Wien. Sie sind das Symbol des roten Wien – die mächtigen Gemeindebauten, die quer über die Stadt verteilt sind. Rote Hochburgen, die bei Wahlen zuletzt Schauplatz harter Auseinandersetzungen von SPÖ und FPÖ waren. Am Mittwoch gab es rund um dieses Symbol einen Ausflug in die Vergangenheit; nachdem Wien vor 13 Jahren den bisher letzten Gemeindebau errichtet hatte und danach stattdessen auf den geförderten Wohnbau setzte. Auf dem Gelände der ehemaligen AUA-Zentrale in der Fontanastraße in Favoriten erfolgte von Bürgermeister Michael Häupl und Wohnbaustadtrat Michael Ludwig der Spatenstich zum Bau des ersten Gemeindebaus seit 2004. Womit eine Ankündigung Häupls bei der SPÖ-Klubklausur in Rust von 2015 nun umgesetzt wird.
Architektur der ersten Bauten
Architektonisch angelehnt an die ersten Gemeindebauten der Zwischenkriegszeit, kann die Errichtung der 120 Gemeindewohnungen aber nicht mit früheren Gemeindebauten verglichen werden. Die Stadt Wien ist nicht (wie einst) Bauherrin, die das komplette Projekt im Alleingang umsetzt. Das übernimmt nun eine Gesellschaft, die von Wiener Wohnen und dem Wohnbauträger Gesiba (er gehört zur städtischen Wien-Holding) gegründet wurden.
Die Miete im Gemeindebau neu ist (wie im „alten“ Gemeindebau) mit 7,50 Euro pro Quadratmeter brutto gedeckelt. Damit bezahlen Gemeindebaumieter nur die Hälfte der Miete – verglichen mit den (brutto) elf bis 15 Euro pro Quadratmeter bei Neuvermietungen auf dem freien Markt. Auch müssen Gemeindebaumieter beim Gemeindebau neu keinen Eigenmittelanteil leisten, keine Kaution hinterlegen, und es gibt auch keine Befristung des Mietvertrages. „Eine 40m2-Wohnung soll nicht mehr als 300 Euro brutto kosten“, bringt Ludwig das Konzept auf den Punkt.
Die Gesamtbaukosten auf den ehemaligen AUA-Gründen werden von der Stadt mit 15,5 Millionen Euro beziffert, wobei die Fördermittel 6,7 Millionen Euro betragen. Fertiggestellt werden soll der neue Gemeindebau im Herbst 2019. Und ihm sollen weitere folgen: „Aktuell sind 28 Standorte mit 3450 neuen Gemeindewohnungen in neun Bezirken in Planung“, sagte Ludwig. Im Jahr 2020 sollen rund 4000 in Umsetzung sein.
Derzeit gibt es in der Bundeshauptstadt mehr als 2000 Gemeindebauten mit 220.000 Wohnungen, die knapp 500.000 Wiener beherbergen. Das entspricht knapp einem Drittel der Einwohner. Mit dem Spatenstich richtete Häupl auch eine Warnung an die künftige schwarz-blaue Bundesregierung: „Wohnen ist ein wesentlicher Bestandteil der Sozialpolitik.“ Nachsatz: „Ich hoffe, die neue Regierung hat ihre Lektion gelernt und lässt sich nichts einfallen, das den sozialen Wohnbau in Wien beeinträchtigt.“ Mit „Lektion gelernt“ spielte Häupl offensichtlich auf den laufenden Prozess gegen Ex-Minister Karl-Heinz Grasser an, dem Unregelmäßigkeiten bei der Privatisierung von Bundeswohnungen (Buwog-Affäre) vorgeworfen werden.
Volksbegehren für Mietrecht
Ludwig setzte nach und bekräftigte seinen Plan, ein Volksbegehren für ein neues, faires Mietrecht zu initiieren – falls Schwarz-Blau nicht reagiere. Zwar würden 60 Prozent der Wiener im geförderten Wohnbau leben. Aber in einem schmalen Segment, bei 28.000 Neuvermietungen im privaten Bereich (in Wien gibt es eine Million Wohnungen), würden die Mieten enorm anziehen, sagte Ludwig. Falls Schwarz-Blau keine Erleichterungen schaffe, werde man „mit einem Volksbegehren testen, ob beide Parteien die direkte Demokratie ernst nehmen“.
Hintergrund: Schwarz-Blau verhandelt über einen Ausbau der direkten Demokratie, wonach eine bestimmte Anzahl von Unterschriften zwingend zu einer Volksabstimmung führt, deren Ergebnis umgesetzt werden muss. (stu)