Nikola Pašić (serbisch Никола Пашић; * 18. Dezember 1845 in Zaječar,
Osmanisches Reich; † 10. Dezember 1926 in Belgrad, Königreich Jugoslawien) war
ein serbischer Politiker und Staatsmann. Er war fünffacher Ministerpräsident
Serbiens und dreifacher Ministerpräsident des Königreiches der Serben, Kroaten
und Slowenen. Er war der Gründer der Radikalen Volkspartei (nicht zu
verwechseln mit der Serbischen Radikalen Partei Vojislav Šešeljs).
Baja (sein Spitzname) besuchte
das Gymnasium in Zaječar, das während seiner Schulzeit häufig umzog, so dass er
auch nach Negotin und Kragujevac reisen musste. Er schloss das Gymnasium im 21.
Lebensjahr mit Erfolg ab. Seine Leistung war als ausgezeichnet bewertet worden.
1866 begann er das Studium des Bauwesens an der Technischen Universität
Belgrad. Als ausgezeichneter Student wurde er von der serbischen Regierung 1868
mit einem staatlichen Stipendium nach Zürich gesandt. Er studierte dort
Bauingenieurwesen an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich und
schloss das Studium 1872 ab. Während seines Aufenthaltes in der Schweiz stand
er dem serbischen Sozialisten Svetozar Marković nahe, wendete sich jedoch
später von ihm ab. Nach einem Praxisjahr beim Bau der Eisenbahnstrecke
Budapest-Wien kehrte er nach Serbien zurück. Trotz seiner technischen
Berufsausbildung hat er später kaum als Ingenieur gearbeitet. Er galt als
schweigsam und introvertiert.
Nikola Pašić war mit Đurđina Duković,
der Tochter eines reichen serbischen Weizenhändlers in Triest, verheiratet. Das
Paar heiratete in der russischen Kirche in Florenz und nicht in der serbischen
Kirche in Triest, weil der Bräutigam vermeiden wollte, dass die zahlreichen in
Triest lebenden Serben die Hochzeit stürmen. Der Ehe entsprossen Sohn Radomir
und die Töchter Dara und Pava. Die politische Karriere Pašićs begann 1878, als
er in Zaječar zum Volksvertreter gewählt wurde. Ideologisch machte er mehrere
Phasen durch: in der Jugend Sozialist und Revolutionär, im erwachsenen Alter
ein Kämpfer für die parlamentarische Demokratie, wurde er im fortgeschrittenen
Alter zum Konservativen.
1881 wurde die Radikale
Volkspartei gegründet, Pašić wurde der erste Präsident des Hauptausschusses der
Partei. Wegen seiner Teilnahme am Timoker Aufstand der Bauern gegen den
serbischen König Milan I. Obrenović 1883 wurde er in Abwesenheit zum Tode
verurteilt. Er konnte sich jedoch nach Bulgarien absetzen. Im Zuge des
Gerichtsverfahrens gegen die Aufständischen wurde seine Radikale Volkspartei
aufgelöst. Nach der Abdankung des Königs 1889 wurde Pašić amnestiert, kehrte
nach Serbien zurück und übernahm erneut die Führung der wieder begründeten
Radikalen Volkspartei. Pašić war von 1889 bis 1891 und im Jahr 1897 zweimal
Bürgermeister von Belgrad. Er organisierte während dieser Zeit die Emission von
Anleihen für die Stadt und ließ einige Hauptstraßen pflastern. Pašić wurde am
11. Februar 1891 serbischer Regierungschef und vom 21. März 1892 bis 9. August
1892 serbischer Außenminister. Von 1893 bis 1894 ernannte man ihn zum
Diplomaten und Vertreter Serbiens in Sankt Petersburg. Wegen
Meinungsverschiedenheiten in der Innen- und Außenpolitik kam es während dieser
Zeit zum Zerwürfnis zwischen Pašić und dem letzten König der Obrenović-Dynastie,
Aleksandar. Nach einem fehlgeschlagenen Attentat eines Anhängers der Radikalen
auf den ehemaligen König Milan 1899, wurde Pašić als Führer der Radikalen zu 5
Jahren Kerker verurteilt. Kurz darauf wurde er jedoch begnadigt und
freigelassen. Bis zum Mai-Umsturz 1903 verhielt er sich politisch unauffällig.
Nach der Ermordung von Aleksandar Obrenović übernahm die Dynastie Karađorđević
die Macht in Serbien und Pašić kehrte in die Politik zurück. Am 27. November
1904 wurde er zum zweiten Mal Regierungschef und blieb es im Wesentlichen bis
zu seinem Tod. Von 1904 bis 1918 war er mit drei kürzeren Unterbrechungen
serbischer Premierminister, von 1921 bis 1926 war er mit einer Unterbrechung
Regierungschef des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen. Er wurde
insgesamt fünf Mal zum Vorsitzenden des serbischen Volksparlaments gewählt, und
war von 1904 bis 1905, von 1906 bis 1908 und von 1912 bis 1918 serbischer
Außenminister, außerdem im Jahr 1921 Außenminister des Königreiches der Serben,
Kroaten und Slowenen. Er blieb bis zu seinem Tod Vorsitzender der Radikalen
Volkspartei. Den Zollkrieg gegen Österreich-Ungarn (1906–1911) konnte er für
Serbien entscheiden; er war froh darüber, Serbiens Landwirtschaft „aus dem
Kessel des Balkans in den Weltmarkt“ geführt zu haben. Politisch kooperierte er
zunächst mit Russland, nach der Oktoberrevolution mit Frankreich. Er pflegte zu
sagen: „die Serben sind zwar ein kleines Volk, aber wir haben kein größeres
zwischen Wien und Konstantinopel“. Anfang 1915 schickte Pašić den orthodoxen
Mönch Nikolaj Velimirović nach Großbritannien und in die USA, um die serbischen
Interessen zu vertreten und die österreichisch-ungarische Propaganda gegen
Serbien zu bekämpfen. Pašić führte Serbien erfolgreich durch zwei Balkankriege
und durch den Ersten Weltkrieg. Er war Präsident der serbischen Delegierten auf
der Bukarester Friedenskonferenz 1913 und Vorsitzender und Mitunterzeichner der
Korfuer Deklaration 1917, in der die Weichen für das künftige gemeinsame
Königreich von Serben, Kroaten und Slowenen gestellt wurden. Er war Präsident
der Delegierten des Königreiches der Serben, Kroaten und Slowenen auf der
Pariser Friedenskonferenz 1919.
Pašić war maßgeblich an der
Schaffung der Veitstags-Verfassung 1921 beteiligt, mit der das Königreich der
Serben, Kroaten und Slowenen als Monarchie gegründet wurde. Der serbische König
Aleksandar I. Karađorđević konnte sich jedoch mit Pašićs Persönlichkeit nicht
anfreunden und setzte ihn vom Posten des Premierminister ab: anlässlich einer
Audienz am 9. Dezember 1926 übte der König Kritik an einigen Handlungen von
Pašićs Sohn und verweigerte Pašić die Verlängerung des Mandats. Erschüttert
starb Pašić am nächsten Tag, den 10. Dezember 1926, mit 81 Jahren, an einem
Herzanfall. Er wurde in Belgrad beerdigt. Pašić war insgesamt 48 Jahre
politisch aktiv gewesen. Innenpolitisch wurde er als Radikal-Konservativer von
Liberalen und Sozialisten kritisiert. Außenpolitisch wurde er wegen seiner
nationalen Politik von Österreich-Ungarn kritisiert und als Anführer des
„Panserbismus“ gebrandmarkt.