Hermann Ehrhardt (* 29. November
1881 in Diersburg;
† 27. September
1971 in Brunn am Walde) war ein deutscher Marineoffizier sowie antisemitischer, deutschnationaler, republikfeindlicher Freikorpsführer
und Putschist während der Weimarer Republik.
Ehrhardt gehörte zunächst als Führer der nach ihm benannten Marine-Brigade Ehrhardt zu den bekanntesten
Freikorpsführern der Jahre nach dem Ersten Weltkrieg.
Die Brigade nahm teil am Kampf gegen die Installierung einer parlamentarischen Demokratie in der Novemberrevolution und gehörte später zu den
Hauptakteuren gegen ebendiese Republik während des Kapp-Putsches
vom März 1920. Nach der erzwungenen Auflösung gründete Ehrhardt aus den
Überresten der Einheit die Organisation Consul, die für zahlreiche
politische Fememorde in der Weimarer Republik
verantwortlich ist. Ehrhardt wurde in eine Pastorenfamilie hineingeboren. Weil
er als Primaner seinen Klassenlehrer aus verletztem Ehrgefühl geohrfeigt hatte,
musste er das Gymnasium in Lörrach verlassen und trat 1899 als Seekadett
in die Kaiserliche Marine ein. Dort absolvierte
Ehrhardt eine Marineoffizierslaufbahn, während der er unter anderem 1904 als Leutnant zur See
an der Niederschlagung des Hereroaufstands in Deutsch-Südwestafrika unter Oberstleutnant
Ludwig von Estorff teilnahm.
Bei Beginn des Ersten Weltkriegs war Ehrhardt
als Kapitänleutnant Chef der 20. Torpedoboot-Halbflottille.
In der Skagerrakschlacht nahm seine Gruppe (seit
Februar 1915 17. Torpedoboot-Halbflottille) an der Versenkung des englischen
1000-Tonnen-Zerstörers HMS Nomad teil, wobei sie aber selber
das Führerboot V 27 verlor. Ehrhardts Halbflottille wurde im
Oktober 1916 nach Flandern verlegt und fuhr von dort Vorstöße in den Ärmelkanal
zur U-Boot-Sicherung. 1917 wurde Ehrhardt zum Korvettenkapitän befördert, im September des
Jahres wurde er Chef der IX. Torpedoboot-Flottille und blieb bis Kriegsende in
dieser Funktion. Bei Kriegsende führte auch er seine Einheit nach Scapa Flow,
wo sie sich 1919 selbst versenkte. Ehrhardt kehrte bereits zuvor mit einem
Großteil der ehemaligen Besatzungen auf einem Transportschiff nach
Wilhelmshaven zurück. Als dessen Mannschaft angesichts des gefährlichen
Minensperrgürtels vor der deutschen Küste meuterte und die Weiterfahrt
verweigerte, übernahm Hermann Ehrhardt mit Gewalt das Kommando und brachte das
Schiff sicher nach Wilhelmshaven.
Nach Kriegsende kehrte Ehrhardt nach Wilhelmshaven
zurück, wo mittlerweile Bernhard Kuhnt erster Präsident des
neugegründeten Freistaates Oldenburg war. Am 27. Januar 1919
riefen Kommunisten die „Räterepublik Wilhelmshaven“ aus. Ehrhardt sammelte etwa
300 Mann um sich, meist Berufssoldaten, und erstürmte mit diesen am selben Abend die
1.000-Mann-Kaserne,
das Hauptquartier
der revolutionären Matrosen. Unter dem Einsatz von Bootskanonen brach der
Widerstand schnell zusammen. Nun wurde die Gründung einer
Freiwilligen-Formation vorangetrieben.
Am 17. Februar 1919 war die Aufstellung der II. Marine-Brigade Wilhelmshaven abgeschlossen.
Ab dem 1. März nannte sie sich nach ihrem Führer Marine-Brigade Ehrhardt. Sie
gliederte sich (zum Zeitpunkt ihres Einsatzes in München
im April/Mai 1919) in die Offiziers-Sturm-Kompanie, die Kompanie Wilhelmshaven, die Marine-Regimenter
3 und 4, einen Flammenwerferzug,
die 1. und 2. Minenwerfer-Kompanie, die 1. und 2. Pionier-Kompanie sowie eine Batterie leichter Feldhaubitzen (Kaliber 10,5 cm)
und eine Batterie Feldkanonen (Kaliber 7,7 cm). Die Gesamtstärke
betrug zu diesem Zeitpunkt etwa 1.500 Mann.
Nachdem Werbung, Aufstellung und Ausbildung
abgeschlossen waren, erhielt die Brigade im April 1919 den Befehl, unter dem
Oberkommando des Generals Georg Ludwig Rudolf Maercker gegen die Revolution in Braunschweig einzuschreiten.
Den Freikorps stellte sich kein Widerstand entgegen, die Revolutionsführer
flohen.
Der 37-jährige Ehrhardt war nicht bereit,
Niederlage, Revolution und die neuen Machthaber anzuerkennen. Mit seinem Freikorps
hatte er sich das Mittel geschaffen, diesem Willen Ausdruck zu verleihen. Quer
durch Mitteldeutschland schlug Ehrhardts Brigade Unruhen nieder, um am 30.
April 1919 in Oberschleißheim zum Sturm auf die Münchner Räterepublik anzutreten. Die
verbündeten Freikorps gingen mit aller Brutalität gegen die aufständischen
Arbeiter vor. Am 2. Mai waren die Kämpfe im Wesentlichen beendet. Im Juni wurde
die Brigade in Berlin gegen einen Verkehrsstreik eingesetzt, im August gegen
den ersten polnischen Aufstand in Oberschlesien.
Gegen Ende des Jahres 1919 wurde die Truppe mit Heimkehrern ehemaliger
Baltikumeinheiten aufgefüllt, so dass sie auf etwa 4000 Mann anwuchs. Den
Jahreswechsel 1919/20 verbrachte Ehrhardt mit seinen Männern in Ruhestellung
auf dem Truppenübungsplatz Döberitz bei Berlin.
Diese Ruhezeit wurde unter anderem für politische Vorträge genutzt; die
Marine-Brigade Ehrhardt radikalisierte sich. Ehrhardt begann, den „Marsch auf
Berlin“ zu planen.
Mit General Walther von Lüttwitz, seit Oktober 1919 Führer
des Berliner Reichswehrgruppenkommandos I, und dem Politiker Wolfgang Kapp
fanden sich zwei Männer, die entschlossen waren, die Ergebnisse der Revolution
rückgängig zu machen. Nachdem die Reichsregierung bereits Anfang März 1920 auf
Druck der Alliierten, die die Erfüllung des Versailler Friedensvertrags überwachten,
die Auflösung der Marine-Brigade Ehrhardt und weiterer Freikorps bestimmt
hatte, war diese nun bereit, gegen die Regierung vorzugehen. Am 12. März trat
der bei den Rechtsradikalen verhasste Finanzminister Matthias Erzberger zurück, was der
antidemokratischen Bewegung zusätzlichen Auftrieb gab. Lüttwitz protestierte
gegen die Auflösung der Freikorps, indem er den Rücktritt des Reichspräsidenten
und der Reichsregierung forderte. Er wurde daraufhin entlassen. So begann am
13. März 1920 der Kapp-Lüttwitz-Putsch: Lüttwitz stellte sich an die Spitze der
Marinebrigade Ehrhardt und besetzte mit ihr das Berliner
Regierungsviertel.
Die Reichsregierung um Reichspräsident Friedrich Ebert
und Reichskanzler Gustav Bauer wich jedoch zuerst eintägig nach Dresden,
dann für vier Tage nach Stuttgart aus. Durch Generalstreik und passives Abwarten
öffentlicher Stellen war der ohnehin überstürzt geplante Putsch von vornherein
zum Scheitern verurteilt. Die Reichswehr stellte sich nahezu geschlossen gegen
die neue Regierung, die Arbeiterschaft streikte vollständig, die Kapp-Regierung
entwarf ein paar Flugblätter und gab am 17. März auf. Die Marinebrigade
marschierte zurück nach Döberitz. Am 30. März 1920 nahm Korvettenkapitän
Hermann Ehrhardt die letzte Parade seines Freikorps ab. Er selbst wurde am 10.
September ehrenhaft aus der Reichsmarine entlassen; die Marine-Brigade Ehrhardt war
bereits zum 31. Mai aufgelöst worden. Gegen Ehrhardt erging ein Haftbefehl, dem
er sich jedoch durch die Flucht nach München entziehen konnte, wo er zunächst
nicht mehr strafrechtlich verfolgt wurde.
Nach dem Ende der Marine-Brigade Ehrhardt
wurden Teile der Freikorps-Soldaten in die reguläre Reichswehr
eingegliedert. Der Rest der Einheit formierte sich im Herbst 1920 zur Organisation Consul, einer rechtsradikalen
Untergrundorganisation, die mit Attentaten auf sich aufmerksam machte. Die
Morde an dem ehemaligen Finanzminister Matthias Erzberger (26. August 1921) und
dem Außenminister Walther Rathenau (24. Juni 1922) und der
Mordversuch an dem ehemaligen Ministerpräsidenten Philipp Scheidemann (4. Juni 1922) wurden von
ehemaligen Ehrhardt-Offizieren geplant und begangen. In der Folge des Mordes an
Erzberger floh Ehrhardt vor einer drohenden Verhaftung nach Ungarn. In
Abwesenheit ihres Leiters zerfiel die Organisation Consul nach und nach. Otto Pittinger,
der Führer der moderat-rechten Bewegung in Bayern, nutzte die Gelegenheit und
versuchte, die Ehrhardt-Gruppe für sich zu gewinnen und zu entradikalisieren.
So entstand der sogenannte Neudeutsche Bund, der die alten Kämpfer der
Brigade Ehrhardt zu bündeln versuchte. Auch der aus dem Exil zurückkehrende
Ehrhardt selbst schloss sich der Entwicklung an, wurde aber schließlich im
November 1922 verhaftet.
Aus dem Gefängnis heraus wies Ehrhardt 1923
den loyalen Kapitänleutnant Eberhard Kautter an, den Neudeutschen
Bund zu reorganisieren. Nach der Neuformung wurde daraus der Bund Wiking,
der im ganzen Reich operierte und nach eigenen Angaben etwa 10.000 Mitglieder
hatte. Im Juli 1923 floh Ehrhardt aus der Haft zunächst in die Schweiz, bis er
am 29. September wieder nach München zurückkehrte. Als Anhänger der
konservativen Gruppe um Ministerpräsident Gustav Ritter von
Kahr wandte sich Ehrhardt dann am 8./9. November 1923 gegen den Hitler-Ludendorff-Putsch.
Ehrhardt zog seine Truppen – hauptsächlich aus Formationen des Bundes Wiking
bestehend – in Oberfranken zusammen und war bereit, gegen Hitler
zu marschieren. Doch dazu kam es nicht, denn der Putsch scheiterte schon in
München.
Schon früh hatte Ehrhardt Kontakt zu Adolf
Hitler und seiner nationalsozialistischen Bewegung. Als Ernst Röhm
für die Gründung seiner Sturmabteilung (SA) erfahrene Männer suchte, die den neuen
Verband führen konnten, wandte er sich an Ehrhardt. Dieser wollte jedoch
zunächst nichts mit Hitler zu tun haben und schimpfte: „Herrgott, was will der
Idiot schon wieder?“ Schließlich ließ er sich jedoch von Röhm überreden und
überstellte mehrere seiner Männer an Hitler. Der Leutnant der Organisation
Consul Hans Ulrich Klintzsch wurde Leiter der SA, der
Ehrhardt-Mann Alfred Hoffmann wurde Stabschef. Schon zwei Monate später
beendete Ehrhardt jedoch seine Verbindung mit der Hitler-Bewegung und der SA
und zog auch einige seiner Männer zurück.
Nach dem Putsch von 1923 hatte Ehrhardt sein
Ansehen bei den rechtsradikalen Kräften in München verloren. Er wurde als
Verräter betrachtet, da er sich gegen Hitler gestellt hatte. So verlor auch der
Bund Wiking an Bedeutung. Im April 1924 floh Ehrhardt abermals vor der
strafrechtlichen Verfolgung aus dem Deutschen Reich nach Österreich und kehrte
im Oktober 1926 nach einer Amnestie des neuen Reichspräsidenten Paul von Hindenburg zurück. Der Bund Wiking
hatte in der Zwischenzeit so sehr an Bedeutung eingebüßt, dass Ehrhardt sich
genötigt sah, Verhandlungen mit dem Stahlhelm aufzunehmen, in dem der Bund
aufgehen sollte. Auch diese Verhandlungen scheiterten und am 27. April 1928
wurde der Bund Wiking schließlich aufgelöst.
Die von Ehrhardt gemeinsam mit Hartmut Plaas
im Jahre 1931 gegründete „Gefolgschaft“ vereinigte noch einmal 2.000 seiner
Anhänger sowie enttäuschte Nationalsozialisten und Kommunisten, die eine
Machtübernahme Hitlers verhindern wollten und vor allem die Demagogie
der NSDAP anprangerten. Im
selben Jahr unterhielt Ehrhardt Beziehungen zu Otto Strasser
und dem „linken“ Flügel der NSDAP, woraus sich aber für ihn auch nichts weiter
ergab. 1933 hatte Ehrhardt seinen Unterschlupf auf dem von ihm erworbenen
ehemaligen Gut des Grafen von Bredow
in Kleßen,
Westhavelland. Am 28. Juni 1933 meldete die "Westhavelländische
Tageszeitung": "Kapitän Ehrhardt bekennt sich zur NSDAP", habe
die Reichsführung SS mitgeteilt. Er wäre "persönlich in die Partei
eingetreten" "und hat sich mit seinem Wehrverband, der Brigade
Ehrhardt, dem Reichsführer SS unterstellt". Angeblich war auch Ehrhardts
Leben in Gefahr: Gemeinsam mit vielen anderen alten Gegnern Hitlers sollte er
Opfer des „Röhm-Putsches“ im Juni/Juli 1934 werden. Er floh jedoch
rechtzeitig zunächst vor den SS-Leuten,
die ihn ermorden sollten, in einen nahe seinem Gut gelegenen Wald, später dann
in die Schweiz.
1936 ging er nach Österreich, wo er in Brunn am Wald im Bezirk Krems an der Donau das herrschaftliche Gut
betrieb und mit seiner Familie auf Schloss Brunn am Wald wohnte. Das Gut Kleßen
wurde 1937 verkauft. Er lebte in der Folgezeit als Landwirt und war bis zu
seinem Tode 1971 nicht mehr politisch oder militärisch aktiv.
Am 13. August 1927 hatte Ehrhardt in Neuruppin
Margarethe Viktoria Prinzessin zu Hohenlohe-Öhringen (1894–1976) geheiratet. Aus
der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Marie Elisabeth und Hermann Georg. 1948
wurde Ehrhardt österreichischer Staatsbürger. Ehrhardt ist ebenso wie seine
Gattin Margarete auf dem Gemeindefriedhof in Lichtenau im Waldviertel bestattet.