Samstag, 18. März 2017

Rußland in Lybien ?

Gute Gründe für russisches Engagement

Schon seit Monaten sind sich Beobachter und Experten sicher, dass Russland in Libyen seinen Einfluss zu vergrößern versucht. Diese Woche haben Meldungen, wonach russische Spezialkräfte von Ägypten nach Libyen gebracht wurden, diese These aufs öffentliche Tapet gebracht. Moskau dementiert zwar, hat aber viele handfeste Gründe, im Chaos des Bürgerkriegslandes einen Fuß in die Tür zu bekommen.
Unter Langzeitmachthaber Muammar al-Gaddafi pflegte Libyen beste Kontakte zur Sowjetunion und später zu Russland. Mit seinem Sturz 2011 verlor Moskau nicht nur einen Verbündeten, sondern auch enge Wirtschaftsverbindungen.

Wirtschaftsprojekte auf Eis

Einige vereinbarte Projekte konnten nicht mehr umgesetzt werden, etwa der milliardenschwere Bau einer Zugsverbindung zwischen Sirte und Bengasi, auch ein lukrativer Erdgasvertrag von Gasprom mit Libyen konnte nie realisiert werden. Im Februar unterzeichneten der russische Ölkonzern Rosneft und die libysche Ölgesellschaft NOC eine Kooperationsvereinbarung. Aber angesichts chaotischer Zustände im Land und Gefechten rund um Ölterminals ist eine Umsetzung fraglich. Schon aus ökonomischen Gründen ist für Russland Stabilität in Libyen wünschenswert.

Mittelmeer-Hafen gesucht

Auch geostrategisch ist Libyen für Russland wichtig: Derzeit hat die russische Flotte einen einzigen Mittelmeer-Hafen. Sie darf den Marinestützpunkt der syrischen Armee in der Hafenstadt Tartus benützen. So schielt man auf die Nutzung eines libyschen Hafens wie seinerzeit unter Gaddafi. Infrage kommen Bengasi und Tobruk im Osten des Landes, schreibt der Libyen-Experte und Sicherheitsanalyst Wolfgang Pusztai in einer Analyse für das Italian Institute of International Political Studies (ISPI).
Karte zeigt Libyen
Grafik: APA/ORF.at
Schließlich sorgt sich Moskau - wie in Syrien - auch wegen der Ausbreitung von islamistischem Terror. Das Argument stellt der Kreml wenig überraschend gern in die Auslage, tatsächlich aber liegt es in seinem Interesse, dass es keine sicheren Zufluchts- und Rekrutierungsorte für Dschihadisten gibt - zu groß ist die Gefahr, dass Russland wieder verstärkt Ziel solcher Gruppen wird.

Unterstützung für General Haftar

Mit all diesen Interessen gibt es für Russland nur einen logischen Partner: General Chalifa Haftar, der mit seiner libyschen Nationalarmee seit Jahren einen Feldzug gegen islamistische Gegner führt. Er ist mit der ostlibyschen Regierung in Tobruk verbündet. Doch diese ist nur eine von drei Regierungen, die derzeit den Führungsanspruch stellen: Hatte Libyen nach dem Sturz Gaddafis zunächst eine Regierung, deren Chef fast im Monatsrhythmus wechselte, sind es jetzt drei. Zunächst konkurrierte Tobruk, immerhin zu dieser Zeit international anerkannt, mit der islamistisch orientierten „Regierung der Nationalen Errettung“ von Chalifa Ghwail.

Aus zwei werden drei Regierungen

Im Dezember 2015 einigten sich die beiden unter Vermittlung der UNO auf eine Einheitsregierung, diese nahm einige Monate später unter Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch ihre Arbeit auf. Doch später kündigte das - weiterhin international anerkannte - Parlament in Tobruk das Abkommen auf, die Ostregierung wurde daraufhin international geächtet und gilt nun als Gegenregierung. Im Oktober erklärte der frühere islamistische Regierungschef Ghwail in Tripolis, seine frühere Regierung habe wieder die Macht übernommen.

Unterstützung auch aus Ägypten

Seitdem kommt es immer wieder zu Kämpfen, nicht nur zwischen den drei Parteien, sondern auch mit Milizen, die sich fallweise einer Gruppe anschließen oder ihre eigenen Interessen verfolgen. Schließlich gibt es auch noch den Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die von dem Chaos profitieren will.

Haftar gilt als schillernde Figur und starker Mann Ostlibyens, auch wenn er zuletzt einige militärische Niederlagen einstecken musste. Haftar wird von den Vereinigten Arabischen Emiraten und Ägypten unterstützt. Kairo will verhindern, dass Islamisten an der Grenze Fuß fassen. Kontakte zu Russland pflegt Haftar schon lange. Vom Westen fühle er sich - wohl zu Recht - falsch verstanden und zurückgewiesen, so Pusztai gegenüber ORF.at.

Verdeckte Waffenlieferungen

Experten gehen schon seit Monaten davon aus, dass er auch militärisch unterstützt wird, sowohl mit Kriegsgerät als auch mit Militärberatern. Anfang März hieß es, eine russische MiG-23 sei ins Land geschmuggelt worden, wohl über Drittstaaten, um nicht in den Verdacht zu geraten, gegen das seit 2011 geltende UNO-Waffenembargo zu verstoßen. Nun berichteten ägyptische Sicherheitskreise, Russland habe Spezialkräfte entsandt. Sowohl Moskau als auch ein Sprecher Haftars dementierten, doch eigentlich zweifelt niemand an dem Bündnis.
Der Kommandant der US-Truppen in Afrika, General Thomas Waldhauser, sagte bereits vergangene Woche, Russland versuche seinen Einfluss zu vergrößern. Von einem größeren Engagement der Russen gehe er aber nicht aus. Auch Militäranalyst Pusztai meint, eine direkte Intervention sei logistisch viel schwieriger als in Syrien.

Patt bleibt bestehen

Ziel Russlands sei wohl eine Stabilisierung Ostlibyens, um Öl- und Gasgeschäfte ins Rollen zu bringen und einen Hafen nutzen zu können. Moskau würde diejenigen unterstützen, die dafür sorgen, das müsse nicht unbedingt Haftar sein.
Somit sieht - trotz schwerer regionaler Gefechte - alles nach einer Prolongierung des politischen und militärischen Patts aus: Keine Seite hat die militärischen Kapazitäten und daher Ambitionen, das ganze Land unter ihre Kontrolle zu bringen - am wenigsten wohl die international anerkannte Regierung in Tripolis. Sie soll zwar für die EU die Flüchtlingsbewegung unter Kontrolle bringen, ihr Einflussbereich reicht aber kaum über die Hauptstadt hinaus.

http://orf.at/stories/2383322/2383498/