Donnerstag, 12. März 2015

Grins

„So viel Aufregung um einen Hügel“

Vor 200 Jahren ist Napoleon Bonaparte von seinem Zwangsexil auf Elba auf das Festland zurückgekehrt - wenige Monate später kam es zur großen Entscheidungsschlacht im belgischen Waterloo. Die Niederlage besiegelte die Großmachtträume Napoleons endgültig. Doch nun hat seine Heimat immerhin das Ringen um eine Waterloo-Münze gewonnen.
Denn Belgien wollte des Sieges der englischen, niederländischen und preußischen Truppen über Napoleon, der den europäischen Kontinent entscheidend prägte, mit der Prägung einer Zwei-Euro-Münze gedenken. Doch nun hat Brüssel, nach Intervention von Paris und der EU-Behörden, einen Rückzieher gemacht. Frankreich wollte die Streitfrage notfalls sogar in den EU-Ministerrat bringen - um das zu vermeiden, verzichtete Belgien nun auf das Waterloo-Motiv.

Häme in London

Paris argumentierte, dass die Glorifizierung einer Zeit des Konflikts den Bemühungen, die europäische Einheit zu stärken, zuwiderlaufe. Nach der belgischen Entscheidung gab es zunächst keine französische Reaktion, das selbst zum 70. Jahrestag der Landung der Alliierten im Zweiten Weltkrieg im von Nazi-Deutschland besetzten Frankreich eine Zwei-Euro-Münze prägte.
Napoleon Bonaparte in der Schlacht von Waterloo
Corbis/Bettmann
Napoleon sieht auf dem Schlachtfeld das Ende seiner „Herrschaft der Hundert Tage“. Die letzten Jahre seines Lebens verbringt der Revolutionär, Feldherr und Kaiser im Zwangsexil auf der Atlantikinsel St. Helena.
Londoner Zeitungen, die natürlich an die britische Rolle beim Ausbremsen des französischen Hegemoniestrebens nach der Revolution erinnerten, berichteten schadenfroh über das Pariser Unbehagen über das im Juni anstehende Schlachtenjubiläum. Das Beispiel zeigt jedenfalls, dass auch lange zurückliegende historische Ereignisse die tiefsitzenden Spannungen zwischen Nachbarländern wiederbeleben können - ähnlich wie die westlichen Alliierten und Russland sich bei den Feierlichkeiten zum Sieg über Hitler-Deutschland 1945 uneins sind.

Zahlreiche Festlichkeiten

Belgien, das zehn Jahre nach Napoleons Tod zum eigenen Staat wurde, will die Schlacht von Waterloo mit zahlreichen Festlichkeiten begehen. Höhepunkt dabei soll das Nachstellen einer der wichtigsten Schlachten - nur wenige Kilometer südlich von Brüssel - in der europäischen Geschichte sein.
In einem offiziellen Protestschreiben, argumentierte die Pariser Regierung, die Gedenkmünze sei ein „negatives Symbol“ für einige Europäer. Die Münzen könnten eine unvorteilhafte Reaktion in Frankreich auslösen, zu einem Zeitpunkt, da die Regierungen der Euro-Zonen-Länder versuchten, die Einheit und Kooperation zu stärken, hieß es in dem Brief.

„Unserer Ansicht nach schädlich“

„Die Schlacht von Waterloo ist ein Ereignis mit ganz besonderer Resonanz im kollektiven Gewissen und reicht weit über einen einfachen militärischen Konflikt hinaus“, zitierte die britische Tageszeitung „Telegraph“ aus dem Pariser Schreiben. „Die Zirkulation von Münzen mit einem Symbol, das für einen Teil der europäischen Bevölkerung negative Bedeutung hat, ist unserer Ansicht nach schädlich“, heißt es in dem Schreiben weiter.
Dass sich der Europäische Rat auf die Seite Frankreichs stellte, gab wohl den Ausschlag für Belgiens Rückzug in der Waterloo-Reprise auf knapp fünf Quadratzentimetern: „Jedes Mitgliedsland der Euro-Zone hat das Recht, Widerspruch gegen das belgische Design der Münze anzumelden, wenn der Entwurf ablehnende Reaktionen bei seinen Bürgern hervorzurufen droht“, hieß es vonseiten des Rates. Die Rückseite von Münzen kann traditionell von Mitgliedsländern der Euro-Staaten mit eigenen Motiven designt werden.

„Ein bisschen erwachsen werden“

Der konservative britische Abgeordnete Peter Bone zeigte gegenüber dem „Telegraph“ dagegen kein Verständnis für die Pariser Intervention. Frankreich solle „ein bisschen erwachsen werden“ und die Belgier unterstützen. Sein Parteikollege Peter Luff nannte die französische Sensibilität „enttäuschend“. Paris solle vielmehr anerkennen, dass das ein „bedeutsames Ereignis in Europas Geschichte und ein wichtiges für Freiheit und Demokratie“ gewesen sei.
Manche Diplomaten zeigten sich überrascht über den Disput. BBC zitierte einen Diplomaten, der verwundert war, „dass zwei Jahrhunderte später ein Vorschlag für ein bisschen Kleingeld mit dem Abbild eines Hügels darauf in Paris so viel Aufregung auslösen kann“.