Ein Trecker-Convoy zum
französischen Pokalfinale
Hilfe, die Bauern kommen!
Für Auswärtsspiele reisen Fans manchmal mit
Bussen durch Afrika oder mit alten PKW durch Russland. Jetzt sind Anhänger von
EA Guingamp mit Traktoren 480 Kilometer nach Paris gefahren. Warum nur?
Fußballfans machen manchmal
verrückte Sachen – vor allem wenn es auf Auswärtsfahrt geht. Vielleicht hängt
das mit der Sehnsucht nach dem Urpsrünglichen zusammen, denn auf der Autobahn
oder in der Eisenbahn gibt es noch keine engen Drehkreuze oder eine stetig
stampfende Kirmesmusik, die einem die gute Laune diktieren will. Es gibt auch
keine Eckenverhältnisse, die von der Meyer-und-Söhne-Versicherung präsentiert
werden. Und es gibt keine Ordner, die einem sagen, dass man sich nun mal wieder
hinsetzen soll. Auswärtsfahrten sind das letzte große Abenteuer im modernen
Fußballs, unterwegs sein, und die Hoffnung, abseits der immergleichen
Fußballarenen ein bisschen was zu erleben. 2010 fuhren zwei Fußballfans mit
einem VW-Bus von Hamburg nach Kapstadt, um sich die Spiele der
Weltmeisterschaft anzusehen. 2009 reisten drei wahnsinnige Jungs aus St.
Petersburg mit einem PKW ins 10.000 Kilometer entfernte Wladiwostok, wo ihr
Klub Zenit auf FC Luch-Energiya traf. Nach Hause fuhren sie mit der
transsibirischen Eisenbahn, weil das Auto irgendwann den Geist aufgab.
Auch die Fans von Darmstadt 98
waren stets abenteuerlustig. Einmal in Europa spielen, sagten sich die Anhänger
von Darmstadt 98 vor einigen Jahren und erklärten die Regionalligapartie in
Memmingen kurzerhand zum Europapokalspiel. Das ging so weit, dass einige von
ihnen per Billigflieger von Frankfurt über Barcelona anreisten. Weil das so
toll klappte, wiederholten sie die Aktion in dieser Saison, als sie mit einem
extra gecharterten Flugzeug, der »Lilien-Air«, zum Auswärtsspiel nach Rostock
reisten.
Drogba und Malouda kommen aus Guingamp
Nun haben die Anhänger von EA
Guingamp in puncto Abenteuerreise nachgelegt. Hunderte von ihnen sind am
vergangenen Wochenende mit einem Traktor zum französischen Pokalfinale nach
Paris gereist. Der Ligue-1-Klub ist vor allem
bekannt, weil er Spieler wie Florent Malouda oder Didier Drogba hervorgebracht
hat. Sonst weiß man abseits von Europa nicht viel von EA Guingamp. 1996 siegte
der Klub im Intertotocup und qualifizierte sich für den Uefa-Cup, wo er sich
gegen Inter Mailand im San Siro ein überraschendes 1:1 erkämpfte. Das Erreichen
des diesjährigen Pokalfinales war allerdings nicht der größte Erfolg der
Vereinsgeschichte, denn bereits 2009 hatte Guingamp überraschend den französischen
Poka gewonnen.
15.000 Fans, 7000 Einwohner!
Wirklich außergewöhnlich sind
allerdings die Fans, denn zu den Heimspielen kommen meist mehr als doppelt so
viele Zuschauer wie die Stadt Einwohner hat. Guingamp ist ein 7000-Seelen-Nest
in der Bretagne. Wenn man aus dem verwinkelten Dorf hinausfährt, sieht man
nichts als Felder, Wiesen und Bauernhöfe. Der Verein wird von seinen Fans
liebevoll die »Farmer« genannt. Über den erneuten Finaleinzug waren die
Anhänger außer sich vor Freude, denn das Team hatte im Halbfinale das
Starensemble vom AS Monaco ausgeschaltet. Auch deswegen organisierten einige
von ihnen am Wochenende die außergewöhnlichste Auswärtstour ihres Lebens. Sie
machten ihrem Spitznamen alle Ehre und fuhren 480 Kilometer per Traktor nach Paris.
Zwei Tage und eine Nacht auf der Autobahn, in einem Konvoy, bei dem selbst Kris
»Rubber Duck« Kristofferson die Spucke weggeblieben wäre. Die Spieler schienen
so beeindruckt, dass sie Stade Rennes locker mit 2:0 besiegten. Die Fans waren
danach komplett euphorisiert. »Die Traktoren haben uns Glück gebracht!«,
schrieb einer bei Twitter. Und ein anderer jubelte: »Vergiss nie, wer du bist!«
Vielleicht ein guter Hinweis für alle Mannschaften, für die es am kommenden
Wochenende noch um was geht. Nur für den HSV und seine Fans sieht die Sache
wieder mal etwas komplizierter aus. Wobei ein Dinosaurier-Korso sicherlich
ziemlich imposant aussehen würde.