Und sie platzte tatsächlich, die 12.12.-Bombe. Dass die Sicherheitsmaßnahmen größtenteils mit einer Mehrheit verabschiedet werden würden, war zu erwarten. Dass das Maßnahmenpaket der DFL jedoch mit solch einer großen Geschlossenheit durchgewinkt wird, überrascht dann doch ein wenig. Sämtliche 16 vom Vorstand des Ligaverbandes vorgeschlagenen Anträge erhielten eine deutliche Mehrheit. Allein die Zweitligisten 1. FC Union Berlin und FC St. Pauli stimmten in Frankfurt am Main den Anträgen nicht zu. Manch anderer Verein begnügte sich dagegen mit den Modifikationen und zeigte wenig Rückgrat.
Beim ersten Blick auf die 16 Punkte des DFL-Sicherheitspapiers fragt man sich, weshalb überhaupt so viel Wirbel und Trubel verursacht wurde. Manches liest sich relativ harmlos, allerdings fragt man sich, aus welchem Grund manch ein Rad jetzt neu erfunden werden muss. So soll zum Beispiel laut Antrag 10 der Fanbeauftragte grundsätzlich an den Sicherheitsbesprechungen teilnehmen. Tat er das bisher nicht? Und falls nicht – warum nicht?
Knackpunkte – vor allen Dingen aus Sicht der Fans – sind gewiss die Anträge drei, vier und acht, bei denen es konkret um Maßnahmen im Stadion geht. So sollen die Möglichkeiten zur Videoüberwachung von Seiten der Polizei verbessert werden. Die Identifizierung und Verfolgung etwaiger Täter soll auf diesem Wege vereinfacht werden. Auch sei diese Frage gestellt: Was wurde bisher getan? Wurden nicht bisher die Fans auf Schritt und Tritt von der Polizei begleitet und permanent gefilmt? Auswärtsfans können ein Liedchen davon singen. Kein Meter, keine Minute, ohne dass nicht irgendwo am Bahnhof, auf dem Stadionvorplatz oder im Fanblock ständig eine Kamera auf einen gerichtet ist. Fußballfans unter Generalverdacht – seit Jahren eine Selbstverständlichkeit. Davon ganz abgesehen, ist es in der Gegenwart gar nicht mehr möglich, als mit der Bahn anreisender Auswärtsfan sich frei bewegen zu können. Des Weiteren sollen die Kontrolleinrichtungen an den Stadionzugängen verbessert werden. Was bedeutet das konkret? Werden jetzt auch VIP-Gäste und Haupttribünen-Sitzer komplett gefilzt? Was wiederum die Gästefans anbelangt: In zahlreichen Stadien wurde bereits jetzt bis an die Schmerzgrenze gegangen. Schuhe ausziehen war und ist vielerorts keine Seltenheit. Worum geht es also? Haben Ordner und Sicherheitsdienste bisher keine professionelle Arbeit geleistet? Kaum zu glauben in einem Staat wie Deutschland im Jahr 2012, in dem es wohl bereits jetzt mit das sicherste „Stadionerlebnis“ weltweit gibt. Die Einführung von Vollkontrollen sei indes nicht vorgesehen. Immerhin wurde in diesem Bereich der Antrag stark modifiziert. Was ist das überhaupt? Eine Vollkontrolle? Beim Qualitätsmanagement ist dies eine Vollprüfung oder auch Stück-für-Stück-Prüfung. Der Begriff steht für eine vollzählige Prüfung. Wenn es danach geht, gibt es diese Art der Vollkontrolle bereits seit Menschen Gedenken. Als Fußballfreund, der seit über 20 Jahren zum Fußball von der 1. Bundesliga bis zur Freizeitliga geht, ist mir ganz persönlich eh nicht klar, was diese ganze Panikmache in Sachen Sicherheit sollte. Unter dem Strich: In den Stadien ist es seit Beginn der 90er Jahre definitiv sicherer und ruhiger geworden. Problematischer wurde es indes bei der angesprochenen Ab- und Abreise der Fans. Konflikte mit der Polizei nahmen zu. Der Ton wurde rauer. Manch ein Problem wurde vom Stadion nach außen verlagert. Davon ganz abgesehen, haben diese zunehmenden Konflikte durchaus gesellschaftliche Gründe. Das am 12.12.2012 beschlossene Maßnahmenpaket wird dieses Problem wohl kaum lösen können. Ja, worum ging es denn nun? Manch einem übereifrigen Politiker den Wind aus den Segeln zu nehmen? Gut möglich! Allerdings hätten es vom Ligaverband auch ein paar klare Worte getan, denn für die Stadionsicherheit wurde ganz gewiss seit Jahren genug getan. Keine Frage: Die kernigen 80er sind längst vorbei! Kurzum: Beim Maßnahmenpaket ist dem aktiven Fußballfan nicht klar, was genau ihn ab der Saison 2013/14 erwartet. Kein Wunder also, dass diese diesem DFL-Papier komplett argwöhnisch und ablehnend gegenüberstehen. Eine Diskussion um einen möglichen kontrollierten Einsatz von Pyrotechnik wird es eh nicht geben, das wurde im Anschluss der Konferenz sofort in der Meldung der DFL verankert. Ansonsten hören die Fans bzw. Ultras immer nur die Schlagworte „Sicherheit“, „Videoüberwachung“, „Bessere Kontrollen“. Und nicht zuletzt etwas von einer Kommission „Stadionerlebnis“. Was immer man sich darunter vorstellen darf. Noch eine offene Frage: Was ändert sich bei den besagten „Risikospielen“ ganz konkret? Im Antrag 14 wird davon gesprochen, dass bei besonderer Gefahrenlage die Möglichkeit besteht, das Gästeticketkontingent zu reduzieren. In welchem Maße genau, ist nicht erläutert. Ein Revierderby zwischen Borussia Dortmund und dem FC Schalke 04 mit 2.000 Gästefans, weil es zuletzt zu Zwischenfällen kam? Ob dieses beschlossene DFL-Maßnahmenpaket nun – wie zahlreiche Fans es befürchten und in sozialen Netzwerken sowie in all den Foren kundtun – wirklich das Ende der Fankultur bedeutet, darf bezweifelt werden. Allerdings führte das breite Abnicken von Seiten fast aller Vereine zu einem echten Vertrauensbruch bei tausenden Fans. Etwas mehr Rückgrat hat sich manch ein Anhänger vom Vorstand seines Lieblingsklubs dann doch gewünscht. Was gab es denn von Seiten der Vereine wirklich zu befürchten? Der FC St. Pauli hatte am Dienstag einen Antrag auf Verschiebung der Abstimmungen gestellt. Hätten es nicht andere Vereine, die sich vor kurzem noch kritisch gezeigt hatten, dem gleich tun können? Wenigstens ein Zeichen!? Wo waren Hertha BSC, der 1. FC Köln, der SC Freiburg, die SG Dynamo Dresden, der FC Energie Cottbus, Eintracht Frankfurt, der Hamburger SV und all die anderen Klubs? Waren sie nicht der Meinung wie der 1. FC Union Berlin, das bereits genug für ein sicheres Stadionerlebnis getan wurde? In Berlin-Köpenick sah man keinen Grund für die Zustimmung zum Antragspaketes, da die tatsächliche Sicherheitslage im deutschen Fußball aktuell keine Beschlussfassung erfordere. So gebe es keinerlei Veranlassung, sich einem wodurch auch immer motivierten politischen Druck zu beugen und zum jetzigen Zeitpunkt symbolisch eine Handlungsfähigkeit unter Beweis zu stellen, die überhaupt nie in Frage stand, ist in der aktuellen Meldung des 1. FC Union zu lesen. Dirk Zingler erklärte zur Problematik, dass die Kommunikation der letzten Wochen keine Basis sei für eine wirksame Zusammenarbeit im Sinne der vielen Millionen Besucher von Fußballspielen, denen auch künftig sichere Stadionerlebnisse geboten werden sollen. Weiterhin erklärte Zingler: „Aktuell genügt scheinbar politischer Druck, uns zu Handlungen zu zwingen, obwohl der behauptete Anstieg von Gewalt im Fußball gar nicht belegt werden kann. Damit riskieren wir, auch künftig zum Spielball von Politikern zu werden, die das populäre Thema Fußball zur eigenen Profilierung nutzen. Dass sich die „Solidargemeinschaft Fußball“ in so eine Situation begibt, ist unnötig.“ Dem kann wohl nichts hinzugefügt werden. Fakt ist: Die Zeichen stehen bei der Fanszene auf Sturm. DFL und Vereinen kommt daher die Weihnachts- bzw. Winterpause ganz gewiss mehr als gelegen. Man wird hoffen, dass der Sturm der Entrüstung bis Ende Januar wieder zu einem Lüftchen abflaut. Dass dem so sein wird, darf nach den letzten Protesten allerdings stark bezweifelt werden...
http://www.turus.net/sport/7078-dfl-sicherheitspaper-mehrheit-der-vereine-laesst-rueckgrat-vermissen.html