Die Geschichte rund um Zygmund
Baumann ist eine zweischneidige. Einerseits ist dieser Mensch Zeit seines
Lebens gegen Antisemitismus aktiv, andererseits war er auch fast zehn Jahre
lang damit beschäftigt, alte Rechnungen zu begleichen und war beim damaligen
polnischen Geheimdienst Ministerstwo Bezpieczeństwa Publicznego (Ministerium für Öffentliche Sicherheit,
MBP) angestellt. Dieses Instrument, von den Sowjets 1944 aufgestellt und
kontrolliert hat als erste Handlung nach der Befreiung Polens von den Deutschen
den politischen und militärischen Widerstand gebrochen, soferne er nicht
kommunistisch war. Die „Polnische Heimatarmee“ – 1944 für den zweiten
Warschauer Aufstand verantwortlich – war das erste Opfer, so gut wie alle
Kommandeure und führenden Offiziere wurden verhaftet, viele verschwanden auf
immer.
Baumann war ein nicht unpromminenter Mitarbeiter dieses MPB. Er ist –
unabhängig davon dass er jüdischen Glaubens ist – dadurch in Polen nicht
unumstritten, zu tief sind die Wunden die die kommunistisch-stalinistische
Herrschaft nach 1945 den Polen geschlagen haben. Dass gerade Baumann jetzt über
Verfolgung und Antisemitismus in Polen Referate hält, stösst vielen Leuten
sauer auf. Für sie ist die Arbeit in diesem Ministerium gleichbedeutend mit der
stalinistischen Säuberung der Endvierziger und Anfangsfünfziger Jahre. Baumanns
Rolle in diesem Ministerium ist ausserdem bis heute umstritten, zwar hat er nie
ein Hehl daraus gemacht, dass er Mitarbeiter war, vieles von dem was er damals
machte ist noch heute im Dunklen, die sowjetischen Archive sind noch
versiegelt.
Baumann war damals unter dem Decknamen „Semjon“ vor allem mit der
Zerschlagung des antikommunistischen Widerstandes in Polen betraut, vor allem
die sogenannten „Verstossenen Soldaten“ stand auf den Fahndungslisten des MPB.
Der Kampf gegen die neun verschiedenen Organisationen dauerte von 1944/45 bis
1963. Der letzte „Verstoßene Soldat“ – Józef Franczak –
wurde am 21. Oktober 1963 in der Nähe von Piaski getötet.
Im Übrigen gab es noch einen im deutschsprachigen Raum bekannten Menschen,
der nicht unpromminent – als Kommandant der polnischen Spionage in
Grossbrittanien – tätig war: Marcel Reich Ranicki.
Die verschiedenen Gruppen des
antikommunistischen Widerstandes:
- Wolność i Niezawisłość (WiN) – Freiheit und Unabhängigkeit
- Narodowe Siły Zbrojne (NSZ) – Nationale Streitkräfte
- Narodowe Zjednoczenie Wojskowe (NZW) – Nationale Militärvereinigung
- Konspiracyjne Wojsko Polskie (KWP) – Polnische Untergrundarmee
- Ruch Oporu Armii Krajowej (ROAK) – Widerstandsbewegung der Heimatarmee
- Armia Krajowa Obywatelska (AKO) – Bürgerliche Heimatarmee
- NIE (Abkürzung des Wortes Niepodległość – Unabhängigkeit)
- Wolność i Sprawiedliwość (WiS) – Freiheit und Gerechtigkeit
Das MPB war auch unter dem Namen Urząd
Bezpieczeństwa oder UB
bekannt. Es existierte zwischen 1944 und 1954. Baumann selber emigrierte nach
der Märzkrise 1968 (im Zuge des Sechstagekrieges gab es Spannungen in Polen da
die damalige Regierung von einer „Zionistischen Fünften Kolonne“ sprach, die
das imperialistische Israel unterstützen soll) nach Israel.