Montag, 28. November 2011

Die österreichische Meisterschaft

Jedes Kind das sich für Fussball interessiert weiss, dass Rapid 1911/12 der erste Österreichische Meister ist – und das ist leider falsch. Nein ich fange nicht damit an, dass die erste österreichweite Meisterschaft erst 1949/50 begann und da die Austria erster österreichweiter Meister wurde sondern ich fange ganz viel früher an. Auch wenns den Fans  der Wiener Grossklubs nicht taugt.

Lange bevor es den ÖFB oder andere Landesverbände gab wurde in Österreich- Ungarn bereits Fussball gespielt. In Ungarn gab es zum Beispiel 1901 die erste Meisterschaft, die der Budapesti Torna Club (BTC, 1926 aufgelöst) gewann und in Böhmen sogar schon seit 1896 eine eigene Meisterschaft (Gewinner war der CFK Kickers), wobei der offizielle Verband 1901 gegründet und die erste Meisterschaft 1902 ausgespielt wurde. In Österreich wurde der erste Verband, die Österreichische Fussball Union am 4. Jänner 1900 gegründet und eine Meisterschaft ausgespielt. Erster Meister (und – wenn wir schon so genau sind und alle in Wien ausgespielte Meisterschaften als österreichische Meisterschaften ansehen) war der WAC, der Wiener Athletik Club vor dem Vienna Cricket and Football Club 1900/1901. Diese Meisterschaft hielt sich drei Saisonen lang, die der WAC jedes Mal als Meister beenden konnte. Die Österreichische Fussball Union war nicht nur Ausrichter einer eigenen Liga sondern auch Veranstalter von offiziellen Länderspielen. Man kann daher meiner Ansicht nach getrost von der ersten österreichischen Meisterschaft sprechen und müsste somit – wäre man wirklich genau – den WAC als ersten österreichischen Meister führen.

Darüberhinaus gab es schon seit 1897 einen österreich-ungarn weiten Bewerb, den Challenge Cup, der von einem Engländer namens John Gramlick – Mitbegründer des Vienna Cricket and Football Clubs ins Leben gerufen wurde. Bis 1911 kreuzten die besten Vereine Österreichs, Böhmen und Mährens sowie Ungarns die Klingen. Erster Challenge Cup Sieger wurde am 21. November 1897 der Vienna Cricket and Football Club (geistiger Vorläufer der Amateure, später Austria Wien) vor dem Wiener FC 1898. Der WAC war bei diesem Cup übrigens erfolgreichster Verein, er gewann 1901, 1903 und 1904 diesen Bewerb und ist somit der erste „Double“ Gewinner wenn man so will.

Zurück zur ÖFU: Sie bekam durch die Gründung des Österreichischen Fussball Verbandes ÖFV enorme Konkurrenz und musste sich nach internen Streitigkeiten 1904 auflösen. Der ÖFV wurde am 18. März 1904 gegründet und ging 1926 in den ÖFB über, sprich der ÖFB übernahm die Agenden der Profivereine, während der ÖFV weiter im Amateurbereich tätig war.

Durch oben beschriebene Streitigkeiten wurde die österreichische Meisterschaft bis 1911 ausgesetzt. In diesem Jahr betrieb der Präsident des Niederösterreichischen Fussballverbandes (gegr. Am 16. Mai 1911), Ignaz Abele die Idee einer Meisterschaft, die vom NÖFV ausgerichtet wurde und an der nur Mannschaften aus dem Grossraum Wien teilnahmen. Parallel dazu gab es – wie schon beschrieben in Böhmen, Ungarn und Mähren eigene Ligen. Von 1911 bis 1922 richtete der NÖFV die Meisterschaft aus, da Wien bis 1.1.1922 die Hauptstadt Niederösterreichs war. In dieser Zeit gewann Rapid Wien 1911/12, 1912/13, 1915/16 (damals gab es zwei Meisterschaften, eine die nur 1915 ausgespielt wurde – Meister WAC und eben die angeführte), 1916/1917, 1918/1919 sowie 1919/1920, 1921/22 und 1922/23 die Niederösterreichische Meisterschaft. 1914 gewann der WAF, 1915 der WAC und 1918 der FAC dieselbe. Man kann also sagen dass Rapid 8 Mal die niederösterreichische Meisterschaft gewonnen hat.

Der Wiener Fussball Verband wurde am 15. Februar 1923 gegründet, Iganz Abele wurde auch dessen Präsident, nachdem er bereits 1911 den niederösterreichischen Fussballverband gegründet hatte. Die erste Wiener Meisterschaft erfolgte 1923/24 und wurde vom Wiener Amateur Sportverein, der späteren Wiener Austria gewonnen. In diesem Jahr beschloss man auch die Professionalisierung des Fussballs und führte eine Profiliga ein (es war die zweite nach der englischen). Von 1923/24 bis 1948/49 (nur durch den Krieg unterbrochen) fanden Wiener Meisterschaften statt, die in den ersten drei Spielzeiten dreimal von den Amateuren (Austria) 1924, 1926 sowie 1949 und einmal 1925 von der Hakoah Wien gewonnen wurden. Die Amateure waren somit der erste Profimeister Österreichs. Die erfolgreichste Mannschaft des NÖFV, Rapid gewann die Wiener Meisterschaft 6 Mal, genauso oft wie Admira Wien. Hakoah, Vienna und Wacker trugen sich je einmal in die Liste der Meister ein.

Während des Krieges gab es von 1939 bis 1945 die Gauligen, Wien war der Sport Gau 17. In diesen sechs Jahren gewann die Admira einmal, Rapid zweimal (einmal davon, am 22. Juni 1941 sogar den Deutschen Meistertitel) und die Vienna dreimal diese Liga. 1945 wurde nicht mehr zu Ende gespielt, da Wien am 14. April 1945 von der Roten Armee eingenommen wurde.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es 1945/46 die erste Meisterschaft des Wiener Fussballverbandes, welche – wie oben schon erwähnt Rapid gewann. Dies wiederholten sie 1947/48, dazwischen gewann Wacker Wien seinen zweiten Titel Der letzte Wiener Meister war die Austria in der Saison 1948/49.

Am 31. Juli 1949 beschloss der wiedergegründete ÖFB (in den Kriegsjahren war er aufgelöst worden) die Wiedereinführung des Professionalismus unter Einbeziehung aller neuen Bundesländer. Durch die allierten Besatzungszonen erschwert fand jedoch zunächst ein Ostösterreichischer Bewerb statt an dem Wien, Niederösterreich, Oberösterreich und Burgenland und die Steiermark teilnehmen konnten. Dazu wurde der Verein „Staatsliga“ gegründet und die Vereine in Staatsliga A und Staatsliga B unterteilt. Vorgesehen war auch eine Qualifikationsrunde für Teams aus den westlichen Bundesländern. Nach Ende der Besatzung nahmen so nach und nach alle Bundesländer an der Meisterschaft teil, was ab 1956 zu einer echten österreichweiten Meisterschaft führte. 1960 wurde die Staatsliga B abgeschafft und durch die drei Regionalligen (Ost, Mitte, West) ersetzt, die bis 1974 so existierte.

Am 21. April 1974 wurde die Einführung der Bundesliga nach deutschem Modell in seiner heutigen Form beschlossen. Seit 1991 ist die Bundesliga als zehntes ordentliches Mitglied neben den neun Landesverbänden in den ÖFB integriert. In den 70er Jahren wurde die Bundesliga zum Erfolgsmodell, woran vor allem die Wiener Austria grossen Anteil hatte, die als erster österreichischer Verein in ein Europacupfinale einzog. Leider verloren die Veilchen am 3. Mai 1978 im mit 48.679 Zuschauern ausverkauften Prinzenparkstadion in Paris gegen den RSC Anderlecht. Schiedsrichter war der Deutsche Heinz Aldinger. Ein Jahr später erreichten die Veilchen das Semifinale im EC. Auch die 80er Jahre waren noch ziemlich erfolgreich, Austria erreichte das Semifinale 1983 sowie Rapid mit seinem Finaleinzug 1985 gegen Everton, welches leider auch mit 1-3 verloren wurde. Stattgefunden hat dieses Spiel in Rotterdam vor 45.000 Zusehern, der Italiener Casarin war der Referee. Danach ging es bergab, die Aufstockung auf 16 Vereine sowie der Play off Modus (Meister-, Auf- bzw. Abstiegsplayoff) überstiegen auf längere Sicht die finanziellen Möglichkeiten der Vereine und das Potential an guten Spielern sodass man 1993 wieder die ursprüngliche Bundesliga einführte. Da war es aber schon zu spät, auch die beiden EC Finali von Salzburg (zweimal 0-1 gege Inter Mailand) und Rapid 1996 in Paris wo sie am 8. Mai gegen Paris SG mit 0-1 verlor (so knapp war kein österreichischer Verein am grössten europäischen Erfolg für sein Land vorbeigeschrammt). Anfangs des neuen Jahrtausends forderten die unmässigen Finanzgebarungen der Vereine Tribut: Innsbruck musste 2002 als Meister Konkurs anmelden, die beiden Grazer Vereine crashten und auch viele andere Vereine mussten den Spielbetrieb einstellen oder zwangsweise absteigen. Bregenz, Klagenfurt und Salzburg haben nominell keinen Profiverein in der Liga, da Red Bull (der die Lizenz von Austria Salzburg übernahme) in der Nachbargemeinde Wals Siezenheim spielt.

Was ich oben nicht berücksichtig habe sind die 1928 als Gegenstück zur Profiliga in Wien eingeführten Amateurmeisterschaften, die es bis 1937 gab. Dabei gewann der Grazer AK diese Meisterschaften dreimal (1928/29, 1931/32, 1932/33), je einmal gewannen der Kremser SC (1929/30), der Badner AC (1934/35), Der 1. Wiener Neustädter SC 1935/36), der Post SV (1936/37) sowie Sturm Graz (1933/34) und der Linzer ASK (1930/31). Wie man diese Meisterschaften einreihen/einschätzen soll ist ungewiss, da hierbei weit mehr Vereine aus verschiedenen Bundesländern ihre Spiele austrugen als bei der Wiener Meisterschaft.

Daneben gab es noch die VAFÖ Meisterschaften (Verband der Amateur Fussball Vereine Österreichs) welche zwischen 1929 und ihrer Auflösung 1934 stattfanden. Dabei gewannen SC Helfort Wien (1929/30), SC Gaswerk (1930/31, 1931/32, 1932/33) sowie Phönix Schwechat (1933/34) die Titel.

Ein Kuriosum war die FINÖ Liga, die nur eine Saison lang (1915/16) stattfand. FINÖ bedeutete „The Football Union of Austrian Nations“ und wurde vom Döblinger Sportklub gewonnen.  All diese Ligen beweisen meiner Meinung nach nur eines: dass man erst ab 1950 von einer österreichischen Meisterschaft sprechen kann ohne die Leistungen der Titelträger der verschiedenen Ligen (es gab ja in jedem Bundesland auch noch Meisterschaften) zu schmälern. Auch wenn das einigen Leuten die Anhänger der Wiener Grossklubs sind nicht gefällt.