Verteidiger mit Rücken zur Wand
Der Chef der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman, sprach von „guerillaartigen“ Kampfszenen. Bei den Kämpfen mit kurdischen Milizionären gelang es den IS-Extremisten nach Angaben der Beobachtungsstelle, drei Bezirke in Ain al-Arab einzunehmen. Es handle sich um ein Industriegebiet sowie die östlichen Stadtteile Kani Araban und Makatal al-Dschadida, teilten die oppositionsnahen Aktivisten am Dienstag mit.
Kampfzone auf weitere Bezirke ausgedehnt
Auf mehreren Gebäuden sei in der Früh die schwarze Dschihadistenflagge gehisst worden. Die Kämpfe zwischen den IS-Extremisten und kurdischen Milizionären in Ain al-Arab hatten sich zuletzt nach Angaben von Aktivisten allerdings auf Viertel im Süden und Westen ausgeweitet, hieß es weiter. Die Aktivisten erklärten weiter, dass es den PKK-nahen kurdischen Volksschutzeinheiten gelungen sei, IS-Kämpfer aus einigen Straßenzügen zurückzudrängen. Sollte es der IS-Miliz gelingen, Ain al-Arab einzunehmen, würden sie auf syrischer Seite ein langes Stück der Grenze zur Türkei kontrollieren.
Neue Luftschläge gegen IS-Stellungen
Die Beobachtungsstelle berichtete, dass es Luftschläge der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz im Süden und Osten der Stadt an der syrisch-türkischen Grenze gegeben habe. Die US-geführte Koalition flog am Dienstag neue Luftangriffe auf Stellungen der Extremisten in und um Ain al-Arab. Dabei wurden Ziele im Südwesten der Kurdenstadt getroffen, wie eine AFP-Reporterin von der türkischen Grenze berichtete.
Lokale Kurdenvertreter wie der stellvertretende Außenminister der Kurdenregion, Idris Nahsen, kritisieren aber, dass die US-geführten Luftangriffe nicht ausreichen. Die Peschmerga brauchten auch Waffen und Munition. Die kurdischen Volksschutzeinheiten erklärten derweil Ain al-Arab nach Angaben eines Sprechers zur „Militärzone“ und brachten die noch in der Stadt gebliebenen Zivilisten in Richtung der Grenze im Norden. Die Stadt werde „sicher bald fallen“, sagte Nahsen gegenüber BBC. Seinen Angaben zufolge kontrolliert IS auch den strategischen Hügel über der Stadt. Von dort werde auch heftig mit schweren Waffen auf die Stadt geschossen. IS-Panzer umzingeln nahezu das gesamte Ain al-Arab.
Tausende flohen aus Stadt
Bisher flohen mehr als 186.000 Menschen vor den Kämpfen in die Türkei. Allein am Montag sollen weitere 2.000 Zivilisten die Stadt verlassen haben. Die verbleibenden Bewohner der Stadt wurden von den kurdischen Milizen aufgefordert, Ain al-Arab zu verlassen. Berichten zufolge würden sich kurdische Volksschutzeinheiten den Extremisten auch in den östlichen Gebieten entgegenstellen und Zivilisten zur türkischen Grenze bringen.
Kurden warnen vor Massaker
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief zum Schutz der Zivilbevölkerung in Ain al-Arab auf. Alle, die die Mittel dazu hätten, sollten sofort zum Schutz der Bevölkerung handeln, sagte Ban vor dem Hintergrund der „groben und grausamen Verletzungen der Menschenrechte“, die die Terroristengruppe während ihres „barbarischen Feldzugs“ in der Region begangen habe. Kurdische Politiker hatten nur wenige Stunden zuvor die internationale Gemeinschaft zum Handeln aufgerufen und vor einem Massaker gewarnt. Ain al-Arab ist die letzte Bastion in einer Enklave, die bisher von kurdischen Volksschutzeinheiten kontrolliert wurde.
„Wenn das so weitergeht, wenn es keine internationale Hilfe, keine militärische Hilfe für die Bewohner der Stadt und die kurdischen Kämpfer gibt, kann sie in die Hände von IS fallen“, warnte auch Karwan Sebari, ein Vertreter der kurdischen Regionalregierung in den USA, im BBC-Interview mit Blick auf die Türkei. Es stehe auch die nationale Sicherheit der Türkei auf dem Spiel.
Türkei gibt sich zögerlich
Die Türkei sagte den Kurden in Ain al-Arab zwar Unterstützung zu. Doch dass die vom türkischen Parlament genehmigten Bodentruppen bald zum Einsatz kommen, schloss Ministerpräsident Ahmet Davutoglu aus. „Wir werden alles nur Mögliche unternehmen, um den Menschen in Kobane (Ain al-Arab) zu helfen. Bodentruppen zu schicken ist aber natürlich eine andere Entscheidung.“ Wenn man in Ain al-Arab eingreife, müsse man in ganz Syrien intervenieren, so Davutoglu. Die Türkei werde nun mit den Mitgliedern der Anti-IS-Allianz beraten, „was als Nächstes gegen ISIS (IS) zu tun ist - nicht nur in Kobane“.
Laut BBC-Bericht zögert die Türkei bei ihrer Unterstützung für die kurdischen Kräfte an der syrischen Grenze nicht zuletzt deswegen, weil diese mit der PKK verbündet seien. Die PKK ist in der Türkei aber als Terrororganisation eingestuft.
Luftangriffe auch im Irak
Neben Angriffen auf Ain al-Arab flog die US-geführte Anti-IS-Koalition auch Lufteinsätze gegen IS-Stellungen in Syrien bei al-Rakka und Deir al-Sor. Im Irak wurden laut US-Nahost-Kommando Angriffe bei Falludscha und Ramadi geflogen, an denen Belgien und Großbritannien beteiligt gewesen seien. Im Irak wurden erstmals auch Kampfhubschrauber eingesetzt. Da diese tiefer und langsamer fliegen, sind sie stärker gefährdet als Kampfjets.
Bei einem IS-Angriff im Osten des Irak wurden laut Sicherheitskräften mindestens fünf Kurdenkämpfer getötet. Der IS habe von Dschalaula aus Verteidigungsstellungen der Peschmerga etwa fünf Kilometer außerhalb der Stadt attackiert, sagte ein ranghoher kurdischer Offizier am Montagabend. Der IS hatte die strategisch wichtige Stadt Dschalaula nordöstlich von Bagdad am 11. August eingenommen.
http://orf.at/stories/2248619/2248612/