Freitag, 6. Juni 2014

Bist du moped !

Staatsanwalt: "Werden Bilder sehen, da glaubt man nicht, dass wir uns in Wien befinden"
LIVEBERICHT
6. Juni 2014, 09:08
Bis zu drei Jahre Haft drohen wegen Landfriedensbruch als "Rädelsführer" - derStandard.at berichtet live
Der Staatsanwalt hat bereits mit seinem Plädoyer gestartet. Er kündigt Bilder vom 29. Jänner 2014 an, "die wir nur aus Kriegsgebieten kennen": Bilder von jenem Abend, an dem gegen den Wiener Akademikerball demonstriert wurde. Josef S., eigens aus Jena mit einer Hundertschaft anderer deutscher Staatsbürger angereist, habe dabei "nur ein Ziel gehabt".
Transparent als Rammbock
So wären die Demonstranten von Anfang an auf Zusammenstöße mit der Polizei vorbereitet gewesen. Der Staatsanwalt führt als Argument die Ausrüstung der Demonstranten mit Knieschonern, Helmen, mehreren Kleidungsschichten (zwecks erschwerter Identifizierung), sowie ein gepolstertes Transparent mit der Aufschrift "Unseren Hass den könnt ihr haben" an, das seiner Ansicht nach als Rammbock benutzt werden sollte.
Absichtlich schwere Körperverletzung
Herr S. ist für den Staatsanwalt der Rädelsführer der Demonstranten, er habe auch als Erster mit der Sachbeschädigung begonnen - etwa indem er Mistkübel durch Fenster geworfen habe. Zudem habe er Steine auf Polizisten geworfen. Der Staatsanwalt will die Anklage also von schwerer Körperverletzung auf absichtlich schwere Körperverletzung ändern.
Replik des Verteidigers:

Von Kriegsgebieten zu sprechen sei "übertrieben und zynisch" findet Verteidiger Clemens Lahner. Zudem sei sein Mandant weder Rädelsführer gewesen, noch habe er oben erwähnte Schutzkleidung getragen.

Auszüge aus der Verhandlung:

Maria Sterkl derStandard.at23vor 32 Minuten +-
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"Im Block gab es
Späher, die teilweise auf inlineskates dabei waren und dazu da waren, die Lage zu eruieren, um Polizeiabsperrungen zu umgehen. Der Gesamtschaden an diesem Abend betrug 500.000 Euro. Was ist der Sachverhalt? Landfriedensbruch, versuchte absichtliche schwere KV, schwere Sachbeschädigung. Ich habe in Wien Plakate entdeckt (der StA zeigt eines vor, Anm.) – „Macht aus der Höh‘ Erdäpfelpürree“ – daran könne man die Intention des Blocks ablesen.

Maria Sterkl derStandard.at23vor 29 Minuten +-
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Gegenäußerung des Rechtsanwalts von Josef s., Clemens Lahner:
„Gestatten Sie mir eine kurze Gegenäußerung. Zunächst darf ich vorschlagen die Kirche im Dorf zu lassen. Wenn der Staatsanwalt von Kriegsgebieten spricht, finde ich das übertrieben und zynisch – Wien liegt nicht in Schutt und Asche. Zu den Vorwürfen: „Wenn es von Anfang an klar gewesen wäre, dass es um Ausschreitungen geht, dann hätte die Polizei die Demonstration untersagt. An einer Demo dürfen sich alle beteiligen – ja, auch deutsche Staatsbürger dürfen das. Ja, es ist zu Ausschreitungen am Rande der Demo gekommen. Aber: Unser Mandant hatte damit nichts zu tun. Er hatte keinen Helm, keine Knieschoner, keine verstärkten Handschuhe, keine Seile, keine Transparente. Er hatte damit nichts zu tun.

Maria Sterkl derStandard.at23vor 25 Minuten +-
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Der Anwalt weiter:
Es gibt 100e Fotos und Videos, wir haben uns das alles angeschaut. Auf wie vielen Fotos ist Josef s. zu sehen, wie er vermummt ist und Straftaten begeht? Auf null Fotos. Er ist nirgends zu sehen. Warum sind wir heute hier? Wegen der Aussage eines einzigen Zeugen. Von diesen hunderten Beamten meint ein einziger, der bisher nur anonym ausgesagt hat, er hätte S. gesehen, wie er Gegenstände auf die Polizei geworfen habe. Es gibt objektive Beweisergebnisse, die den Angaben dieses einzigen Belastungszeugen widersprechen: das Stimmgutachten, Fotos, Video.


Maria Sterkl derStandard.at23vor 1 Minute +-
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Josef S.:
"Ich bekenne mich nicht schuldig. Ich sitze seit vier Monaten in U-Haft. Ich komme aus einer Gegend, wo es zum guten Ton gehört, dass man gegen die auf die Straße geht, die andere diskriminieren. Mehr möchte ich jetzt nicht sagen. Der Richter liest frühere Aussagen S.‘ vor: Er habe nie dazu aufgefordert Beamte zu attackieren, habe einen Mistkübel in der Hand gehabt, aber nie vorgehabt ihn auf Polizisten zu werfen (auf Video ist zu sehen, wie er einen auf dem Boden liegenden Kübel aufstellt, Anm.) Das betreffende Video (das auch in der ZIB zu sehen war) wird jetzt vorgespielt.

Maria Sterkl derStandard.at23vor 2 Minuten +-
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Der Belastungszeuge, ein Polizist, wird jetzt befragt:

„Ich war in Zivil unterwegs, sollte die Demo beobachten. Es waren viele Deutsche da, das hat man gemerkt an der Sprache. Der Schwarze Block war dort. Der Beschuldigte ist mir dort zum ersten Mal aufgefallen wegen der Aufschrift auf dem Pulli („Boykott“) – das Umfeld hat stark auf ihn reagiert. Er hat die anderen zum Vermummen aufgefordert. Gehört habe ich das nicht aber am Gestikulieren hat man es gesehen. Richter: „was für Handzeichen hat der Angeklagte gegeben?“ – „Er hat kundgetan mit der Hand, dass sich die anderen ihre Kapuzen aufsetzen sollen.“- „Inwiefern war S. vermummt?“ – „Er hat einen Hoodie angehabt und einen schwarzen Schal, über die Nase drüber“


Maria Sterkl derStandard.at23gerade eben +-
Der Zeuge weiter:

Man sei zu dritt dort gewesen, einer der anderen beiden Beamten sei ebenfalls heute als Zeuge geladen. Wenn er schon anfangs einen Verdacht auf Sachbeschädigungen gehabt habe, warum habe er den anderen nicht mitgeteilt, dass gefährliche Täter unterwegs seien, fragt der Richter. „Wegen der Masse – das waren 350 Leute“, sagt der Zeuge. Er habe Josef S. nicht ständig im Auge gehabt, sagt der Polizist. Am Stephansplatz hätten die Demonstranten versucht, die Polizisten einzukesseln und zu bewerfen. Auch S. sei dort gestanden, ungefähr auf Höhe des Haas-Hauses.

Maria Sterkl derStandard.at23vor 2 Minuten +-
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"Was macht Josef S. dort konkret?", fragt der Richter.
Zeuge:„Er hat Steine geworfen. Es sind Bierdosen geflogen, Mistkübel, Flaschen, Mistkübel sind auf dem Boden gegen Kollegen gerollt worden. Die Inlays der Mistkübel sind gegen Kollegen geworfen worden.“ – „Sie sagen ‚geworfen worden‘ – aber was hat S. gemacht?“ – „Auch er hat ein Inlay geworfen.“ – „Hat er sonst noch was geworfen?“ – „Sonst hätt ich nichts gesehen“, sagt der Polizist. Dann kurze Pause. „Pflastersteine hat er auch geworfen.“ – „Das sagen Sie nach einer längeren Pause? Warum haben Sie da so lang nachdenken müssen?“, fragt der Richter.-„Ich hab gedacht dass das schon klar war.“

Maria Sterkl derStandard.at23gerade eben +-
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„Woran haben Sie erkannt dass die Person am Stephansplatz Josef S. war?“ – „Die Aufschrift auf dem Pulli war einzigartig“

– „Aber ein Pulli mit Aufdruck ist ja kein Maßanzug“, sagt der Richter. – „Ja aber seine Kleidung war eindeutig. Der Pulli, die Hose hatten Aufdrücke“ – „Und S. war vermummt?“ – „Ja, eindeutig“ - „Was passiert dann? Möglichst detailliert?“ – „Der Schwarze Block hat sich Richtung Graben bewegt, dann im Laufschritt Richtung Kohlmarkt, dann hat er sich getrennt, ein Teil Richtung Michaelerplatz, einer Richtung Am Hof.“ Ab Stephansplatz habe er S. ständig beobachtet, Protokolle gebe es aber nicht, „das ist alles über Telefon gelaufen“, meint der Beamte.

Maria Sterkl derStandard.at23gerade eben +-
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Bei der Polizeiinspektion Am Hof seien schon ein paar Leute gestanden, als Josef S. hingekommen sei. „Dort sind dann die Scheiben eingeschlagen worden, bei Fenster und Tür, ein Funkwagen ist eingeschlagen worden mit einer Eisenstange,
, dann wurde noch eine Rauchbombe im Wagen platziert. Angefangen hat der Beschuldigte, die ganze Gruppe hat dann weitergemacht.“ Der Beamte sagt, er habe versucht zu fotografieren, die Fotos seien aber „nicht brauchbar“. „Der Mob ist dann weitergelaufen und ist dann angehalten worden, von uniformierten Kräften. Ich bin dann beamtshandelt worden und auf die PI am Hof verbracht worden – der Beschuldigte war dann weg“ Er sei dann wieder aus der PI raus, habe mit den Kollegen telefoniert und sei Richtung Burgtheater zum Kessel gegangen, dort habe er S. wieder gesehen – „Woran haben Sie erkannt, dass das derselbe war wie davor?“ – „Wieder an der Kleidung“

Maria Sterkl derStandard.at236.6.2014, 10:56 +-
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Festgenommen habe man S. bei der Tankstelle beim Burgtheater. Dann sei man in der PI gegangen, dort habe er seine Meldung verfasst, sagt der Beamte.
Richter: „Auffällig an der Meldung ist, dass Sie fett und kursiv anmerken, dass in der ZIB2 der Beschuldigte zu sehen ist.“ – „Das stimmt. Da sieht man ihn wie er den Mistkübel aufstellt.“ – „Den Beitrag haben Sie beim Meldungschreiben gesehen?“ – „Ja.“

Hier zum Mitlesen (vor allem die Kommentare dazu hauen einem den Vogel raus):

https://derstandard.at/Jetzt/Livebericht/2000001815383/1000004944/WKR-Gegendemo-Staatsanwalt-Werden-Bilder-sehen-da-glaubt-man-nicht-dass-wir-uns-in-Wien-befinden