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Vor 20 Jahren wurde der kolumbianische Fußball-Star Andres Escobar ermordet. Er hatte bei der WM in den USA ein Eigentor geschossen.
(DiePresse.com)
"Jeder kolumbianische Sieg wird auf eine gewisse Art auch seiner sein." Der frühere kolumbianische Nationalspieler Jorge Bermudez hat am Dienstag in Rio de Janeiro Andres Escobar gedacht, der vor genau 20 Jahren ermordet wurde. Auch die Fans, die den Einzug der Nationalelf Kolumbiens ins WM-Viertelfinale feiern, haben die Tragödie nicht vergessen: Viele von ihnen tragen bei den Spielen ein Foto des früheren Fußball-Stars mit sich.
Im Jahr 1994 gehen die Kolumbianer als "Aufsteiger des Jahres" in die WM. Doch die Siegesserie der Qualifikationsrunde setzt sich in den USA nicht fort. Eine Niederlage gegen Rumänien bringt das Team unter Druck, die Spieler erhalten Morddrohungen. Im zweiten Spiel gegen die USA passiert ein fataler Fehler: Verteidiger Andres Escobar lenkt den Ball ins eigene Tor und leitet damit eine 2:1-Niederlage ein.
Bei der Rückkehr in die Heimat warnt der Trainer die Spieler, nichts zu riskieren: "Geht nicht aus, trinkt nicht, lasst Euch auf nichts ein." Escobar entschuldigt sich bei der Nation. "Das Leben endet hier nicht", schreibt er in einem Zeitungskommentar. Doch da irrt er: Wenige Tage später, am 2. Juli, tritt ihm auf dem Parkplatz einer Bar Humberto Munoz entgegen, Leibwächter und Fahrer für Drogen-Bosse. Er feuert sechsmal auf den 27-jährigen Fußballer und ruft Augenzeugen zufolge höhnisch "Goool!"
Munoz wird zu 43 Jahren Haft verurteilt. 2005 kommt er wegen guter Führung frei.
Fanatischer Fan oder Auftragsmörder?
Die Hintergründe des Mordes sind bis heute nicht geklärt. Handelte Munoz (wie es die offizielle Version will) als enttäuschter Fan oder im Auftrag eines Drogenkartells? Sicher ist, dass die Drogen-Mafia den Fußball in Kolumbien groß gemacht hat. Die Drogen-Barone nutzten die Klubs, um die Gewinne aus ihren schmutzigen Geschäften zu waschen. Die Investitionen brachten dem kolumbianischen Fußball den Anschluss an die Weltspitze.
Gesichert ist auch, dass das Medellin-Drogen-Kartell 1994 Millionen auf eine Erfolg des Teams in den USA setzte. Das verfeindete Cali-Kartell wettete gegen die Nationalelf und gewann Millionen.
Mit der Tragödie um Escobar begann auch ein Absturz des kolumbianischen Fußballs. Bei der WM 1998 scheiterte man erneut in der Vorrunde; 2002, 2006 und 2010 gelang die Qualifikation nicht. Nun fiebern die Fans dem Viertelfinale gegen Brasilien entgegen - Escobars Bild wird wohl auch dann im Stadion mit dabei sein.
(kron)