Putschversuch in der Türkei
Erdogan kündigt Säuberungen beim Militär an
Dramatische Situation in der Türkei: Nach einem Putschversuch von Teilen des Militärs scheint die Regierung die Lage wieder unter Kontrolle zu haben. Präsident Erdogan kündigt Vergeltung an. Dutzende Menschen kommen bei dem Putsch ums Leben. Hunderte Personen werden festgenommen.
Bei einem Putschversuch von Teilen der Streitkräfte in der Türkei gegen Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat es zahlreiche Tote und Verletzte gegeben. "Die Situation ist weitgehend unter Kontrolle", sagte Ministerpräsident Binali Yildirim. Nach Angaben eines Regierungsvertreters sind bei dem Putsch mindestens 60 Menschen getötet worden. Mehr als 750 Militärangehörige seien festgenommen worden. Es gab schwere Explosionen, darunter am Parlament in der Hauptstadt Ankara. Auch am Morgen war die Lage noch unübersichtlich. Im Morgengrauen noch waren in der größten Stadt des Landes, Istanbul, Schüsse und Explosionen zu hören.
Erdogan sagte, bei den Putschisten handele es sich um eine Minderheit in der Armee. "Wir haben mit der Operation begonnen, das Militär vollständig zu säubern. Und wir werden diese Operation weiterführen." Nach Angaben des Senders NTV kamen bei dem Putschversuch in Ankara 42 Menschen ums Leben. Der Sender bezog sich auf einen Staatsanwalt im Distrikt Golbasi.
Zuvor hatten sich die Ereignisse in dem Nato-Mitgliedsland überschlagen. Am späten Freitagabend begannen Armeeeinheiten Streitkräfte mit einem Putschversuch gegen Erdogan, wie das Militär nach Angaben der privaten Nachrichtenagentur DHA mitteilte. Damit sollten unter anderem die verfassungsmäßige Ordnung, die Demokratie und die Menschenrechte wiederhergestellt werden, zitierte die Agentur die Putschisten.
Zunächst hieß es, die Streitkräfte hätten die Macht in der Türkei übernommen. Aus dem Präsidialamt wurde dies bestritten. Erdogan sei nicht abgesetzt. "Das ist ein Angriff gegen die türkische Demokratie. Eine Gruppe innerhalb der Streitkräfte hat außerhalb der Kommandostruktur einen Versuch unternommen, die demokratisch gewählte Regierung zu stürzen." Erdogan rief in einem live übertragenen Telefonanruf beim Sender CNN Türk das Volk zu öffentlichen Versammlungen gegen die Putschisten auf.
Schwere Vorwürfe gegen Erdogan-Rivalen Gülen
Ministerpräsident Yildirim wies das Militär nach Angaben aus dem Präsidialamt an, von den Putschisten gekaperte Flugzeuge abzuschießen. Kampfflugzeuge mit einem entsprechenden Auftrag seien von der Luftwaffenbasis Eskisehir abgehoben. Yildirim bestellte alle Parteien für Samstagnachmittag zu einer Sondersitzung ins Parlament ein, wie Lokalmedien berichteten.
Erdogan machte die Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen für den Putschversuch verantwortlich. "Sie werden einen sehr hohen Preis für diesen Verrat zahlen", sagte Erdogan am Samstagmorgen am Atatürk-Flughafen in Istanbul. Gülen ist ein einstiger Verbündeter Erdogans. Beide haben sich aber 2013 überworfen. Gülen - der in der Türkei inzwischen als Terrorist gilt - verurteilte den Putschversuch auf das Schärfste. Eine Regierung müsse durch freie und faire Wahlen an die Macht kommen, nicht durch Gewalt, hieß es in einer Mitteilung.
Erdogan sagte, er sei vor seinem Flug nach Istanbul in Marmaris an der türkischen Ägäis-Küste gewesen. Unmittelbar nach seiner Abreise hätten die Putschisten "diesen Ort leider genauso bombardiert". Während des Putschversuchs hatte es aus dem Präsidialamt geheißen, Erdogan sei in der Türkei und in Sicherheit. Erdogan ist ein wichtiger, aber umstrittener Partner der Europäischen Union in der Flüchtlingskrise.
Nach einer zeitweisen Besetzung durch Putschisten nahm der Sender CNN Türk die Berichterstattung wieder auf. Soldaten waren in der Nacht zu Samstag in das Redaktionsgebäude in Istanbul eingedrungen und hatten die Mitarbeiter dazu gezwungen, den Sender zu verlassen. Die türkische Armee sieht sich als Wächterin der weltlichen Verfassung des Landes und hatte in den vergangenen Jahrzehnten wiederholt gegen die Zivilregierung geputscht.
In Istanbul waren in der Nacht Schüsse in den Straßen zu hören. Kampfjets flogen im Tiefflug über die Stadt. Die Bosporus-Metropole wurde von einer schweren Explosion erschüttert. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, bei einem Luftangriff der Putschisten auf das Hauptquartier der Spezialkräfte der Polizei in Ankara seien 17 Polizisten getötet worden. Außerdem sei ein Hubschrauber der Putschisten in Ankara von F-16-Kampfflugzeugen abgeschossen worden. Die Nachrichtenagentur DHA berichtete, in Istanbul seien sechs Zivilisten durch Schüsse getötet und fast hundert verletzt worden. Die Toten und Verletzten seien in ein Krankenhaus auf der asiatischen Seite der Stadt eingeliefert worden. Der Sender NTV berichtete, 13 Soldaten seien bei dem Versuch festgenommen worden, ins Präsidialbüro in Ankara einzudringen.
Im Istanbuler Stadtteil Tophane waren Dutzende Gegner des Putsches auf die Straße gegangen. Ein dpa-Reporter berichtete, die Menge habe unter anderem "Gott ist groß" und "Nein zum Putsch" gerufen. Der US-Fernsehsender CNN International und die britische BBC zeigten Live-Bilder aus der Stadt: Menschen strömten in Massen auf die Straße und schwenkten türkische Fahnen. In Ankara kam es einem Bericht des Senders CNN Türk zufolge zu Gefechten zwischen Polizei und Militär. Die Armee habe die Polizeidirektion beschossen, hieß es.
Augenzeugen berichteten von Panzern in den Straßen der Hauptstadt.
Einem Medienbericht zufolge hatten Streitkräfte außerdem den Flugverkehr am Atatürk-Flughafen in Istanbul zwischenzeitlich gestoppt. Soldaten hätten den Tower am größten Flughafen des Landes am Freitagabend unter ihre Kontrolle gebracht, hatte die Nachrichtenagentur DHA gemeldet. Nach Erdogans Aufruf drangen Demonstranten in das Flughafengelände ein. Das Militär sei daraufhin wieder abgezogen. Am Samstagmorgen werden mehr als 750 Militärangehörige festgenommen.
Einem Medienbericht zufolge hatten Streitkräfte außerdem den Flugverkehr am Atatürk-Flughafen in Istanbul zwischenzeitlich gestoppt. Soldaten hätten den Tower am größten Flughafen des Landes am Freitagabend unter ihre Kontrolle gebracht, hatte die Nachrichtenagentur DHA gemeldet. Nach Erdogans Aufruf drangen Demonstranten in das Flughafengelände ein. Das Militär sei daraufhin wieder abgezogen. Am Samstagmorgen werden mehr als 750 Militärangehörige festgenommen.
USA und EU stehen hinter Erdogan
US-Präsident Barack Obama rief dazu auf, die demokratisch gewählte Regierung des Landes zu unterstützen. Gewalt und Blutvergießen müssten vermieden werden, hieß es in einer Mitteilung des Weißen Hauses.
Ähnlich äußerte sich die Europäische Union. Die EU verlangte eine "schnelle Rückkehr" zur verfassungsmäßigen Ordnung, wie es am Rande des Asien-Europa-Gipfels in Ulan Bator in einer gemeinsamen Erklärung von EU-Ratspräsident Donald Tusk, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini hieß. "Die Türkei ist ein wichtiger Partner der EU."
Die Bundesregierung verlangte, die demokratische Ordnung in der Türkei zu respektieren, wie es in einer Erklärung von Regierungssprecher Steffen Seibert hieß. Das Auswärtige Amt riet allen Deutschen in Ankara und in Istanbul zu "äußerster Vorsicht".
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