Samstag, 4. Februar 2023

Buchbesprechung


 

Kleine Geschichte des österreichischen Fußballs in 90 Minuten

von Klaus Dermutz

 

Anmerkungen zum Buch

 

Klaus Dermutz versucht in diesem Buch die Höhepunkte des österreichischen Fussballs zu erzählen. Die Anfangszeit, die großen Erfolge und die Neuzeit mit all ihren Höhen und Tiefen. Sprich, ein Buch über den österreichischen Fussball.

Als Steirer hat er die Anfänge des Grazer Fussballs perfekt beschrieben, Namen, Daten und Geschichten stimmen soweit man es auch aus den diversen Publikationen der damaligen Zeit entnehmen kann. Das Onlinearchiv der Österreichischen Nationalbibliothek ANNO gibt hier einiges als Stoff her.

Eine Anmerkung zum Entstehen des österreichischen Fussballs – und Österreich-Ungarn war damals das zweitgrösste Land in Europa – hätte ich noch: Der (österreichische) Fussball hat seine Wurzeln weder in Graz noch in Wien sondern in Prag. Der Prager Verein „Regatta“ war der erste (deutschsprachige) Verein der Doppelmonarchie. Von Prag aus begann der Siegeszug des Fussballs in die gesamte damalige Doppelmonarchie, die heute ein Dutzend Länder umfasst.

Bei der Erzählung des Wiener Fussballs ist Klaus Dermutz dann schon ein wenig ungenau: Sicher, die beiden ältesten Wiener Vereine, die Vienna und die Cricketer hat er perfekt beschrieben, obgleich er es unterließ zu erwähnen, dass die Cricketer seit mindestens 1892 Fussball betrieben, aber den ersten Verein, der nicht von Engländern in Wien gegründet wurde hat er nicht erwähnt.

Seinen Ursprung hatte dieser Verein im 1887 gegründeten „Deutsch-österreichischen Turnverein“, der sich wiederum aus dem 1861 entstandenen „Ersten Wiener Turnverein“ abgespaltet hatte, da in letzteren aufgrund eines „Arierparagrafen“ keine jüdischen Sportler tätig sein durften. Im Mai 1896, einige Zeitungen geben den 18. Mai an, gründete sich eine Fussballmannschaft, die sich dann im Jahre 1898 in „Wiener FC von 1898“ umbenannte. Er ist somit der drittälteste Verein Wiens. Leider erfolgte die Auflösung schon 1903.

Ebenfalls nicht berücksichtigt wurde, dass es in Wien im Jahre 1896 bereits sieben Fussballvereine gab: Vienna, Cricketer, Dt-öst.Turnverein vulgo Wiener FC, FC Vindobona, Rasenspielclub Austria (nicht mit der Wiener Austria zu verwechseln), Sportclub Training und FC Olympia.

Dazu gab es bereits einen Spielplan, der vom „Comitee zur Abhalten von Fussballspielen“ erstellt wurde. Zum Rasenspielclub Austria sei noch zu sagen, dass dessen Gründungsdatum mit 24. Mai 1896 angegeben wurde (die erste Versammlung war laut Neuem Wiener Tagblatt am 17. Mai), er somit der viertälteste Verein in Wien war. Leider stellte er bereits vor der Jahrhundertwende nach 13 nachgewiesenen Fussballwettspielen das Fussballspielen ein und widmete sich dem Alpinsport. 1904 erfolgte dann die Umbenennung in „Alpinverein D‘ Hergottschnitzer“, den es noch heute gibt. Gespielt  hat diese Ur-Austria am alten Exerzierfeld in Klosterneuburg.

Ich denke, dass diese interessante Geschichte sicherlich auch ihren Platz im Buch finden hätte müssen.

Den ersten Challenge-Cup behandelt das Buch auch ausführlich und inhaltlich vollkommen korrekt, dass es der erste Wettbewerb in Österreich-Ungarn war ist aber nicht richtig. Im damaligen Böhmen, heute Tschechien wurde am 4. April 1896 eine „Böhmische Meisterschaft“ ausgeschrieben, an der auch die deutsch-böhmischen Mannschaften teilnahmen. Der erste böhmische Meister wurde der „Deutsche Fussballclub Prag“. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass der beste Verein Prags, die „Regatta“ an dieser Meisterschaft nicht teilnahm, einen Grund dafür konnte ich jedoch nicht finden.

Die Meisterschaft von Böhmen 1896 im Detail:

15. November:

DFC Prag – Slavia Praha 4-2

Sparta Praha – FC Praha 6-0

22. November:

DFC Prag – FC Praha 11-0

Sparta Praha – Slavia Praha, nicht stattgefunden, da zwei Spieler der Slavia als Schüler nicht konnten.

29. November:

DFC Prag – Sparta Praha 3-1

Slavia Praha – FC Praha, nicht stattgefunden, da zwei Spieler der Slavia als Schüler nicht konnten.

 

In Wien gab es wie schon geschrieben das „Comitee zur Abhalten von Fussballspielen“ welches Wettspiele abhielt. Es war also, wenn man so will, der Vorläufer des Challenge-Cups. Der Unterschied zum Challenge-Cup war der, dass es zwar einen Spielplan gab, aber keine Meisterschaftstabelle. Es ist anzufügen, dass die Cricketer diesen Wettspielplan regelmässig vor der Vienna und dem FC Training gewannen, würde man die Partien in Punkte umrechnen.

Ebenfalls nicht erwähnt wurden die Anfänge des Fussballsports in Baden, dort wurde am dortigen Gymnasium bereits 1896 die erste Mannschaft aufgestellt (die zeitweise eine Zweigstelle der Vienna war), zwei Jahre später gab es am Schwechater Gymnasium eine Mannschaft. Der Badner AC 1899 ist daraus ebenso entstanden wie der heutige SV Schwechat, der 1903 als Germania Schwechat gegründet wurde. Herzogenburg, der heute als ältester niederösterreichischer Verein gilt, ist ebensowenig erwähnt. Ebenfalls unerwähnt ist der Spielbetrieb in Mödling seit 1899.

Immerhin waren damals sowohl die heutigen Wiener als auch niederösterreichischen Vereine in einem Bundesland (Wien wurde erst 1922 vollständig unabhängiges Bundesland, obgleich die Trennung bereits 1920 beschlossen wurde) vereint. Damit wäre es aus meiner Sicht auch ein Streitpunkt, ob das Burgenland (1921 vollständig bei Österreich) oder Wien das jüngste Bundesland der Republik ist.

Aber sei es drum, der Rest ist stimmig. Ich hätte mir nur gewunschen, dass diese durchaus faszinierenden Geschichte – auch die Streitigkeiten um Spielerlaubnisse und Platzbenützungen – in dem Buch zumindest Erwähnung gefunden hätten.

Der Rest des Buches ist dann die gewohnte Geschichte des Wiener- bzw. Österreichischen Fussballs, wie wir ihn allgemein kennen. Es ist ein amüsant geschriebenes Buch mit vielen Details, die nicht allgemein bekannt sind, leider fehlen über die Anfangszeit wie oben beschrieben einige wichtige Fakten zur Bewertung der rasanten Entwicklung des Fussballsports.

Eine Anmerkung zum im Buch genannten Gründungsjahr 1897 für den Sportklub Rapid (1. Wiener Arbeiterfussballverein): Es gibt in der mir zur Verfügung stehenden Literatur keinen einzigen Beweis, dass dieses Datum stimmt, im „Neuen Wiener Tagblatt“ wird der Verein erstmals am 5. Mai 1898 genannt. Mit dieser Nennung des Vereines kann man davon ausgehen, dass die Meldung bei der Vereinsbehörde an diesem Tag erfolgt ist. Alles andere ist – wie auch bei der Vienna und den Cricketern – nur eine nette Geschichte. Bekanntlich steht in der Vereinschronik der Cricketer, dass der Verein bereits 1892 mit dem Fussballspielen begonnen hat, die Vienna bzw. ihre Gründer haben spätestens ein halbes Jahr später wenn nicht sogar zeitgleich mit dem Kicken begonnen. Die offiziellen Gründungsdaten beider Vereine sind jedoch der 22. Bzw. 23. August 1894. Ähnliches gilt in Graz, wo bereits Ende 1893 bzw. mit dem ersten Spiel auf heutigem österreichischen Boden vom 18. März 1894 begonnen wurde. Der damalige Akademisch-Technische-Radfahr-Verein gilt ja auch als Vorläufer des GAK. Für Baden gilt das natürlich auch, da es den Badener AC noch heute gibt. Damit ist auch zu hinterfragen, welches Ziel der SK Rapid bzw. der ÖFB allgemein mit diesem ominösen Datum erreichen will.

Aber gut, das ist halt die österreichische Fussballgeschichte. Der Tagblattpokal findet ja auch nur marginale Erwähnung, obgleich es sich um die erste österreichische Meisterschaft handelt, die in zwei Ligen ausgespielt wurde. Meister wurde dreimal hintereinander der WAC, der damit eigentlich der erste Wiener (österreichische ?) Meister ist. Leider erkennt der ÖFB diese Meisterschaften nicht an. Die Länderspiele, die unter der Patronanz der „Österreichischen Fussball Union“ abgehalten wurden, sind jedoch in den Annalen des ÖFBs vorhanden. Alles ein wenig indifferent. Österreich halt.