Warum ist die Sache am Donnerstag so eskaliert ? Hätte das
sein müssen ? Wäre das passiert, wenn eine andere österreichische Mannschaft
dort gespielt hätte ? – Oder andersrum gefragt: warum ist beim Spiel von Aris gegen die Wiener
Austria nichts annähernd vergleichbares erfolgt (abgesehen von der
Zahl der Auswärtsfahrer) ?
Ich habe versucht mir darüber
klar zu werden, warum diese Szenen in dieser Form passiert sind: Eine Szene,
die sich selbst so gut vermarktet – in fast jedem Ultraforum Europas gibt es jemanden,
der permanent Bilder, Videos, Neuigkeiten postet – muss aber auch damit rechnen
dass es Leute gibt, die auf diese Propaganda reinfallen. Der Schmäh, dass „die aktive Szene von UR“ nicht in den Foren
schreibt ist ja auch so ein linker. Wenn du 500 Mitglieder hast, davon etwa 30
im Direttivo (dem Entscheidungsträger) dann kannst du das auch leicht sagen. Es
gibt ja genug andere Möglichkeiten. Bei 470 Mitgliedern, die vielleicht
irgendwann mal ins Direttivo wollen kann man ja einfach sagen, Du, Du und Du
bist für die Aussendarstellung verantwortlich, macht ihr das gut werdet ihr ins
Direttivo aufgenommen. Auf diese Art und Weise ist sichergestellt, dass die
Gruppe/Kurve sich immer perfekt präsentiert und andererseits die Aussage, „kein aktives Szenemitglied von UR“ schreibt
in den Foren richtig. Denn kein Mensch glaubt, dass UR nicht aktiv Propaganda
betreibt, woher sollten sonst die ganzen Videos und Bilder herkommen ? Auch die
von ihnen betriebene Bilderseite ist ja immer – meist schon während des Spieles
– topaktuell. Zufall ?
Da wären wir dann wieder beim
zweiten Punkt, nämlich der Freundschaft zu Panathinaikos.
Das es legitim ist, Freundschaften zu pflegen die auf gegenseitigen Respekt und
gegenseitiger Zuneigung basieren bleibt unbestritten, wer freut sich nicht,
wenn es Ultras anderer Vereine gibt, die einem mögen und die eigene Arbeit
respektieren ? Vor allem wenn das dann auf die gesamte Szene umgelegt werden
kann ist das doch das höchste Lob was einer einheimischen Kurve/Gruppe
passieren kann. Andererseits kann das dann aber auch ins Negative ausschlagen
wenn man dann in Städte fährt, wo der – in diesem Fall – „Grüne Bruder“ nicht gerne gesehen ist. Oder
wenn man mit dessen „Orthodox Brother“ auch noch ein Hühnchen zu rupfen
hat (oder umgekehrt).
Da kann es dann schon in die Hose
gehen, wenn man ein wie oben beschriebenes Propagandamodell entwickelt hat, man
hat dann einfach nicht die genaue Kontrolle über die Veröffentlichung der
Beiträge oder kann sie nicht schnell genug stoppen (vielleicht will man das ja
auch nicht). Mit fatalen Folgen für alle Rapidfans, wo es sicher auch viele
gibt, die mit dieser Freundschaft bzw. mit ULTRA´
selber nichts am Hut haben. Sie werden dann ungewollt zum Treffer für den – ich
nenne es mal so – Gegner. Das wiederum spielt den UR
in die Hände, die eine grosse geeinte Rapidfamilie wollen. Das andererseits
Propaganda zum Handwerk der Ultras gehört ist auch unbestritten.
Die Rapidfamilie wird aber auch
vom Verein propagiert. Dazu hat man schon seit zwei Jahrzehnten oder länger
einen Fanserviceleiter in der Person Andi Marek gefunden. Ein Mann der sein
Herzblut für den Verein und die Fans hergibt, das muss man neidlos anerkennen.
Singen kann er zwar nicht dafür hat er schon seit Jahren einen sehr guten Draht
zum Block West und lässt viele Dinge, die in anderen österreichischen Kurven
unmöglich sind zu. Der aber auch mit seiner bedingungslosen Treue zu UR und Co. diesen eine Machtposition
zugesteht, die manchmal ungesund ist. Man erinnere sich an die Platzstürme
2009, 2010 und dem Derbyplatzsturm 2011 sowie Kapfenberg 2008 oder der
Westbahnhofgeschichte 2010 – all diese Dinge waren die Folge dieser Symbiose.
Ich finde es kontraproduktiv für den gesamten Rapidanhang wenn man einem Teil
der Szene (und ich nehme jeden, der regelmässig zu Heim- und Auswärtsspielen
fährt dazu) Rechtsbeistand vermittelt oder sich via Presse vor sie stellt. Das
ist eine Art Freibrief für manche. Sicher, ULTRAS
RAPID haben viel für den Verein und die Szene an sich gemacht, der
Block West ist mit Dauerkarten ausverkauft, die Stimmung, unterstützt durch
Pyrotechnik und Choreographien ist teilweise phänomenal – ABER (und jetzt kommts) – die führenden Mitglieder der
UR haben damit eine Macht bekommen
die sie manchmal über die Ziele des Vereines erhöhen und diesem damit auch Geld
kosten. Oder auch Reputation, man denke da nur an mögliche Sponsoren die nach
diesem Zwischenfall abspringen und damit verplantes Geld für den Verein
verloren geht. Von den politischen Entscheidungsträgern, die seit 1989 im Verein
tätig sind bzw. von denen man Geld bekommt (Wien Energie mit Renate Brauner)
ganz zu schweigen die bei solchen Szenen „not amused“ sind. Es geht ja auch um
ihre Wähler, von denen ein Grossteil KEINE
Rapidfans sind. Insoferne bleibt abzuwarten, welche Repressionen jetzt zu
erwarten sind. Nicht nur für Rapid sondern für alle Ultras/Fans in Österreich.
Rapid hat die bestorganisierteste
Szene in Österreich. Keine Frage. Daher ist alles was diese Szene macht oder
was mit dieser Szene passiert wegweisend für alle anderen Ultras/Fans in
Österreich. Und genau diese Verantwortung ist den UR
offenbar nicht so klar, denn sie sind – gewollt oder von anderen
„hineintheatert“ – auch mitverantwortlich für viele Dinge (Pyrotechnikgesetz,
Meldepflicht, Stadienverbote im grossen Rahmen) die unseren Fussball derzeit
plagen. GEGEN DEN MODERNEN FUSSBALL –
diesen Slogan verwenden sie zwar, treten ihn aber gleichzeitig mit ihrem Modell
kräftig in den Arsch. Wie man in einigen Foren lesen kann wird das „Modell UR“ aber auch von Teilen der eigenen
Anhängerschaft abgelehnt, besteht also auch von daher die Gefahr des
Scheiterns. Vor allem dieses Spiel hat
die Emotionen hochschlagen lassen, man muss ja nur im grössten österreichischen
Fanforum, in dem viele kluge Köpfe schreiben, nachlesen. Wenn es nach den
einzelnen Meldungen geht könnte da die lange Jahre erstrebte und erreichte
„Rapidfamilie“ wieder auseinanderbrechen – mit verheerenden Folgen für die
grüne Fanszene.
Kommenden Donnerstag wird die
nächste Bewährungsprobe für die grünweisse Fanszene sein. Vorausgesetzt es
kommen Griechen nach Wien, was ich persönlich annehme, da doch viele
PAOK-Anhänger in Deutschland und der Schweiz sind und ja auch noch eine grosse
Abordnung von Partizanfans in Wien vorhanden ist. Und damit hätten wir wieder
die explosive Mischung beieinander, die schon in Saloniki zur Explosion
gekommen ist. Und ob die Wiener Polizei mehr taktisches Wissen drauf hat als
die griechische, die ja immerhin seit zwei Jahren im Dauerkrieg mit dem eigenen
Volk – darunter viele Fussballanhänger – ist wage ich aus Erfahrung zu
bezweifeln. Wien ist ja nochmals ein Eckerl grösser als Saloniki.
Vielleicht hat die UEFA aber
einen lichten Moment und verordnet ein Geisterspiel (oder zumindest ein Verbot
von Gästefans) – zwar verheerend für die vielen Rapidanhänger, die damit nichts
zu tun haben – aber eine vernünftige Lösung für das aufgeheizte Klima zwischen
Rapid und PAOK. Fussball spielt da nämlich keine grosse Rolle mehr, zu sehr
überwiegen die Rachegelüste.
Ganz zum Schluss noch eines: Beim Lesen der diversen Berichte von
Mitgereisten wird mit keinem Wort erwähnt, was untertags in der Stadt passiert
ist. Denn das wäre auch wichtig um die weiteren Ereigenisse bewerten zu können.
Ein einziges Video, wo Rapidfans beim Weissen Turm sind, ist verfügbar, dort
sieht man aber auch nichts von Ausschreitungen und ähnlichem. Insoferne ist der
Wissensstand der diesen Zeilen zugrunde liegt nur ein rudimentärer.