Wie sich das Berufsbild der Krankenschwestern im Ersten Weltkrieg
formierte - und ein Image prägte
Wien - Strahlend weiße Kittel
zwischen blut- und erdverschmierten Soldaten. In engelsähnlicher Gestalt
sollten die Krankenschwestern des Ersten Weltkrieges das Gegenbild zum
grausamen Geschehen auf den Schlachtfeldern liefern. Die Historikerin Heidrun
Zettelbauer untersucht am Institut für Geschichte der
Karl-Franzens-Universität, wie viel Realität in diesen Bildern steckt. Wie
wurde der schon damals vorrangig weibliche Berufsstand Krankenpflege für eine
positive Kriegsstimmung genutzt? Wie beschreiben die Frauen selbst ihren
Einsatz als Frontschwestern und warum ließen sich vor Kriegsbeginn nur wenige
zur Ausbildung im Pflegebereich mobilisieren? Denn wie auch heute noch war für
Frauen damals die Arbeit in der Pflege weniger Profession als Familienarbeit im
privaten, unbezahlten Bereich. Bis heute sind 79 Prozent der pflegenden
Angehörigen Frauen. "Die Idee, hauptberufliche Pflegerinnen auszubilden,
die in Friedens- wie auch in Kriegszeiten in mobilen Pflegeeinrichtungen oder
Rot-Kreuz-Vereinen eingesetzt werden sollten, stieß vonseiten der Frauen
zunächst nur auf mäßiges Interesse", sagt Zettelbauer. Das änderte sich
nach der Ermordung Franz Ferdinands. Nach einem Aufruf des Innenministeriums
wurden mehrwöchige Kurse für Verwundetenpflege angeboten. Die freiwilligen
Hilfspflegerinnen wurden in Anatomie und Physiologie unterrichtet, über
Infektionskrankheiten aufgeklärt und in allgemeiner Krankenpflege geschult.
"An diesem Punkt der Geschichte war nicht mehr viel Propaganda nötig, um
Frauen für diese Tätigkeit zu mobilisieren", so Zettelbauer. Denn auch die
als sanfte und friedfertige Figur beschriebene Krankenschwester schwamm im
Strom der allgemeinen Kriegsbegeisterung. Dies galt besonders für
deutschnationale Frauen und Sympathisantinnen der radikalen Rechten in der
Habsburgermonarchie, die schon seit den späten 1880er-Jahren zahlreich in
"völkischen Vereinen" organisiert waren. Diese maßgeblich auch von
Frauen getragenen Gruppierungen gaben sich zwar unpolitisch, waren aber von
rassistischen wie nationalistischen Konzepten durchdrungen. Die Vereine
spielten während des Ersten Weltkriegs auch in der Pflege verwundeter Soldaten
als Genesungsheime, wo diese Ideologien schließlich institutionalisiert wurden,
eine wichtige Rolle.
Sauber und rein
Eine Grenze zwischen dem
schmutzigen Kriegstreiben draußen und der "sauberen" Vorstellung von
Frauen als Pflegerinnen und Krankenschwestern drinnen, existierte nicht.
Dennoch bestätigen die von Zettelbauer untersuchten Selbstbeschreibungen von
Krankenschwestern und Pflegerinnen, dass vor allem das Bild der dienenden,
opferbereiten Frau auch in ihren eigenen Erinnerungen dominiert. Was laut
Zettelbauer aber sehr viel mehr auf "Leerstellen im Diskurs"
hinweist, als auf tatsächliche Erfahrungen: Sowohl in den mobilen, frontnahen
Sanitätskolonnen als auch in den Spitälern im Hinterland waren
Krankenschwestern und Hilfspflegerinnen mit der extremen Gewalt und den
Traumatisierungen des Krieges konfrontiert. Gerade in der Pflege löste sich
damit die zeitgenössisch dominante Vorstellung einer "männlichen
Front" und einer "weiblichen Heimatfront" auf, meint
Zettelbauer. Zu Beginn des Krieges hatten sich viele noch freiwillig gemeldet,
weil der Einsatz an der Front Gleichberechtigung als "Kamerad Schwester"
versprach. Doch die Erfahrung der Frauen war bald eine andere: Militärische
Disziplinierung und Unterordnung in männlichen Hierarchien, "die
Wahrnehmung der Pflegetätigkeiten als mütterliche Qualitäten und nicht zuletzt
der massive Einbruch von Gewalt und des Grauens des Krieges in der täglichen
Arbeit der Schwestern", betont Zettelbauer. Strahlend weiß blieben die
Kittel nicht lange. (Beate Hausbichler, DER STANDARD, 8.7.2014)