Montag, 29. September 2014

Beamte lügen nie - oder ?

Polizist gar nicht gestürzt: Totale Wende im Fall um Wacker-Fan

Schon verurteilt und praktisch ruiniert, retteten ein rühriger Anwalt und ein Amateurvideo einen allzu stürmischen Wacker-Anhänger.
 
Von Reinhard Fellner
Innsbruck – 22. Juli 2003: FC Wacker Tirol gegen SV Kapfenberg. Kapfenberg-Torhüter Kazimierz Sidorczuk schießt den Ball direkt ins Wacker-Tor, Schiedsrichter-Pfiffe, Fans auf dem Rasen, ein einschreitender Polizist mit Bandscheibenvorfall.
 
Gerichtsverfahren dazu liefen über elf Jahre.
 
Als Erstes wurde ein damals 18-jähriger „verrückter Kopf“ (Wacker-Fan-Klub) 2004 wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt verurteilt – die TT berichtete.
 
Eine Zivilklage des Polizisten auf Schadenersatz (Verdienst- und Überstundenentgang) sowie Schmerzensgeld folgte. Nach Jahren betrug die Forderung 164.920 Euro. Zusätzlich wären für den Rasenstürmer noch eigene Gerichts- und Verteidigungskosten in der Höhe von 56.000 Euro sowie rückforderbare Behandlungskosten der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter für Polizisten von 112.000 Euro dazugekommen. Für den Übermütigen, der 2003 vom Verein als treuer Fan ausgewählt worden war, vorne an der Bande zu stehen, absolut ruinös.
 
Die Hartnäckigkeit seines Innsbrucker Strafverteidigers Mathias Kapferer brachte jedoch nach Jahren ein Fan-Video vom Kapfenberg-Spiel hervor, das nicht nur zu einer Wiederaufnahme des Prozesses, sondern vorerst auch zu einer zivilrechtlichen Abweisung der 164.000-Euro-Klage führte.
 
Denn das vom Polizisten behauptete Sturzgeschehen gegen eine Werbetafel, auf das der Beamte seinen Bandscheibenvorfall mit nachfolgendem Innendienst gründete, war auf dem die Amtshandlung genau darstellenden Video einfach nicht zu sehen. Und so folgte heuer nach elf Jahren und 24 Zeugen die nächste Prozesswende:
 
Über den Wacker-Fan erging nunmehr ein klarer Freispruch. Verteidiger Kapferer: „Wenn schon der Sturz gar nicht stattfand, kann man auch den übrigen Aussagen keinen Glauben mehr schenken!“ Strafrichterin Verena Offer: „Das Video gibt einfach nicht her, ob hier überhaupt eine strafrechtliche Widerstandshandlung stattgefunden hat!“
 
Zuvor wurde das Video vom Landesgericht jedoch noch als untaugliches Beweismittel eingestuft – erst ein Rechtsmittel an das Oberlandesgericht ermöglichte die Wahrheitsfindung.
 
Nach nun rechtskräftigen Urteilen hat sich der schon sicher verurteilt geglaubte Wacker-Fan insgesamt 332.920 Euro erspart. In den Privatkonkurs und Fortkommensdefizite ist der junge Innsbrucker aufgrund der jahrelangen Gerichtsstreitigkeiten jedoch dennoch gerutscht. Verteidiger Rechtsanwalt Kapferer zur Tiroler Tageszeitung : „Wie wäre das Leben meines Mandanten wohl verlaufen, wenn wir das Video gleich als Beweis gehabt hätten?“

Kapferer will seinem Mandanten nun noch einen letzten Dienst erweisen und für ihn Ersatzansprüche beim Innenministerium stellen. Auch zum eingestellten Strafverfahren gegen den Kläger wurde ein Fortsetzungsantrag eingebracht.