Ist „ULTRA´“
denn weiblich ?
Kurz gesagt: NEIN.
In einer Fussballzeitschrift wird in seiner neuesten Ausgabe dieses
Thema beackert. Mensch hatte sich ein halbes Dutzend Frauen, die zum Fussball
gehen, ausgesucht und sie um ihre Meinung dazu gefragt. Grundtenor: sie sind
noch immer Exoten ! Und das wird auch so bleiben, denn die ULTRA´-Kultur, die
sich Ende der 60er Jahre südlich des Brenners entwickelt hat, ist und bleibt
eine männliche Domäne. Frauen sind dort nur Beiwerk.
Einer dieser Gründe, warum das auch immer so bleiben wird
ist das unterschiedliche Selbstverständnis der Geschlechter, welches sich im
Laufe der Evolution entwickelt hat und nicht in einigen Jahren revidiert werden
kann. Männerfreundschaften – und ULTRA´ ist so etwas – haben eine ganz andere
Charakteristik als Frauenfreundschaften. Dazu kommt natürlich, daß Fussball ein
Männersport ist – vermutlich die einzige, die man so noch nennen kann die
massentauglich ist. Will man in diese Domäne einbrechen, kommt es automatisch
zu Problemen.
Die ULTRA´ Kultur, nach einer Definition eine Erfindung
der Presse (sie nannten damals Torinofans, die einen Schiedsrichter nach
eklatanten Fehlentscheidungen bis zum Flughafen verfolgten, ULTRAS) hat sich
aus den politischen und sozialen Gegebenheiten der damaligen Zeit entwickelt.
Von Stammtischen und kleinen Tavernen aus folgten junge Männer plötzlich ihrer
Mannschaft überall hin und verteidigten sie gegen die Fans der anderen
Mannschaften. Der in Italien ausgeprägte „Campanilissimo“, ebenfalls eine
gewachsene Struktur spielt hier ebenso eine Rolle wie auch das Aufbegehren
junger Männer gegen das herrschende System. Die politische Situation der
damaligen Zeit schwappte ins Stadion hinüber, dort konnte man sich noch so
äußern, wie sonst nirgendwo.
Gruppen junger Männer gaben sich einen eigenen Namen,
fabrizierten die ersten Transparente und verwendeten neue Stilmittel zur
Unterstützung. Der eigene Verein geht über alles, die anderen sind „stronzo“.
Es entwickelte sich eine männertypische Subkultur, die sich nicht nur auf den
Fussball an sich sondern auch auf andere Ebenen – Musik, Kultur, Gesellschaft –
ausdehnte. Die Protestbewegung der Jugend stand (und steht bis heute) bald im
Gegensatz zur Mehrheitsgesellschaft.
ULTRA´ entwickelte sich zum Gegenmodell der Gesellschaft,
man grenzte sich ab, erfand eigene Regeln und spielte diese Woche für Woche
durch. Ob das bei Treffen, Spielen, Auswärtsfahrten oder beim Einkaufen war –
man gehörte der Gruppe und dem Verein an. 24 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche,
365 Tage im Jahr.
Und wo finden sich da die Frauen ? Richtig – nirgends.
Erst in der heutigen Zeit nach 2000 kommen Frauen vermehrt
ins Stadion, zu den Gruppen und wollen sich dort selbst verwirklichen. Meist
ohne zu begreifen, was ULTRA´ eigentlich ist. Nämlich nicht, ein tolles
Transparent aufzuhängen, eine Fahne zu schwingen, Bengalen abzubrennen oder
tolle Pickerln zu verkleben. Auch die Graffittikultur, welche Mitte der 90er
Jahre mit hinein genommen wurde, hat nichts mit ULTRA´ zu tun, wie es viele
verstehen. ULTRA´ ist man, wenn man immer seiner Gruppe, seinem Verein, seinem
Ort verbunden ist und dies auch zeigt.
Das Problem vieler sogenannter ULTRA´ der 2000er Jahre
(und damit auch der Frauen) ist, daß sie meinen, sich immer und überall äussern
zu müssen, daß Politik (egal welcher Richtung) immer wichtig ist und sogar so
wichtig, daß sie das überlagert, was man zu leben vorgibt, nämlich ULTRA´.
Es gibt mittlerweile viele Bücher und Studien furchtbar
gescheiter Menschen die nur einen Fehler haben: sie sind und waren nie Teil
dieser Kultur, dieser Szene. Sie analysieren lediglich von aussen. Damit haben
sie aber nicht jenen Einblick, die jemand hat, der in dieser Szene und mit
diesem Bewußtsein aufgewachsen ist. Es ist ein bischen so, als ob ein satter
Mensch zu erklären versucht, wie Hunger ist.
Abschliessend bleibt nur noch eines zu sagen: natürlich dürfen Frauen
auch ULTRA´ sein, sie können in die Gruppen kommen und mitmachen – nur ist das
kein Freizeitvergnügen und kein Halbtagsjob, den man unter der Woche an den
Nagel hängt, sondern mehr. Und daran scheitern sie. – Uniti Legneremo Tutti
i Rossoblu A
Sangue !