Dienstag, 1. März 2016

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Basels Gastspiel in St. Etienne: Unerwünschte Gäste
 
Wenn St. Etienne und Basel in der Europa League aufeinandertreffen, dürfen keine Gästefans vor Ort sein - aufgrund des Ausnahmezustands in Frankreich. Das ist aber nur die halbe Geschichte.
 
Die Fans des FC Basel dürfen am heutigen Europa-League-Spieltag weder das Stade "Geoffroy-Guichard", noch das Stadtgebiet von St. Etienne betreten. Reisen sie trotzdem an, und geben sich als Basler zu erkennen, drohen ihnen erhebliche Strafen. Dies geschieht auf Grundlage eines Beschlusses der Präfektur Loire. Seit den Terroranschlägen von Paris herrscht in Frankreich nicht nur der Ausnahmezustand, sondern auch eine erhöhte Repression gegenüber organisierten Fans.
 
Nach Uefa-Richtlinien hätten Basel rund 2000 Karten zur Verfügung gestanden. Ebenso hätten sie sich Tickets für die Heimbereiche kaufen können. Aus dem Umfeld des Vereins ist zu hören, dass das Verbot aufgrund der Entwicklungen in Frankreich nicht gänzlich überraschend kommt. Offiziell bedauert der FC Basel die Entscheidung, bittet seine Fans aber, sie zu akzeptieren.
 
Antoine Boutonnet leitet die Anti-Hooligan-Abteilung der französischen Polizei. Die Basler seien mehrfach gewalttätig aufgefallen. "Momentan haben wir einfach andere Prioritäten, als Fußballspiele in vollem Umfang abzusichern", begründet Boutonnet die Entscheidung. Die Beamten sollen stattdessen lieber die Sicherheit an sensiblen Punkten gewährleisten. Deswegen werde man oft präventiv tätig, um mögliche Konflikte bereits im Vorfeld zu vermeiden, so der Polizist weiter.
 
Gelebte Realität in Frankreich
 
Gästefans vom Spielbesuch auszuschließen ist nicht neu. "Französische Präfekten besitzen diese Möglichkeit mit dem Code du Sport bereits seit 2011" so Pierre Barthélemy, Anwalt des Nationalen Fanverbands ANS. Sie müssen nur beweisen, dass deren Präsenz die öffentliche Ordnung stören und sie deren Aufrechterhaltung nicht gewährleisten können, so der Anwalt weiter. Die Zahl der Ausschlüsse ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Von anfänglich drei Gästeverboten in der Saison 2011/12, auf durchschnittlich 30 in den vergangenen Spielzeiten. Betroffen sind vor allem Vereine mit starkem Fanaufkommen wie Marseille, St. Etienne, PSG, Lyon oder Bordeaux.
Für die französischen Behörden sind die Artikel 5 und 8 des Notstandsgesetzes ein Instrumentarium mit praktischen Begleiterscheinungen. Seit Inkrafttreten des Ausnahmezustands im vergangenen November wurden bereits über 180 Gästeverbote ausgesprochen - quer durch alle Ligen.
Der Fußball und seine Fans besitzen in Frankreich traditionell nicht den Stellenwert, wie beispielsweise in Deutschland. Der Soziologie Nicolas Hourcade sagt: "Fußballfans haben in der französischen Gesellschaft ein sehr schlechtes Image, auch wenn es historisch betrachtet im französischen Fußball, außer in Paris, kein großes Problem mit Hooliganismus gibt."
Hourcade geht noch weiter: "Diese Einstellung spiegelt sich auch bei der französischen Polizei wider, die vor allem Auswärtsfans als Problem ansieht und es einfacher fände, wenn es gar keine gäbe." Diese Einstellung nimmt derart kuriose Züge an, dass man zum Spiel Troyes gegen Rennes sogar den Heimfans verboten hatte, sich an einem zentralen Ort in ihrer eigenen Stadt zu treffen. Begründung: Man müsse dafür sorgen, dass der Ausverkauf in den zahlreichen Factory Outlets der Stadt reibungslos ablaufen kann.
 
Hinzu kommt die vermeintlich schlechte Ausbildung der Polizei im Umgang mit Gästefans. Am Wochenende hat in Reims ein Ultra vom SC Bastia nach einer Konfrontation mit der Polizei sein Augenlicht verloren. Während die Staatsanwaltschaft sagt, er sei gestolpert, erheben die Fans schwere Vorwürfe: Ein Flashball-Gummigeschoss der Polizei habe ihn getroffen. Einen weiteren Vorfall gab es im Spiel zwischen Paris Saint Germain gegen Chelsea, als ein Polizist nach dem Torjubel der Engländer sein Pfefferspray zog.
 
Neues Fangesetz liegt beim französischen Senat
 
Nach den Anschlägen hatte Präsident Hollande gesagt, dass sich die Leute vom Terror nicht einschüchtern lassen und weiter ins Stadion gehen sollen. Nun scheint gerade die sozialistische Regierung bevorzugt auf Repression zu setzen.
In der Nationalversammlung wurde ein neues Fangesetz zur Verabschiedung an den Senat weitergereicht. Es sieht unter anderem vor, dass Vereine eigenmächtig Fans mit Stadionverboten belegen können. Dies ist bis jetzt Privileg des Staates. Der einzige Verein, der dies dennoch praktiziert, ist PSG. Die Gesetzgebung wird nun geändert, um diese Praxis zu legalisieren, so Hourcade. Dabei ist PSG in den vergangenen Jahren aber nicht nur gegen Gewaltbereite, sondern auch gegen jene vorgegangen, die sich kritisch gegenüber dem Geldgeber aus Katar geäußert haben.

 
Anwalt Barthélemy sieht das Gesetz ebenfalls sehr kritisch. Der Vorschlag sei alt und ein Vorwand, um die Rechte der Polizei zu stärken. Gleichzeitig würde es aber PSG dienen. "Weder die Fans, noch die anderen Vereine der Liga wurden konsultiert", so Barthélemy weiter. Er bekräftigt, dass es kein Problem mit Hooliganismus, stattdessen aber eines mit zahlreichen Übergriffen der Polizei auf kritische Fans gäbe.
 
Im Sommer veranstaltet Frankreich die Euro 2016. Dann werden bis zu acht Millionen Besucher aus dem Ausland erwartet. Boutonnet ist überzeugt: "Die französische Polizei ist gut vorbereitet." Man dürfe auch nicht den Fehler begehen, Fans aus dem Ligabetrieb mit denen des Turniers gleichzusetzen. Das stimmt. Die Zahlen französischer Gästefans sind weitaus geringer. Ob man eine Europameisterschaft im Sommer reibungslos ausrichten kann, wenn bereits bei Ligaspielen derartige Probleme auftreten, bleibt abzuwarten.