Donnerstag, 25. Dezember 2014

Volksrepublik Ungarn

Zunächst sahen die Alliierten nach dem Krieg für Ungarn eine demokratische Verfassung vor. Nachdem die Kommunisten bei der Parlamentswahl am 4. November 1945 eine empfindliche Niederlage hatten erleiden müssen, begannen sie mit unsauberen Methoden (mit den „Blauen Stimmzetteln“ und der „Salamitaktik“) nach der Macht zu greifen. Auch als die Unabhängige Partei der Kleinlandwirte, der Landarbeiter und des Bürgertums (FKgP) zerschlagen war, erreichte die MKP bei der Parlamentswahl am 31. August 1947 nur 22,3 % der Stimmen. Daraufhin kam es zur Zwangsvereinigung mit der Sozialdemokratischen Partei am 12. Juni 1948. Ihren Gipfel fanden diese Vorfälle in der Auflösung der anderen Parteien und der Parlamentswahl im Mai 1949, bei der nur noch eine Partei zugelassen war, die „Partei der Ungarischen Werktätigen“ (ungarisch Magyar Dolgozók Pártja). Am 20. August 1949 wurde eine Verfassung nach sowjetischem Vorbild beschlossen.[15] Von 1948 bis 1953 praktizierte Ungarn unter Mátyás Rákosi einen stalinistischen Kurs.
Bis 1953 wurden mehrere Schau- und Geheimprozesse veranstaltet. Die ungarische politische Polizei Államvédelmi Hatóság (ÁVH) begann ab 1945 politische Gegner zu verfolgen. Sie wurde auch und besonders in den eigenen Reihen der Kommunisten gefürchtet. Für die Verhaftung von László Rajk war János Kádár verantwortlich. 1951 wurde auch János Kádár der Unterstützung Titos angeklagt und verhaftet. Nach dem Tod Stalins (5. März 1953) erfolgte die Rehabilitierung des hingerichteten László Rajk. Ein letzter Geheimprozess 1953 sollte die Ermordung des schwedischen Diplomaten Raoul Wallenberg durch zionistische Verschwörer „beweisen“.
Nach dem Tod Josef Stalins schloss sich ab Juni 1953 unter Ministerpräsident Imre Nagy eine Periode vorsichtiger Liberalisierung an. Mit der Entmachtung Nagys 1955 durch die weitgehend unverändert gebliebene Parteispitze ging eine Restauration einher. Die politische Lage blieb angespannt. László Rajk wurde 1956 feierlich beerdigt.
Schließlich begann am 23. Oktober 1956 ein Volksaufstand, in dessen Verlauf Imre Nagy erneut zum Ministerpräsidenten ernannt wurde. Der Aufstand wurde durch die sowjetische Armee blutig niedergeschlagen. Insgesamt fünf sowjetische Divisionen waren zwischen dem 1. November und 4. November daran beteiligt; als Besatzungsarmee verblieben etwa 100.000 sowjetische Soldaten in Ungarn. Imre Nagy wurde im Juni 1958 in einem Geheimprozess zum Tode verurteilt und am gleichen Tag gehängt. Bis 1963 wurden ca. 400 Menschen, vorwiegend Arbeiter, als Vergeltung für den Aufstand hingerichtet. Über 200.000 Ungarn verließen nach dem gescheiterten Volksaufstand das Land und emigrierten nach Westeuropa und Nordamerika.
Unter János Kádár, Parteichef von Ende 1956 bis Mai 1988, erfolgten ab 1968 Wirtschaftsreformen. Die Ära Kádár ist auch unter dem Begriff Gulaschkommunismus bekannt geworden.
1988 setzte der friedliche Systemwechsel mit der Bildung erster Oppositionsgruppen ein. Am 27. Mai 1988 gab Kádár aus Alters- und Gesundheitsgründen sowie angesichts wachsender ökonomischer Schwierigkeiten Ungarns sein Amt als Generalsekretär der KP auf. Károly Grósz (1930-1996) wurde sein Nachfolger. 1988 wurde den Ungarn Reisefreiheit auch ins westliche Ausland gewährt. In der Partei übernahmen Ende 1988 Wirtschaftsreformer die Macht, Miklós Németh wurde im November 1988 Ministerpräsident (dieses Amt hatte seit 1987 Grósz bekleidet). Németh strich – eine seiner ersten Amtshandlungen – die Etatposten „Instandhaltung des Signalsystems“ an der Grenze zu Österreich. Ungarn hatte damals Auslandsschulden in Höhe von etwa 17 Milliarden US-Dollar. Am 6. Juli 1989 wurde Imre Nagy rehabilitiert und am 23. Oktober 1989 die dritte Ungarische Republik ausgerufen.
Am 2. Mai 1989 begann Ungarn die Grenzanlagen zu Österreich abzubauen. Ein Faktor dafür waren wohl Kostengründe; die fällige Reparatur des baufälligen Grenzzauns war der ungarischen Regierung zu teuer.
Der Beitritt Ungarns zur Genfer Flüchtlingskonvention wurde am 12. Juni 1989 wirksam. Ungarn konnte nun die Abschiebung von „Grenzverletzern“ in ihre Heimatländer unter Verweis auf international bindende Vereinbarungen verweigern. Am Plattensee und in Budapest füllten sich in den folgenden Wochen Campingplätze, Parkanlagen und das bundesdeutsche Botschaftsgelände mit Zehntausenden DDR-Bürgern.
Die symbolische Öffnung eines Grenztors zwischen Österreich und Ungarn beim Paneuropäischen Picknick am 19. August 1989 mit Zustimmung beider Regierungen galt und gilt als erste „offizielle“ Öffnung des Eisernen Vorhangs. Die Auswirkungen dieser zunächst von der Weltöffentlichkeit wenig beachteten Maßnahme waren dramatisch und trugen entscheidend zum Fall des Eisernen Vorhangs, dem Fall der Mauer, dem Zusammenbruch der Sowjetunion, dem Zerfall des Ostblocks und des Warschauer Pakts und zur Demokratisierung Osteuropas sowie zur deutschen Wiedervereinigung bei.
Am 25. März und 8. April 1990 fanden in Ungarn die ersten freien Parlamentswahlen seit November 1945 statt.