Freitag, 27. März 2015

Derbies und Dörbis

Derbytime !


In Wien gibt es ja viele traditionsreiche Begegnungen im Fussball. Da wäre mal das sogenannte „Grosse Wiener Derby“ zwischen der Austria und Rapid, nach dem Glasgower Derby das am meisten ausgespielte in Europa. Dann das heute stattfindende „Dörbi of Love“ zwischen dem Sportk©lub und der Vienna, ebenfalls schon sehr oft ausgespielt in Wien. Durch die lange unterschiedliche Ligazugehörigkeit beider Vereine aber bei weitem nicht so oft ausgetragen. Beiden Derbies ist die gute Vermarktung gemein, beim grossen Wiener Derby steht die historische Rivalität zwischen dem „Bürgerlichen Verein Austria Wien“ und dem „Arbeitersportverein Rapid Wien“ im Fokus beim anderen die „Freundliche Sportliche Auseinandersetzung“ zweier Traditionsvereine. Die Andersartigkeit dieser Rivalität – gemessen an anderen Derbies – wird gut vermarktet, der Wiener Sportk©lub als „Sankt Pauli Österreichs“ positioniert und auch die Vienna als alternativer, feiner Verein aus dem Nobelbezirk Wiens dargestellt.

Mittlerweile ist dieses Derby aber zu einem Bobotreff sich alternativ gebender fussballaffiner (oder solcher die es sein wollen)  Menschen verkommen, ist der Sport zuungunsten politischer Agitation ins Hintertreffen geraten, wird mehr über die (politische) Andersartigkeit im Sinne von Alleinstellungsmerkmal berichtet als über das Spiel und den Verein selber. Heute werden bis zu 7.500 Menschen in Dornbach erwartet, eine tolle Kulisse die Respekt verdient und dem Spiel durchaus angebracht ist – ABER:

Wo sind diese ganzen Massen bei normalen Heimspielen ? Woher kommen sie ? Wenn die beiden Vereine so viele Anhänger und Unterstützer haben, warum stehen sie dann dort wo sie sind ? Sportlich und Finanziell nämlich. Weil allein ihr Selbstanspruch auf Einzigartigkeit in der österreichischen Fussballandschaft sollte ja schon ein Garant dafür sein, dass sich genau die richtige Zielgruppe angesprochen fühlt, dort etwas zu tun oder Geld zu investieren. Interessanterweise ist dem aber nicht so. Die Leute gehen zu „ihrem“ Verein hin, schauen sich das Spiel an und verschwinden bis zum nächsten Derby wieder in der Versenkung. Übrig bleiben dann diejenigen die seit Jahr und Tag ihr Herzblut in den K©lub stecken.

Heute wird es wieder ein Treffen mit ausländischen Fangruppen geben, es werden sicher wieder die Anhänger von TeBe anwesend sein, dazu noch andere (Einzel)Personen aus den Nachbarländern. Dass sich die gesamte nennenswerte linke Szene heute in Dornbach einfinden wird, gilt als sicher, tummeln sich dort doch auch bei anderen Spielen immer wieder die Jungs aus Linz, Steyr und Innsbruck. Ist ja vollkommen in Ordnung, auch der FAVAC ist immer wieder dort vertreten. Es ist ja auch wohltuend zu einem Derby zu gehen bei dem man sich nicht dauernd umsehen muss ob nicht irgendwelche Leute auf der Suche nach „Erlebnissen“ sind. Auch sind die Gespräche am oder nach dem Spiel wohltuend, man verbringt einen netten Abend miteinander. Die – für mich sehr wichtige – Derbyatmosphäre leidet halt ein bisserl darunter aber das nehme ich dann halt in Kauf. Keine Frage ist, dass man dort viele Freunde kennenlernen und treffen kann, auch das ist etwas ganz spezielles. Nämlich dass man zwischen beiden Fanblöcken hin- und herwechseln kann ohne dass es Stress gibt.

Leider ist es – und viele altgediente Fussballfans in Wien wissen das ja – in letzter Zeit immer mühsamer sich bei solchen Spielen (und Vereinen) auf den Fussball und seinen Verein zu konzentrieren weil man sich immer wieder Situationen ausgesetzt sieht, wo Leute aufgrund von (falschen) Informationen, Vermutungen, äusserlichen Erscheinungsbildern vorschnelle Schlüsse ziehen und man dann Stunden damit verbringen muss sich zu rechtfertigen. Was ich persönlich nicht mache, weil ich auch von meinem Gegenüber keine Rechtfertigung verlange. Ich will mich dort nur meiner Leidenschaft widmen und keine Grundsatzdiskussionen – die unter dem Einfluss von Alkohol sowieso keinen Sinn machen – führen. Auch interessiert mich das lustige „Die Linken hauen den Rechten a Hackl ins Kreuz und umgekehrt“ eher weniger. Beides ist mehr als nur entbehrlich.

In einer Kolumne hat die bekannte „Polly Adler“ im Kurier eine tolle Überschrift gefunden die da heisst: „Warum mir die dauerklugscheissenden Bobos auf den Rettich gehen !“ – und mehr ist dazu nicht zu sagen.

Worauf ich eigentlich damit hinaus will ist folgendes: am Sonntag findet das dritte traditionsreiche Derby zwischen dem Favoritner Athletik Club von 1910 gegen den 1. Simmeringer Sportclub von 1901 an der Kenner Road (die Kendler Road ist nur ein Plagiat) statt. Ein Duell zweier Bezirksvereine und ihrer Leute, die genau das darstellen was die Gesellschaft dort widerspiegelt. Bei uns ist es vollkommen egal ob wer links, rechts (im demokratischen Rahmen wohlgemerkt), jung alt, arm oder reich ist, wer den Fussball liebt und am Besten noch Fan eines dieser beiden Vereine ist DANN ist er bei uns richtig.  Weil es immer wieder interessant ist, wenn sich die beiden rotschwarzen Vereine treffen und miteinander die Klingen kreuzen. Unzählige Spieler wechselten immer wieder zwischen beiden Vereinen hin- und her, sei es ein Thomas Weigl oder ein Sasa Dimitrijevic – es ist halt etwas ganz Besonderes mit diesen beiden Clubs. In besseren Zeiten gab es immer die Sonntagsfahrten, zuerst ging man um 10.30 zum FAVAC und danach nachmittags noch nach Simmering. Gemeinsam versteht sich. Als der FAVAC in der Frühjahrssaison 1997 auf einmal pleite war (damals wurde man von der 2. Division in die Regionalliga versetzt) tauschten beiden Vereine – Simmering spielte damals Wiener Liga – die Lizenzen und Plätze. Am Ende der Saison steigen beide ab, der FAVAC brauchte dann bis 2002 um wieder in die Wiener Stadtliga aufzusteigen. Unvergessen das Spiel auswärts bei den Rasenspielern Wolfersberg (die es auch nimmer gibt) am Kinkplatz mit einem Sechs-Mann-Corteo die Tinterstrasse entlang. Hinter uns zwei Dutzend Fahrzeuge die brav nachdackelten. Sechs-Null gewannen wir damals und feierten bis in die Puppen. War ja Donauinselfestwochenende. Seit damals sind wir immer in der Stadtliga ansässig, auch nicht schlecht für einen Verein der dauernd um sein Überleben rauft. Und das wegen – oder trotz unserer Vereinsleitung.

Im Herbst gab es ja einen Ausswärtssieg des FAVAC auf dem Kunstrasen in Simmering (der Dauerregen machte ein Spiel am Rasen leider unmöglich) mit einer netten Sturmverkostung – Roten Schilchersturm bekommt man auch nicht überall – und einer hässlichen Verletzung der Nummer 19, Borja Kappel endete. Das 1-0 für den FAVAC erzielte ein Simmeringspieler der von Dejan Dyankov angeschossen wurde. Auch der Stinkefinger der Nummer 12 von Simmering bleibt unvergessen. Daneben gab es noch lustige Gesänge und viele, viele Häckeleien untereinander – so soll Fussball sein. Über Politik wurde die ganze Zeit über nicht geredet, soferne es sich nicht um die Vereinsspezifische handelte.

Ausserdem gibt es bei beiden Vereinen eine treue Schar an Anhängern, die sich schon seit Jahrzehnten mit ihrem Verein identifizieren, bei uns zum Beispiel die seit 1980 unter ihrem Namen „Rote Teufel“ auftretenden Altspatzen, unterstützt von den FEDAYN FAVAC 1993 die auch schon seit nunmehr fast 22 Jahren den FAVAC so gut wie überall unterstützen. Da müssen noch viele neue, hippe Fanclubs hinriechen wo wir hingeschissen haben. Viel haben wir in dieser Zeit gesehen, sei es die tollen „Ultras Essling 1995“, die „Truppe Aspern 2008“, die „Kagraner Jungs 2009“, die „Fanatics Ankerbrot 2003“, die „Ultras IC Favoriten 2011“, die „Schwechater Sharks 1994“ und „Artillerie Schwechat 2007“, die „Ultras Viktoria 2006“ und die „Wiena Brut 2009“ oder auch die „Boyz from the Had 1999“, später unter dem Namen „Gruppe Simmering 2005“ firmierend.  Eine ganze Menge Gruppen die es oft nicht einmal ein Jahr gegeben hat und die „immer alle“ etwas neues machen wollten. Wer übriggeblieben ist sind wir und die ULTRAS STADLAU, die leider –der Verein will sie immer noch nicht. – undercover anwesend sein müssen. Von Spassgruppen wie den „Ultras Wienerfeld“ oder den „Ultras Wienerberg“, die nicht einmal eine Saison überlebt haben will ich noch gar nicht reden. Auch der Versuch bei Austria XIII eine Gruppe zu installieren schlug zweimal fehl. Die erste hiess „Banditos 2004“ und ihre Mitglieder liefen immer mit Sturm Graz Schals herum. War ziemlich lustig anzusehen.


Derzeit gibt es neben den FEDAYN FAVAC und ULTRAS STADLAU noch eine weitere Fangruppe: Die RED ARMY GERASDORF, eine junge Truppe die Ende 2013 gegründet wurde und auch recht engagiert ist. Immerhin drei von 16 Vereinen dürfen sich eines Anhanges rühmen. Die WIENA BRUT existiert offenbar nicht mehr, bei unserem Auswärtsspiel gab es die Gruppe nicht mehr. Eigentlich gar nicht so schlecht für eine vierte Liga in Österreich – da gibt es Bundesländer wo weniger aktive Gruppen für Support sorgen.