Gewalttätige Fußball-Fans Deeskalation per Twitter
Die Frankfurter Polizei geht im Kampf gegen Fan-Gewalt neue
Wege. Doch es gibt Anhänger, die sich verweigern. Eintracht-Vorstand Hellmann
warnt vor rechten Gruppen.
25.01.2014, von Michael Ashelm, Frankfurt
Ausufernde Fan-Gewalt ist auch für die
Frankfurter Eintracht ein schwieriges Thema. Beim Europa-League-Spiel in
Bordeaux randalierte eine Ultra-Gruppe und überrannte das Kassenhäuschen, vor
Weihnachten überfielen gewalttätige Eintracht-Anhänger ein Hotel im Frankfurter
Europaviertel, in dem Fans des Europapokalgegners Nikosia wohnten, und
zerstörten den Eingangsbereich. „Wir erkennen im Moment den Trend, dass doch
der überwiegende Teil der Fans Gewalt und auch Pyrotechnik ablehnt, sich auf
der anderen Seite aber Splittergruppen bilden, die nun außerhalb des Stadions
gezielt Gewalttaten verüben und sich exzessiv austoben. Wir haben es hier mit
einem gesellschaftspolitischen Problem zu tun. Das ist kein Fußball-Phänomen“,
sagt Eintracht-Vorstand Axel Hellmann dieser Zeitung.
Autor: Michael Ashelm, Redakteur in der Wirtschaft. Folgen:.
Hintergrund ist die aufflammende
Gewaltdiskussion im deutschen Fußball. Innenminister und Polizeigewerkschaften
warnen zum Beginn der Rückrunde vor einer neuen Brutalität. Auch Hellmann sieht
es so, dass lange Zeit wohl zu holzschnittartig Pyrotechnik mit Gewalt
gleichgesetzt wurde, statt sich dem eigentlichen Gewaltproblem zuzuwenden. In
Köln hätte vergangenen Samstag nicht viel gefehlt, und ein Fan wäre an seinen
Kopfverletzungen gestorben. Kölner und Schalker Anhänger hatten sich anlässlich
eines Testspiels eine Straßenschlacht geliefert.
„Keinen Respekt vor
der Polizei“
Bei der Frankfurter Polizei befassen sich
vier Beamte rund um das Jahr mit gefährlichen Entwicklungen unter den Eintracht-Fans.
Diese sogenannten szenekundigen Beamten beobachten verschiedene Gruppen,
beschäftigen sich mit neuen Strömungen. Die Polizei in Frankfurt ist daran
interessiert, einerseits einen Dialog zu den Problemfans aufzubauen und
zugleich auch der großen Mehrheit der friedlichen Anhänger jetzt noch offener
gegenüberzutreten. So werden mit der Partie am Samstag gegen Hertha BSC bei
jedem Heimspiel Informationen über den Twitter-Kurznachrichtendienst zu den
jeweiligen Einsätzen im und am Station sowie bei der Anreise öffentlich
vermeldet. Ein Pilotprojekt. Es soll vermieden werden, dass sich über „stille
Post“ falsche Nachrichten verbreiten. „Wir wollen unsere polizeilichen
Maßnahmen damit für die Fans transparenter machen. Es geht um Deeskalation und
Kommunikation“, sagt Ulf Stamer, selbst einer der szenekundigen Beamten und
Ermittlungs-Gruppenleiter bei der Frankfurter Polizei.
Stamer betont, dass die Zusammenarbeit mit
den zuständigen Stellen beim Verein „sehr gut“ funktioniere und die Zahl der
Strafanzeigen gegen gewalttätige Fans in Zusammenhang mit Eintracht-Spielen
nicht zugenommen hätte. „Aber das heißt nicht, dass wir uns zurücklehnen
können. Das Thema Gewalt bei Fußballspielen haben wir weiterhin fest im Blick.“
Das zielt in die Richtung der Erkenntnisse des Eintracht-Vorstands Hellmann.
Denn es gibt bei der Frankfurter Polizei eben auch Bedenken gegen einzelne
Untergruppen der Ultra-Bewegung, die an diesem Standort zu den ältesten und
größten in ganz Deutschland gehört. „Es gibt Gruppierungen, die mehr wollen,
als nur Fahnen zu schwenken. Diese Leute suchen die Auseinandersetzung mit
Gästefans und der Polizei. Die wollen auch nicht mit uns kommunizieren. Das
fängt schon bei 14-, 15-Jährigen an“, sagt Stamer. Diese lehnten alle Formen
von Obrigkeit strikt ab und blieben bei gemeinsamen Treffen des Fan-Beirats mit
der Polizei auch immer fern. „Da gibt es auch keinen Respekt vor der Polizei.
Und Fans, die mit uns reden, werden als Spitzel betrachtet“, sagt Stamer.
Bessere Überwachungskameras
Die größte Gewaltbereitschaft geht nach
Informationen der Polizei in Frankfurt von der Fan-Gruppe „Ultras Never
Surrender“ aus (Übersetzung: Ultras geben sich niemals geschlagen). Es handelt
sich nach Angaben Stamers um etwa 50 Leute, die bisher weder über Fanprojekte noch
über die szenekundigen Polizeibeamten zu erreichen sind. Eintracht-Vorstand
Hellmann stellt weitere Bedenken an. „Wir müssen auch in Frankfurt aufpassen,
dass sich nicht wie schon an anderen Standorten in Deutschland rechte Gruppen
im Fußball einnisten. Das wäre sehr gefährlich. Dort ist das Gewaltpotential
noch wesentlich höher“, sagt er.
Währenddessen hat der Bundesligaklub weiter
in Sicherheitstechnik investiert und sieht sich da (anders als derzeit auf
sportlichem Gebiet) ganz vorne. Im Stadion gibt es eine neue Leitstelle mit
modernster Videotechnik, um Gewalttäter schnell zu identifizieren. Zudem
verfügt die Eintracht über eine mobile Videoanlage für die Auswärtsspiele, um
Bildbeweise bei Auseinandersetzungen oder Zünden von Pyrotechnik zu sichern. So
können Strafen des Deutschen Fußball-Bundes für den Verein beteiligten Tätern
später in Rechnung gestellt werden.