
Richterin klipp und klar wissen. „Ich war mit den Ermittlungen fertig“,
erwiderte der Polizist, „ich bin allem nachgegangen. Ein besseres Material hat
es nicht gegeben. Ich habe das wertlos (gemeint war offenbar wertfrei, Anm.)
der Staatsanwaltschaft mitgeteilt.“
Freispruch ist rechtskräftig
Die
Staatsanwaltschaft klagte den mittlerweile 21-Jährigen an, ohne ein
fotogrammetrisches Gutachten einzuholen. Das wurde erst während der
Hauptverhandlung nachgeholt. Das Ergebnis trug die Richterin vor: Die
Kinnpartie des mittlerweile 21-Jährigen passt nicht zu der jenes Mannes, der
auf den Foto- und Videoaufnahmen zu sehen ist. Auch das rechte Ohrläppchen des
21-Jährigen weist eine andere Form auf. Laut Gutachten ist der 21-Jährige mit
einer Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent nicht mit dem abgebildeten Verdächtigen
ident. Angesichts dieser Beweislage musste auch die Anklagebehörde den
Freispruch akzeptieren. Die Staatsanwältin verzichtete auf Rechtsmittel, nach
eineinhalbjähriger Prozessdauer muss der 21-Jährige strafrechtlich nichts mehr
befürchten. Dem Kriminalbeamten, der die Erhebungen getätigt hatte,
bescheinigte die Richterin, in seiner zeugenschaftlichen Einvernahme „keinen
guten Eindruck hinterlassen“ zu haben. Es sei „schon schlimm, dass man auf
diese Art und Weise in Verdacht gerät“, so die Richterin.