Sonntag, 21. Februar 2016

Fremdenführungen mal anders

Streit um „hässlichste“ Tour durch Wien

Sind die Gewerbevorschriften für Fremdenführer zu streng? Eine Debatte darüber überschattet derzeit die Aktivitäten zum Welttag der Fremdenführer am Sonntag. Anlass ist eine Strafe für eine illegale Tour zu Wiens hässlichsten Häusern.
380 Euro - so hoch ist die Verwaltungsstrafe, die das Marktamt über den Kulturaktivisten Eugene Quinn verhängte. Der Grund: Er ist kein geprüfter Fremdenführer. Seit Mai 2015 führt er jedoch unter dem Titel „Vienna Ugly“ einmal im Monat zu den seiner Meinung nach hässlichsten Häusern Wiens - als Kontrapunkt zum „Walzer-Märchen- und Sachertorten-Image“ der Stadt, wie er sagt. Darunter sind auch Gebäude berühmter Architekten - mehr dazu in Stadttour: Die hässlichsten Häuser Wiens.
Eugene Quinn mit Gebäude
ORF/Evelyn Kanya
Teil von „Vienna Ugly“: Das Gesundheits- und Verkehrsministerium

„Mehr Luft für Neues“

Touristen und Wienern gefallen die hässlichen Seiten Wiens offensichtlich, zur Führung Ende Jänner kamen rund 130 Leute, fünf Euro verlangt Quinn pro Person. Dass er die Tour nur als gewerblich geprüfter Fremdenführer anbieten darf, findet der gebürtige Ire falsch: „Natürlich ist es gut, wenn die Reiseführer wissen, worüber sie reden, aber wir brauchen in der Stadt mehr Luft für Neues.“ Die strenge Gewerbeordnung behindere Innovation, so Quinn gegenüber Radio Wien. Er plädiert für ein flexibleres System, man brauche beispielsweise nicht für jede Stadtführung Geschichtswissen.
 

Zweijährige Ausbildung für 4.600 Euro

970 gewerblich befugte Fremdenführer sind derzeit in Wien laut Wirtschaftskammer Wien (WKW) aktiv. Sie mussten dazu eine strenge Befähigungsprüfung bestehen, bei der etwa Geschichtswissen und politische Bildung abgefragt werden. Vorbereitungskurse bietet unter anderem das WIFI an, sie dauern dort zwei Jahre und kosten 4.600 Euro.
 
Das sei eine notwendige Qualitätssicherung, argumentierte Markus Grießler, Tourismusspartenobmann in der WKW. „Die Fremdenführerinnen und Fremdenführer sind die Visitenkarte, die die Stadt gegenüber unseren Gästen hat“, so Grießler zu Radio Wien. Die geprüften Fremdenführer würden den Wiedererkennungswert von Wien so fördern, dass Lust gemacht werde, wiederzukommen. Darum sei es wichtig, dass es eine Ausbildung gebe, „die durchaus selektiv ist“.
Der Anlass für die Debatte: Die Tour „Vienna Ugly“
 
Auch eine Teilliberalisierung kann sich Grießler nicht vorstellen - es wäre in der Praxis schwierig, eine Trennung zwischen Erlaubtem und Nichterlaubtem zu ziehen. Den Vorwurf mangelnder Innovation wies er zurück, die Fremdenführer seien für neue Ideen sehr offen - und auch für Kooperationen.

Verfassungsrechtler kritisiert Vorschriften

Kritik an der aktuellen Regelung übt hingegen auch Verfassungsrechtler Heinz Mayer im Interview mit Radio Wien - er ortete einen Eingriff in die Erwerbsausübungsfreiheit. „Ich sehe bei Fremdenführern kein öffentliches Interesse daran, dass sie nur besonders qualifizierte Personen zulassen“, so Mayer. Ein Fremdenführer, der nichts tauge, würde ohnehin nicht lange tätig sein und vom Markt verschwinden - und zwar ohne großen Schaden angerichtet zu haben. Anders sei das beispielsweise in Bereichen, wo es um Gesundheit gehe, wie bei Skilehrern, wo durch falschen Unterricht Verletzungsgefahr herrschen könnte.
Verfassungsjurist Heinz Mayer
APA/HERBERT PFARRHOFER
Heinz Mayer sieht keine verfassungsrechtliche Grundlage für die Fremdenführervorschriften
Im aktuellen Programm der Bundesregierung ist auch eine Modernisierung der Gewebeordnung vorgesehen. Bei den Fremdenführern gebe es derzeit jedoch keine konkreten Überlegungen, den Beruf in ein freies Gewerbe umzuwandeln, erklärte dazu das Wirtschaftsministerium auf Anfrage. In den meisten EU-Ländern mit starkem Tourismus sei das Gewerbe reglementiert, etwa in Italien, Griechenland, Frankreich. Einen freien Zugang gibt es laut einer Information der WKW unter anderem in Deutschland, Großbritannien und Dänemark.

18 illegale Fremdenführer im Vorjahr bestraft

Rund 300 Fremdenführer kontrollierte das Wiener Marktamt (MA 59) im vergangenen Jahr, unter anderem im Zuge von vier Schwerpunktaktionen gemeinsam mit WKW und Polizei. Dabei seien 18 Übertretungen der Gewerbeordnung festgestellt worden und Anzeige erhoben worden, teilte das Amt auf Anfrage mit.

Gratisführungen als „Touristennepp“

Die Debatte über die Regulierung des Fremdenführerberufs überschattet die Aktivitäten rund um den 27. Welttag der Fremdenführer, der am Sonntag begangen wird. Mit „Unmut“ beobachte man die „steigende Zahl an Amateuren und unqualifizierten Mitbewerbern, die für unlauteren Wettbewerb in ihrer Branche sorgen“, so die Fachgruppe der Fremdenführer in der WKW in einer Aussendung zu den Feierlichkeiten.
 
Seit wenigen Jahren würden verstärkt "Gratisfremdenführungen“ angeboten, bei denen oftmals überhöhte Trinkgeldbeträge verlangt würden, ärgerte sich die Fachgruppe. „Das ist schlicht und einfach Touristennepp. Viele dieser Leute verfügen nicht einmal über das grundlegende Basiswissen eines Fremdenführers und vermitteln ein völlig falsches Bild unserer Stadt“, wird Obfrau Gertraud Schmidt zitiert.
In einem Schreiben an ihre Mitglieder kündigte Schmidt am Mittwoch zudem weitere Schritte gegen Quinn an: Es werde eine schriftliche Abmahnung über den Schutzverband gegen unlauteren Wettbewerb ergehen, zudem habe man das Marktamt erneut informiert.

Fortsetzung der Tour trotz Strafe

Quinn überlegt währenddessen noch, ob er die Strafe von 380 Euro zahlen wird oder die Behörden gerichtlich herausfordert. Er wolle nun einen Kurs belegen, um mehr über österreichische Geschichte zu lernen - aus Interesse, wie er betont. Seine Stadtführungen zu den hässlichsten Häusern Wiens will er in jedem Fall fortführen: „Wir besuchen die dunkle Seite von Wien, und die Strafe ist ein Teil von diesem institutionellen Denken. Wir kämpfen dagegen und lächeln ein bisschen darüber, wie Wien läuft - konservativ und ein bisschen verstaubt, aber gleichzeitig eine wunderschöne Stadt.“
Evelyn Kanya, wien.ORF.at