In den letzten Tagen, eigentlich
im gesamten heurigen Jahr (das nur ein paar Tage alt ist) habe ich meinen Blog
mit den unterschiedlichsten marokkanischen Ultragruppierungen bzw. deren
Internetauftritten auf Skyrock befüllt. Die nordafrikanische Ultraszene ist
noch sehr jung, die meisten dieser Gruppen bestehen erst seit Mitte des dritten
Jahrtausends und orientieren sich – wie im Falle von Marokko entweder am
französischen oder spanischen Stil. Dies hat auch seine Erklärung in der
Geschichte, war Marokko doch bis 1955/56 grossteils französisch und auch ein
bischen spanisch besetzt. Eine eigenständige marokkanische Meisterschaft gibt
es erst seit der Unabhängigkeit, die beliebtesten Vereine sind die beiden
Grossen aus Casablanca (Wydad 1937 und Raja 1949) sowie der Verein aus Rabat
(1958 gegründet). Wydad und Rabat sind mit je 12 Titeln Rekordhalter, dahinter
Raja Casablanca mit 10 Titeln, wobei diese Titel fast ausschliesslich in den
letzten 15 Jahren erreicht wurden. MAS Fez hält mit 4 Titeln weit abgeschlagen
den vierten Platz, die restlichen Titel wurden von Mannschaften wie Kenitra
(ebenfalls vier Titel), HUS Agadir (2 Titel), Khourigba, Mohammedia, Oujda, ADM
Casablanca und CODM Meknes eingefahren. Dies wirkt sich logischerweise auch auf
die Verteilung der Fanszene aus, in jeder Stadt gibt es Fans der beiden „Grossen“
aus Casablanca sowie Rabat, welche oft zahlreicher sind als die Fans des
eigenen Vereines. Nichtsdestotrotz hat sich in vielen Städten eine bunte
Fanszene entwickelt aus der die Ultraszene entstand. Die politischen
Veränderungen in Nordafrika während der letzten 15 Jahre haben dazu auch
beigetragen, das Internet und andere Medien halfen dabei. So haben sich viele
Gruppen mit Logos europäischer Gruppen geschmückt und ihre Namen oftmals an die
der grossen europäischen Gruppen angelehnt. Ein interessantes Beispiel hierfür
sind die WINNERS
WYDAD, 2005 entstanden, welche das
Logo der bei uns sehr bekannten FEDAYN VIENNA 1995
mit dem Schriftzug der SOUTH WINNERS 1987 verbunden haben. Das
daraus enstandene Kuriosum zeichnet sich für die Stimmung in der Curva Nord von
Casablanca verantwortlich. Wir alle kennen ja die Ursprungsgeschichte von FEDAYN VIENNA sodass in diesem Ganzen Mischmasch auch ein
bischen FEDAYN
FAVAC 1993 steckt.
Darüberhinaus kennt man ja die Affinität einiger Mitglieder von FV zu Olympique
de Marseille womit sich der Kreis auch wieder schliesst. Ob sich die Gründer
der WINNERS
WYDAD dessen bewusst waren kann ich
nicht sagen, interessant sind diese Schlussfolgerungen jedoch allemal. Ganz
andere Wege gingen zum Beispiel die Jungs von Atletico Tetouan mit ihren LOS MATADORES. Tetouan wurde im Jahre 1922 von Spaniern
gegründet, die eine Affinität zu ATLETIC BILBAO hatten,
nach der Entlassung in die Unabhängigkeit ging ein Teil der Spieler nach Ceuta,
der Rest blieb hier. Das Logo der LM erinnert stark an jenes von FRENTE ATLETICO, die ja auch als
Madrider Ableger von Athletic Bilbao entstanden sind und sich am 26. April 1903
verselbstständigt hatten. HUS Agadir wiederum ging den traditionellen Weg, ihre
Ultras nannten sich IMAZIGHEN,
was „Berber“ in deren Sprache bedeutet. FAR de Rabats Ultras wiederum nahmen
den Namen ihres Vereines, der übersetzt „königliche Streitkräfte“ bedeutet
wörtlich, ihre ULTRAS
ASKARIS sowie MILITIA
haben einen eindeutigen Bezug hergestellt. Ebenso die ULTRAS SAHARA von JS Massria aus El
Aioun, die kurz und prägnant die Gegend beschreiben, aus der sie kommen. Aber
ihr könnt euch ohnehin ein eigenes Bild von der Szene machen, indem ihr bei den
verschiedenen Vereinen deren Auftritte – zugleich auch die Auftritte der
handelnden Personen – durchschaut. Ich habe aus Bedacht diesen Weg gewählt,
weil ich euch euren eigenen Blickwinkel dieser Szene geben lassen will. Gewiss,
man kann mit einigen coolen Fotos der einzelnen Gruppen ein scheinbar gutes
Bild der Szene machen – doch ist das wirklich möglich ? Ist es nicht besser,
die Personen selber sprechen zu lassen anstatt nur einfach Bilder hochzuladen ?
Ein Bild sagt mehr als Tausend Wort – Stimmt ! Nur ist ein Bild nur eine
Momentaufnahme, die schon im Augenblick des Knipsens Geschichte ist. Also
Vergangenheit. Ein Internetauftritt nicht, er erzählt eine Geschichte für diejenigen,
die lesen und verstehen wollen. Und den Rest kann man sowieso vergessen. Ich
wünsche euch nun viel Spass beim Sehen, Erleben und Entecken dieser
interessanten jungen Szene.
