"Ich merke, dass man mit dem Geiste (oder
dem Verstand) wuchern kann, und dass die Seele dabei verhungern kann" - Sophie Scholl
Heute jährt sich der Todestag von
Sophie Scholl zum 74. Mal. Sie wurde wegen ihres Mutes und ihrer unerschütterlichen
Überzeugung, dass der Nationalsozialismus ein menschenverachtendes Regimes war,
in München-Stadelheim hingerichtet. Doch wer war diese junge Frau, die es
gewagt hat, mit einer kleinen Gruppe Gleichgesinnter dem Terrorregime der Nazis
zu widerstehen ?
Sie wuchs mit drei Geschwistern,
ein viertes starb im Alter von einem Jahr, ganz kleinbürgerlich im fränkischen
Forchtenberg, einem 4.900 Seelen zählenden Dorf auf und unterschied sich in
nichts von anderen Jugendlichen der Zwischenkriegszeit. Ihre Eltern Magdalena,
eine Diakonisse und ihr Vater Robert Scholl erzogen sie zu einer liberal
denkenden jungen Frau, die dennoch zu Beginn an die Idee der
Nationalsozialisten und ihrer Bewegung – so trat sie in den BDM (Bund Deutscher
Mädchen) ein – glaubte und zunächst begeistert
mitmachte. Auch die Mutproben und sportlichen Herausforderungen sprachen die
Heranwachsende an.
Doch nach dem „Reichsparteitag
der Ehre 1936“ kam der innere Bruch mit dem Regime. An diesem Parteitag wurde
die „Wiederbewaffnung Deutschlands“ in Wahrheit die Besetzung des Rheinlandes
gefeiert, welche Deutschland an den Rand eines Krieges brachte. Ab diesem
Zeitpunkt war klar, dass die Nazis Krieg wollten um die „Schande von Versailles“
zu revidieren. Gleichzeitig griffen die am Reichsparteitag 1935 erlassenen
Judengesetze langsam und die Familie Scholl bekam deren Auswirkungen – Mutter
Magdalena engagierte sich in der evangelischen Kirche – zu sehen. Sie wandte
sich gemeinsam mit ihrem Bruder Hans (der später ebenfalls hingerichtet wurde)
der „Deutschen Jungenschaft vom 1.11.1929“ zu, einer trotz Verbotes im
Untergrund existierenden Jugendbewegung und trat damit erstmals aktiv in
Opposition zum Regime. Die erste Verhaftung Sophies – wenn auch nur für wenige
Stunden – erfolgte 1937, als die Polizei eine Versammlung der Deutschen
Jugendbewegung sprengte.
Diese erste Verhaftung hatte
jedoch noch keine Auswirkungen auf das Leben Sophies, das sich nicht anders
entwickelte als bei anderen Heranwachsenden dieser Zeit: Sie lernte ihren Verlobten,
Fritz Hartmann kennen und lieben. Bis knapp vor dem Krieg waren sie ein
Pärchen, das auch einige Zeit lang in Weimar zusammenlebte. Der Krieg trennte
die beiden und Sophie kehrte wieder in ihr Elternhaus zurück. Die Familie
Scholl war mittlerweile nach Ulm umgezogen, wo Sophie 1940 eine Ausbildung als
Kindergärtnerin am evangelischen Kindergärtnerinnen-Seminar von Emma Kretschmer
begann. Emma Kretschmer begann ihre pädagogische Karriere in evangelischen Kindereinrichtungen
für taubstumme bzw. damals als
unerziehbar geltende Kinder.
Durch ihre Ausbildung dort und
das Studieren der christlichen Werke von Augustinos von Hippo, eines
Kirchentheologen der antiken Urkirche verfestigte sich ihre Abneigung gegen das
Regime, welches immer offener zu Tage trat. Sophie begann 1942 Biologie und
Philosophie in München zu studieren und musste in den Ferien in einem Ulmer
Rüstungswerk für die Kriegsrüstung arbeiten. In München traf sie im Umfeld des
Freundeskreises ihres Bruders Hans eine Gruppe junger Menschen, die ebenfalls in
Opposition zu den Nazis standen.
Es entstand im Juni 1942 (ein
genaues Datum gibt es nicht) die Widerstandsgruppe „Weiße
Rose“. Mit Briefen, Aufrufen
sowie Plakaten und Flugzetteln riefen sie zum Widerstand gegen das Regime auf.
Bald fand man in vielen Telefonzellen, hinter Windschutzscheiben und in
Postfächern in München ihre Aufrufe und Manifeste. Auch in anderen Städten
wurden Flugblätter verteilt, einige davon erreichten sogar Großbritannien und
schafften es in die BBC-News. Schliesslich wurde ihnen am 18. Februar 1943 eine
Flugblattaktion im Universitätsgebäude der Uni München zum Verhängnis: der
Hausmeister Jakob Schmid, ein parteitreuer SA Mann entdeckte die Gruppe und
rief sofort die Gestapo. Die Geschwister Scholl wurden zunächst durch den
Rektor der Uni verhört und anschliessend in die Gestapo-Zentrale in der
Wittelsbacher Strasse gebracht. Nach zweitägigem Verhör, bei dem Sophie Scholl
ihre Mitwisser schützen wollte, wurden beide Scholl-Geschwister vom eigens aus
Berlin angereisten Blutrichter Roland Freisler zum Tode verurteilt, die
Hinrichtung erfolgte am 22. Februar 1943 in München Stadelheim. Ihre Gräber
befinden sich im Friedhof am Perlacher Forst.
Interessanterweise hatten die
Aktionen der Weißen Rose weitreichendere Folgen als dem Regime genehm war: die
Royal Air Force ließ tausende Flugzettel nachdrucken und warf diese im Herbst
1943 über deutschen Städten ab, BBC London veröffentlichte regelmässig Texte
der Geschwister Scholl über ihre internationale Welle, welche auch in
Deutschland gehört werden konnte. Wegen dieses „Feindsenderhörens“ wurde
Sophies Vater Robert im Mai 1943 zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Es ist
nicht überliefert ob er dabei einen von Sophie verfassten Text hörte.
Nach dem Krieg wurden die
Erinnerungen der Geschwister Scholl in Form von Tagebuchaufzeichnungen veröffentlicht.
Ihr ehemaliger Verlobter Fritz wurde Richter und setzte sich in den
Fünfzigerjahre (vergeblich) gegen eine Wiederbewaffnung der jungen BRD ein.
Vater Robert widmete sein Leben dem Andenken an seine hingerichteten Kinder und
war ein ewiger Mahner gegen Faschismus und Krieg.
·
Hans Scholl und Sophie Scholl. Briefe und
Aufzeichnungen. Fischer, Frankfurt am Main 1989, ISBN 3-596-25681-X.
·
Thomas Hartnagel (Hrsg.): Sophie Scholl und Fritz Hartnagel.
Damit wir uns nicht verlieren. Briefwechsel 1937–1943. Fischer,
Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-10-000425-6.