Oliver, der Capo des Block-West, muss für 14
Monate ins Gefängnis, weil er den "Landfrieden" gebrochen haben soll. Sein nicht
minder engagierter Partner fasste 10 Monate aus. Ein Exempel.
Die
Anwendung des Paragrafs des "Landfriedensbruchs" ließe ich mir einreden, wenn es
um die Gefährdung der allgemeinen Sicherheit gegangen wäre. In diesem Szenario
war das aber nicht der Fall. Niemand am Westbahnhof war von den Rapid-Fans
gefährdet worden. Allein ihre violetten Kontrahenten waren im Visier der
Auseinandersetzung. Und die Zeitungen berichteten damals, dass die Violetten
einer solchen Auseinandersetzung nicht gerade ablehnend gegenüber standen. Es
waren daher zwei rivalisierende Gruppen aber einer wurde die ganze Schuld
zugeschoben. Wie sonderbar sich doch der Fangesang der Rapid-Kurve "...Stolz der
Polizei" bewahrheitet.
Als langjähriger Beobachter der Aktivitäten des
Blocks im Rapid-Stadion hätte ich die beiden Frontmen des Block-West eher zu
einer öffentlichen Anerkennung ihrer Leistungen vorgeschlagen als für eine
exemplarische Verurteilung. Anders als die Tierschützer, für die der
Mafia-Paragraf herhalten musste, hatten die Rapidler keinerlei Unterstützung in
der Öffentlichkeit.
Unterstützung? Wofür eigentlich?
Vielleicht sollte man den einen oder
anderen mit der Szene befassten Sozialarbeiter befragen, wie leicht oder schwer
ihre Arbeit im Block ist. Wie man an die problematischen Leute herankommt, wie
man ihr Vertauen gewinnt, um mit ihnen zu arbeiten. Genau das konnten die jetzt
Verurteilten. Dass sie dabei eine Gratwanderung an den Grenzen der Legalität
gingen, war den Beobachtern klar. Diese Grenzen beginnen bei verbotenen
pyrotechnischen Artikeln, geworfenen Gegenständen, bei Sachbeschädigungen und
eben bei kleineren oder größeren Scharmützel mit ihren Lieblingsfeinden. Das ist
alles nicht wünschenswert. Aber die einzigen in dieser Szene, die Einfluss auf
das Geschehen haben, waren die beiden Verurteilten. Und sie haben immer wieder
bewiesen, dass sie es schaffen, dieser eigentlich unlenkbare Masse eine Richtung
zu geben. Ich gebe zu bedenken, dass eine Zerschlagung oder Aussperrung dieses
Blocks gar nichts verbessert. Sie werden draußen sein aus dem Stadion aber die
nächste, so ausgesperrte Generation wird sich uns in unangenehmer Weise in
Erinnerung rufen, ähnlich wie in den Pariser und Londoner Vorstädten. Das waren
die Kinder jener Generation, die man erfolgreich aus den Stadien entfernt
hatte.
Die beiden Verurteilen genießen das Vertrauen des Blocks. Sie sind
dabei in einer ähnlichen Rolle wie Politiker. Sie müssen in die Menge
hineinhören und müssen wissen, was der Anhang will. Dass sie in
Westbahnhof-Aktion zu weit gegangen sind, das hat ihnen der Richter klar gezeigt
aber wie gesagt, der Richter ist mit dieser sozialen Schicht nicht gerade
vertraut, denn wie wichtig die Rolle der beiden Verurteilten ist, kann man daran
ablesen, dass sie in der Rapid-Reformarbeitsgruppe nominiert waren.
Man muss
nur hoffen, dass man nicht als Folge dieses Urteils wirklich den
Landfriedensbruch-Paragrafen auspacken wird müssen, denn dass die Anhänger wegen
des Urteils zu Sängerknaben mutieren werden, kann man nicht annehmen.
Unverhätnismäßig
Abgesehen von den Gesetzen. Die Gewalttaten richteten
sich nicht gegen Dich oder mich, also gegen die Allgemeinheit. Die Befragung
eines Szenekundigen hätte zur Aufklärung beigetragen. Die violette Gegenseite
war zu eben diesen Gewalttaten in gleicher Weise bereit, war aber bei dem
Prozess nicht einmal Zeuge. Ich fühle mich als Bürger von einer Fahrt von
Arnautovic mehr bedroht als vom ganzen Block West in einer ganzen Saison. Daher
finde ich das Urteil - Strafe muss ja vielleicht sein - völlig
unverhältnismäßig. Zum "Gegenwert" von 14 Monaten kann man als Ersttäter schon
einmal auf einen "Bruch" gehen, Verkehrsdelikte werden ohnehin meist bedingt
abgeurteilt. Kinderschänder bekommen 2 Jahre Bewährung und Freisprüche. (Links
dazu gibt es genügend).
Wenn es mich etwas früher auf den Fußballplatz
verschlagen hätte, ich wäre sicher ein Anhänger von Oliver geworden. Jemand, der
eine Sache so enthusiastisch vertritt wie er, verdient Bewunderung. Schade, dass
unsere Gesellschaft meint, dass für solche Begabungen kein Platz wäre. Aber für
mehr Polizei ist immer noch Platz. Aber wir wissen, dass mehr Polizei nicht
gleichzeitig mehr an Sicherheit bedeutet, wohl aber Achtung aller Gruppen, wie
sonderbar sie auch dem Durchschnittsbürger erscheinen mögen.
Capo
Capo sein ist nicht so einfach. Diese Rolle, die Oliver einnimmt,
kann er nur behalten, wenn er auch im Sinne seiner Gefolgschaft handelt. Er ist
wie ein Leitwolf. Und er muss seine Position laufend bestätigen, sonst ist er
weg vom Podest. Die Opfer, die er bereit ist, für diese ausgezeichnete Stellung
im Block zu bringen, sind groß. Rapid verdankt ihm eine langjährige
Geschlossenheit, die den Block über jeden anderen im Lande gestellt hat.
Natürlich ist er auch mitverantwortlich für das derzeitige Stimmungstief, das
vielleicht sogar durch die zu geringe Unterstützung (seitens des Vereins,
seitens der Berichterstattung) in Zuge dieses Prozesses mitbeeinflusst war. Um
diese selbstgewählte Rolle beizubehalten, muss er "mit den Wölfen heulen", also
bei der einen oder anderen grenzwertigen Aktion mitmachen und sie sogar
anzetteln. Dass man sich in diesem Fall sehr ungeschickt verhalten hat (wenn man
mitbekomme, dass die Polizei von der Aktion Wind bekommen hat, geht man vom Gas
und verschiebt die Aktion halt aufs nächste passende Event) ist ein bisschen ein
Pech.
Oliver hat eine ähnliche Rolle wie unser HC oder eben politische
Führungspersönlichkeiten allgemein. HC erscheint in seinen Reden unmenschlich,
radikal, ausgrenzend, ewiggestrig und was weiß ich noch alles. Aber er hätte
"kein Leiiberl" mit diesen Ansichten, wenn er dem Volk nicht nach dem Maul reden
würde. So geht's auch dem Oliver. Er hat sich sicher zu weit aus dem Fenster
hinausgewagt.
Seine Gruppe hat ein eigenes Rechtsverständnis, das mit dem
der Normalbürger nichts zu tun hat. Sie will ja nicht Dich oder mich in einen
Konflikt hineinziehen und daher ist es kein "Landfriedensbruch". Sie trifft sich
mit einer Gruppe, die diesem eigentümlichen Rechtsverständnis
zustimmt.
Dass sich die Polizei schützend vor die armen, bedrohten Violas
hinstellt ist ja die Heiterkeit schlechthin, denn die Violas verkörpern in
diesem Prozess die Gesellschaft, gegen die sich der Landfriedensbruch wendet.
Die Violas, die aus demselben Holz geschnitzt sind wie unsere Ultras sind auf
einmal die Lieblinge der Justiz. "Stolz der Polizei". Ist das nicht
komisch?
Ich würde die Betroffenen beider Parteien zu einem
verpflichtenden Sozialdienst mit einer gewissen Lernkomponente verpflichten. Mit
dieser Rache- und Exempeljustiz aus dem Mittelalter kommen wir nicht weiter.
Auch auf anderen Gebieten nicht.