Dienstag, 29. Juli 2014

Das von gestern Abend

Einvernahmen in der Nacht

Montagabend gegen 20.30 Uhr ist der umstrittene Polizeieinsatz gegen Hausbesetzer im zweiten Wiener Gemeindebezirk zu Ende gegangen. Die 19 Aktivisten wurden festgenommen. Am Dienstag kamen sie alle wieder frei. „Sie wurden in der Nacht einvernommen und dann auf freiem Fuß angezeigt“, so Polizeisprecher Roman Hahslinger.
Die 15 Männer und vier Frauen werden nun wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchter schwerer Körperverletzung angezeigt. Rund die Hälfte der Festgenommenen seien Deutsche, so Hahslinger. Genauere Angaben zu den Festgenommenen machte der Polizeisprecher nicht, das sei „nicht maßgeblich für die Sache“. Ebenfalls wieder in Freiheit waren am Dienstag zwölf Personen, die wegen Verwaltungsübertretungen vor dem besetzten Haus festgenommen worden waren. Mehrere Sympathisanten hatten versucht, den Einsatz der Polizei zu verhindern.

Hunderttausende Euro für Einsatz

Ein Panzer, ein Wasserwerfer, ein Polizeihubschrauber und Hunderte Polizisten aus mehreren Bundesländern auf der einen Seite, 19 Punks in einem besetzten Haus im zweiten Bezirk in Wien auf der anderen Seite: Was die aufwendige Räumung des als „Pizzeria Anarchia“ bekanntgewordenen Hauses am Montag gekostet hat, wird sich erst im Laufe der nächsten Monate wirklich klären lassen. Es werden vermutlich mehrere Hunderttausend Euro sein.
Panzer und Hausbesetzer
APA/Herbert Oczeret
Einsatz vor dem als „Pizzeria Anarchia“ bekanntgewordenen Hauses
Der Einsatz beim Akademikerball Anfang des Jahres mit rund 2.000 Beamten und Hubschrauber kostete im Vergleich dazu etwa eine Million Euro. Eine Hausräumung in der Lindengasse im 7. Wiener Gemeindebezirk mit 250 Beamten kostete laut „Kurier“ 85.000 Euro. Bei der aktuellen Hausräumung waren zumindest viermal so viele Polizisten im Einsatz - wie viele Beamte tatsächlich dabei waren, ist noch immer unklar.
Berichten zufolge könnten die Kosten zwischen 300.000 und 400.000 Euro liegen. „Das ist nicht leicht zu berechnen, weil es Kollegen mit Überstunden gibt und andere, die im Regeldienst eingesetzt werden“, sagte Hahslinger gegenüber wien.ORF.at - mehr dazu in wien.ORF.at.

„Absurde Polizeieinsätze“

„Egal ob uns diese Aktion jetzt passt oder nicht, wir seitens der Polizei haben hier die Verantwortung und die Aufgabe, Assistenzleistung zu erbringen, wenn das Gericht das fordert - auch wenn ich mit derartigen Aktionen keine Freude habe“, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) gegenüber Ö1.
Kritik an gehäuften „absurden Polizeieinsätzen“ etwa vonseiten des grünen Wiener Gemeinderats Klaus Werner-Lobo wurde dennoch laut. Paul Hefelle, ÖVP-Bezirksrat in der Leopoldstadt, stellte sich indes hinter die Polizei. Man könne diese nicht zum Sündenbock stempeln. Auch wenn der jetzige Eigentümer das betreffende Haus als Spekulationsobjekt erworben haben sollte, hätten sich die Aktivisten auf den Deal eingelassen. Nun hätten die Besitzer die Räumung vor Gericht durchgefochten, und damit sei diese rechtskräftig.
Auch die Bezirks-FPÖ reagierte: „Viel zu lange hat der linke Pöbel (...) hausen, die Gegend verdrecken und die Lebensqualität der Anrainer zerstören dürfen“, sagte der Leopoldstädter FPÖ-Obmann Wolfgang Seidl zur Räumung des Hauses.

Polizei: „Verhältnismäßigkeit wichtiger Faktor“

Dass diese Menge an Beamten notwendig war, rechtfertigte die Polizei mit der Gefahreneinschätzung. „Die Verhältnismäßigkeit ist ein wichtiger Faktor für die Polizei“, betonte Hahslinger. Kritiker zweifeln allerdings an dieser Verhältnismäßigkeit.
Polizisten
APA/Herbert Oczeret
Hunderte Polizisten waren für die Hausräumung im Einsatz
So standen etwa bei der Demonstrationen gegen den Akademikerball Anfang des Jahres etwa 2.000 Polizisten rund 6.000 Demonstranten gegenüber. Bei einem Aufmarsch von Burschenschaftern im Juni, begleitet von einer linken Gegendemonstration mit - je nach Angaben - 1.000 bis 2.500 Teilnehmern waren 1.000 Polizisten und ein Polizeihubschrauber im Einsatz.

Polizei: 500 Beamte zu Spitzenzeiten

Die Hausräumung am Montag stellt nun einen neuen Höhepunkt bei der Zahl der eingesetzten Polizisten im Verhältnis zu den möglichen Aktivisten dar. Unklar ist, ob tatsächlich die vom Innenministerium genannte Zahl von 1.700 Beamten im Einsatz war. Die Polizei will das nicht bestätigen. Es seien aber „sicher nicht weniger als 1.000“, betonte Polizeisprecher Hahslinger. „Insgesamt waren rund 400 Beamte dauernd im Einsatz, zu Spitzenzeiten 500. Wir haben natürlich auch noch Reserven gebildet, die noch für andere Tätigkeiten herangezogen worden wären, hätte es Spontankundgebungen oder Sitzblockaden gegeben“, sagte Hahslinger.
Die Hausbesetzer hatten mit massiven Barrikaden aus verschweißten Stahltüren und Dutzenden Kubikmetern Sperrmüll Widerstand gegen die vom Bezirksgericht Leopoldstadt gerichtlich angeordnete Räumung geleistet. Auf einen von der Polizei vorgefahrenen Radpanzer reagierten die Besetzer mit geworfenen Farbbeuteln, faulen Eiern, Flaschen und Fäkalien. Die Exekutive arbeitete sich sukzessive in den dritten Stock des Hauses vor, wo sich die Aktivisten verschanzt hatten.

Haus zweieinhalb Jahre besetzt

Der Eigentümer des Hauses hatte den Punks vor rund drei Jahren einen auf sechs Monate befristeten Mietvertrag angeboten. Hintergrund dieser Aktion war, dadurch die bestehenden Mieter aus dem Haus zu bekommen und dieses zu renovieren. Die Wohnungen sollten mit Profit verkauft werden. Der Plan des Eigentümers funktionierte allerdings nicht. Die Punks solidarisierten sich mit den bestehenden Hausbewohnern. Zwei Altmieter verließen das Haus, ein Altmieter wollte nicht ausziehen - auch die Punks blieben und besetzten das Haus. Dieses ist nach dem über zehn Stunden dauernden Einsatz geräumt. Noch am Montagabend wurde das Gebäude vom Gerichtsvollzieher dem Hauseigentümer übergeben.