Freitag, 11. Juli 2014

"Kamerad Schwester"

Wie sich das Berufsbild der Krankenschwestern im Ersten Weltkrieg formierte - und ein Image prägte
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Wien - Strahlend weiße Kittel zwischen blut- und erdverschmierten Soldaten. In engelsähnlicher Gestalt sollten die Krankenschwestern des Ersten Weltkrieges das Gegenbild zum grausamen Geschehen auf den Schlachtfeldern liefern. Die Historikerin Heidrun Zettelbauer untersucht am Institut für Geschichte der Karl-Franzens-Universität, wie viel Realität in diesen Bildern steckt. Wie wurde der schon damals vorrangig weibliche Berufsstand Krankenpflege für eine positive Kriegsstimmung genutzt? Wie beschreiben die Frauen selbst ihren Einsatz als Frontschwestern und warum ließen sich vor Kriegsbeginn nur wenige zur Ausbildung im Pflegebereich mobilisieren? Denn wie auch heute noch war für Frauen damals die Arbeit in der Pflege weniger Profession als Familienarbeit im privaten, unbezahlten Bereich. Bis heute sind 79 Prozent der pflegenden Angehörigen Frauen. "Die Idee, hauptberufliche Pflegerinnen auszubilden, die in Friedens- wie auch in Kriegszeiten in mobilen Pflegeeinrichtungen oder Rot-Kreuz-Vereinen eingesetzt werden sollten, stieß vonseiten der Frauen zunächst nur auf mäßiges Interesse", sagt Zettelbauer. Das änderte sich nach der Ermordung Franz Ferdinands. Nach einem Aufruf des Innenministeriums wurden mehrwöchige Kurse für Verwundetenpflege angeboten. Die freiwilligen Hilfspflegerinnen wurden in Anatomie und Physiologie unterrichtet, über Infektionskrankheiten aufgeklärt und in allgemeiner Krankenpflege geschult. "An diesem Punkt der Geschichte war nicht mehr viel Propaganda nötig, um Frauen für diese Tätigkeit zu mobilisieren", so Zettelbauer. Denn auch die als sanfte und friedfertige Figur beschriebene Krankenschwester schwamm im Strom der allgemeinen Kriegsbegeisterung. Dies galt besonders für deutschnationale Frauen und Sympathisantinnen der radikalen Rechten in der Habsburgermonarchie, die schon seit den späten 1880er-Jahren zahlreich in "völkischen Vereinen" organisiert waren. Diese maßgeblich auch von Frauen getragenen Gruppierungen gaben sich zwar unpolitisch, waren aber von rassistischen wie nationalistischen Konzepten durchdrungen. Die Vereine spielten während des Ersten Weltkriegs auch in der Pflege verwundeter Soldaten als Genesungsheime, wo diese Ideologien schließlich institutionalisiert wurden, eine wichtige Rolle.

Sauber und rein


Eine Grenze zwischen dem schmutzigen Kriegstreiben draußen und der "sauberen" Vorstellung von Frauen als Pflegerinnen und Krankenschwestern drinnen, existierte nicht. Dennoch bestätigen die von Zettelbauer untersuchten Selbstbeschreibungen von Krankenschwestern und Pflegerinnen, dass vor allem das Bild der dienenden, opferbereiten Frau auch in ihren eigenen Erinnerungen dominiert. Was laut Zettelbauer aber sehr viel mehr auf "Leerstellen im Diskurs" hinweist, als auf tatsächliche Erfahrungen: Sowohl in den mobilen, frontnahen Sanitätskolonnen als auch in den Spitälern im Hinterland waren Krankenschwestern und Hilfspflegerinnen mit der extremen Gewalt und den Traumatisierungen des Krieges konfrontiert. Gerade in der Pflege löste sich damit die zeitgenössisch dominante Vorstellung einer "männlichen Front" und einer "weiblichen Heimatfront" auf, meint Zettelbauer. Zu Beginn des Krieges hatten sich viele noch freiwillig gemeldet, weil der Einsatz an der Front Gleichberechtigung als "Kamerad Schwester" versprach. Doch die Erfahrung der Frauen war bald eine andere: Militärische Disziplinierung und Unterordnung in männlichen Hierarchien, "die Wahrnehmung der Pflegetätigkeiten als mütterliche Qualitäten und nicht zuletzt der massive Einbruch von Gewalt und des Grauens des Krieges in der täglichen Arbeit der Schwestern", betont Zettelbauer. Strahlend weiß blieben die Kittel nicht lange. (Beate Hausbichler, DER STANDARD, 8.7.2014)