Das grün-weiße Kartenhaus stürzt ein
Irgendwann kommt die Wahrheit ans Tageslicht. Bei Rapid war heute ein Tag, an dem der Klub einen großen Schritt in Richtung Wahrheit gemacht hat. Ein schmerzlicher Tag für alle Rapid-Fans. Von Michael Fiala
Früher als eigentlich erwartet muss die Rapid-Führung ihr Versagen eingestehen und das obwohl keiner der federführenden Personen – Rapid-Präsident Rudi Edlinger und General-Manager Werner Kuhn – heute vor die Mikrofone getreten ist. Nein. Das Versagen der Rapid-Führung wurde heute indirekt eingestanden. Und zwar durch Cheftrainer Zoran Barisic und Sportdirektor Helmut Schulte.
Es hat Schulte für die Wahrheit gebraucht
Es hat also Helmut Schulte gebraucht, der den Rapid-Fans die gnadenlose Wahrheit präsentiert, denn diese „ist jedem Menschen zumutbar". In den vergangenen Jahren hatte keiner der Herren in der Führungsetage auch nur annähernd den Mut, die unangenehmen Fakten auch nur ansatzweise einzugestehen. Stattdessen wurden Fans und Sympathisanten immer wieder mit Phrasen und populistischem Gehabe bei Laune gehalten.
Doch jetzt - wenige Monate vor dem Ende der Präsidentschaft Edlingers – droht das Kartenhaus aus Halbwahrheiten und G'schichterln zusammenzubrechen. Denn jetzt geht es plötzlich darum, Rapid nicht nur als gesunden Verein der Öffentlichkeit zu präsentieren, sondern vor allem auch darum, die Karten offen auf den Tisch zu legen. Denn spätestens mit der außerordentlichen Hauptversammlung wird es so weit sein, dass die grün-weißen Finanzen offengelegt werden müssen. Und diese Zahlen werden aller Voraussicht nach alles andere als grün sein.
Weiße Weste stark verschmutzt
In Anbetracht dieses Szenarios ist Rapid plötzlich unter Zugzwang und kann sich nicht darauf verlassen, dass im kommenden Jahr durch einen Mega-Transfer die Kurve doch noch mal gekratzt wird oder dass man doch noch einmal das Happel-Stadion drei Mal voll bekommt. Spätestens im November will Rudi Edlinger mit weißer Weste den Klub verlassen. Eine Weste, die derzeit jedoch stark verschmutzt ist. Verschmutzt durch die zahlreichen Baustellen, die der Klub in den vergangenen Jahren aufgerissen hat.
Noch vor wenigen Tagen – bei der Präsentation der OMV-Action Challenge – stand Rapid-Manager Werner Kuhn vor dem 90minuten.at-Mikrofon und erzählte: „Viele können meine Arbeit nicht wirklich beurteilen, weil diese Personen zu weit weg sind. Man darf nicht vergessen: Wir haben nach Red Bull Salzburg das zweithöchste Budget der Liga, wir haben viele Sponsoren". Außerdem kündigte Kuhn vollmundig an, dass davon auszugehen sei, dass für den Wegfall von Sponsor Orange noch in mit Beginn der neuen Saison Ersatz in der Mobilfunkbranche gefunden wird. Nur einen Tag später sah alles wieder anders aus. Ein weiteres Stockwerk des Kartenhauses, das heute zum Teil bis auf die Grundmauern eingestürzt ist.
Austria und Sturm agieren - Rapid sieht zu
Schulte und Barisic verkündeten heute also die Wahrheit. Und die sieht so aus: Rapid hat aus jetziger Sicht keinen einzigen Cent Spielraum, um auch nur einen halbwegs sinnvollen Transfer zu tätigen. Und das obwohl Rapid das zweithöchste Budget der Liga hat und die meisten älteren, teuren Spieler nicht verlängert hat? Das passt nicht zusammen. Während Austria und Sturm – laut Kuhn Klubs mit weniger Budget als Rapid – am Transfermarkt agieren, holt Rapid einzig allein Dibon – und diesen Spieler auch nur für ein Jahr zur Leihe und ohne Kaufoption(!).
Insofern ist auch das zweithöchste Budget der Liga zu verstehen. Es dürfte sich um ein theoretisches Budget handeln, denn wie der Kurier berichtet, fehlen noch hohe Beträge auf die kalkulierten 19 Mio. Euro. Fraglich ist auch, wie die Liga im Rahmen der Lizenzierung diese Unterdeckung ohne Auflagen durchwinken konnte, sofern die Kurier-Behauptung stimmt.
Wie dramatisch die Situation rund um Rapid ist, zeigt auch die Entscheidung von Casinos-Vorstand Dietmar Hoscher, der als Nachfolger von Rudi Edlinger nicht zur Verfügung steht. Man kann wohl nur masochistisch veranlagt sein, Rapid in dieser Situation zu übernehmen.
"Im Vordergrund steht die Weiterentwicklung"
Die Saisonziele wurden jedenfalls schon vorsorglich noch einmal nach unten revidiert. Noch vor wenigen Wochen sagte Helmut Schulte im Interview mit 90minuten.at: „Rapid hat den Anspruch, immer unter den ersten drei zu sein." Heute hat sich das dann so angehört: „Ich finde es nicht gut, Saisonziele an Platzierungen festzumachen. Im Vordergrund steht die Weiterentwicklung und dass jeder Spieler besser wird", so Schulte.
Auf Rapid kommt möglicherweise eine weitere, magere Saison zu. Die aktuelle Situation sieht so aus: Die Saison soll mit 21 Lizenzspielern und zusätzlich vier Amateuren in Angriff genommen werden. Der Altersschnitt wurde gezwungenermaßen auf rund 23 Jahre gesenkt, bei der Hälfte der Akteure handelt es sich um Eigenbauspieler. Einen gelernten 6er sucht man in diesem Kader vergeblich. (siehe auch Kaderanalyse auf abseits.at)
Das grün-weiße Kartenhaus stürzt also ein und es nicht davon auszugehen, dass Edlinger und Kuhn daran noch etwas ändern können. Es bleibt also für die Rapid-Fans einzig allein die Hoffnung, dass Barisic mit diesem Kader sich von diesen Rahmenbedingungen unbeeindruckt zeigt. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Und jetzt zahle ich 5 Euro ins Phrasenschwein.
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