Da der verlinkte NDR Artiktel nicht mehr online ist, ist er hier nochmal zum nachlesen:
96 kommt aus dem Stimmungstief nicht raus
von Oliver Weiße
Nein, es ist am Sonnabendnachmittag nichts geworden mit dem erhofften Befreiungsschlag für Hannover 96. Nicht auf dem Rasen und nicht auf den Rängen. Der Verein bleibt nach der Niederlage gegen Bayern München im Abstiegskampf und die Fans stecken weiter im Stimmungstief. Sportlich hatte 96 einfach Pech mit einem Schiedsrichter, der mit zwei Fehlentscheidungen den Bayern-Sieg ebnete. Das andere Problem, das Hannover derzeit umtreibt, bleibt aber ein hausgemachtes.
Stimmung schon zweitklassig
Dass 96 stimmungsmäßig in der Bundesliga mittlerweile nicht mehr konkurrenzfähig ist, daran hat auch der am Donnerstag von der Vereinsführung veröffentlichte offene Briefnichts geändert. Die Heimspiele der Roten sind gewissermaßen zu verkappten Auswärtsspielen verkommen. Oftmals sind die Gästefans lauter als die Anhänger der Roten. Das war auch Vereinschef Martin Kind nicht verborgen geblieben. Mit dem Brief sollten vor dem Spiel gegen den amtierenden Deutschen Meister nun die Fans wieder ins Boot geholt werden. Doch der erhoffte Effekt blieb aus. Wieder gab es wie seit Monaten "Kind muss weg"-Rufe. Doch diesmal schienen die Rufe gegen Hannovers Vereinsboss lauter als jemals zuvor. Wieder reagierten andere Anhänger mit Pfiffen oder versuchten, die Rufe der Kind-Gegner zu übertönen. Dazu stimmten auch die mitgereisten Fans der Münchener lauthals "Kind muss weg" an - und das Wirrwarr war perfekt.
Gräben werden immer tiefer
Seit Monaten geht dieses Spiel mittlerweile so. Das Ergebnis ist die wohl schlechteste Stimmung auf den Rängen in Hannover seit vielen, vielen Jahren. Der Riss spaltet nicht nur Teile der Anhängerschaft und die Vereinsführung um Kind. Auch die Fans der Roten sind sich untereinander längst nicht mehr grün. Der Versuch, die sich immer weiter vertiefenden Gräben mit dem offenen Brief zuzuschütten, ist gescheitert. Das hat der Sonnabend gezeigt.
Verein im Shitstorm
Wortreich hatte sich der Verein am Donnerstag an seine Anhängerschaft gewandt. Der Zeitpunkt kurz vor dem Bayern-Spiel war wohl auch deshalb gewählt worden, weil in Niedersachsens Landeshauptstadt in den vergangenen Tagen nur noch darüber spekuliert wurde, wie hoch 96 gegen die Bayern verlieren würde. Immer wieder war unter Fans das Wort "zweistellig" gefallen. Mit dem Brief jedenfalls sollte offenbar der Versuch unternommen werden, die roten Reihen wieder zu schließen. Doch die Kritik, die sich ab Donnerstagnachmittag in Foren, sozialen Netzwerken, in Stellungnahmen und Kommentaren in Form eines regelrechten Shitstorms über den Verein ergoss, zeigt, dass die seit geraumer Zeit ausgefochtenen Streitigkeiten zwischen Kind und Teilen der Fan-Szene längst keine begrenzte Fehde mehr sind.
Fans: "Inhaltsleeres Schreiben"
Auch Fans, die keiner Ultra-Gruppierung angehören und auch nicht in einem Fanclub organisiert sind, wollen sich die Stimmung nicht per schriftlicher Aufforderung von oben verordnen lassen. Seit Donnerstag wird eifrig über das Schreiben diskutiert. Während der Verein sich mit Aussagen wie "wir haben verstanden" und "es sollte nicht mehr um Versäumnisse der Vergangenheit gehen" offenbar ein positives Echo bei der Anhängerschaft erhofft hatte, hatte es bei vielen Fans den gegenteiligen Effekt. "Inhaltsleer" ist eine oft gebrauchte Beschreibung für das, was der Verein veröffentlicht hat. Als Schritt in die richtige Richtung wird das Schreiben dagegen in einem Kommentar in der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (HAZ) gewertet. Das scheint dieser Tage jedoch keine Mehrheitsmeinung zu sein. Die Leserkommentare zu den zu Hannover 96 veröffentlichten Artikeln sprechen eine andere Sprache.
Kritik an Berichterstattung
Die gesamte Problematik bei Hannover 96 und den Fans sei auch kein "Ultra-Problem" - als dieses wurde sie schon häufiger bezeichnet. Es gebe viel mehr Anhänger, die Kind und das Verhalten gegenüber den Fans kritisch sehen, sagt der Rote-Kurve-Sprecher. Die Berichterstattung darüber in der HAZ greife auch deshalb zu kurz. Man könne von Meinungsmache im Sinne des Präsidenten reden. "Wir haben nicht den Eindruck, dass dort objektiv über die Fanszene berichtet wird", so der Fan-Vertreter. "Wir sind nicht an allem schuld." Zudem würden das Engagement und die positive Fan-Arbeit unter den Teppich gekehrt.
"Galgenhumor" und "Katastrophentourismus"
Die Rote Kurve, Interessengemeinschaft der ehemals aktiven Fanszene, sieht in dem Schreiben keinen großen Fortschritt. Mit vielen Worten sei wenig Inhalt transportiert worden. Zudem habe der Verein offenbar mit den alten Fangruppen abgeschlossen. Ob es irgendwann zum Frieden kommt, werde aber auch davon abhängen, wie kompromissbereit beide Seiten seien und ob wieder Vertrauen aufgebaut werden könne. Seinen Namen will der Rote-Kurve-Sprecher nicht nennen, denn Mitglieder wie er seien in den vergangenen Monaten in Hannover zum Teil massiv wegen ihrer Arbeit angefeindet worden. Der Rote-Kurve-Sprecher hat das Spiel am Sonnabend gesehen. Natürlich habe etwas Entscheidendes gefehlt, meint er. Dort, wo vorher richtig Stimmung für die Mannschaft gemacht wurde, hätten sich nun eine Form von "Galgenhumor" und eine Art "Katastrophentourismus" breit gemacht.
Keine organisierte Schmähung
Betonen möchte die Rote Kurve, dass es vonseiten der Fanszene und auch aus den Ultra-Gruppierungen keine Anweisung zur Schmähung des Präsidenten gibt. Das sei nicht organisiert. Am Sonnabend reagierten die Anhänger gegen die "Kind-muss-Weg"-Rufer mit der schlimmsten Beleidigung, die man als 96-Fan aussprechen kann: "Braunschweiger".
Bundesweites Gesprächsthema
96-Chef Kind hatte sich immer gewünscht, dass Hannover 96 ein Verein mit bundesweiter Ausstrahlung wird. Nun war und ist die schlechte Stimmung in Hannover Thema im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel", beim Bezahlsender Sky, im ZDF-Sportstudio. Als der Vereinschef in der Vergangenheit über die bundesweite Präsenz von Hannover 96 sprach, hatte er etwas anderes gemeint, da ging es noch um Fußball. Doch der ist in der Leine-Metropole nur noch Nebensache und nicht mehr die schönste.
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