Rechte Gewalt beim Nordderby
Hooligans an Bord
130 Neonazis und Hooligans kommen per Schiff offensichtlich
gewaltbereit nach Bremen. Doch die Polizei lässt sie laufen. Im Anschluss jagen
die Schläger Passanten und greifen Journalisten an.
Hatten von der Polizei wenig zu befürchten: die Neonazis und
Hooligans, die sich zum Nordderby eingeschifft hatten. Bild: Thomas Humboldt
BREMEN taz | Sie trugen Turnschuhe, grün-weiße Sturmhauben
und Pullover mit der Aufschrift „Fußball und Gewalt“: Mit einem Schiff haben am
Samstag 130 Neonazis und Hooligans versucht, das Bremer Weserstadion zu
erreichen. Dort lief das 100. Nordderby zwischen Werder Bremen und dem HSV.
Vermummt und mit einem metergroßen Transparent gegen die verfeindeten Hamburger
schipperten die Hooligans die Weser hoch.
Die Polizei hatte wegen dieses Risiko-Spiels viel zu tun,
war mit etwa 1.000 Beamten im Einsatz, hatte die Reiterstaffel aus Hannover und
Wasserwerfer aufgefahren. An einem solchen Tag zu wissen, wo sich der
aggressivste, der gewaltsuchende Teil der Fans aufhält, sollte nicht schaden.
Doch nach einer Polizeikontrolle wurde ein Teil der Hooligans ohne Begleitung
laufengelassen.
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Sie machten anschließend Jagd auf umstehende Passanten,
rannten ihnen in Seitenstraßen hinterher. Auch auf die
Rechtsextremismus-Expertin Andrea Röpke und einen weiteren Journalisten gingen
sie los. Sie wurden bespuckt, beleidigt und in eine Sackgasse gedrängt. Erst
nach einem Hilferuf kamen zwei Polizisten hinzu, die Journalisten konnten in
einem Taxi flüchten.
„Es war bedrückend und gruselig – vor allem die Masken“,
sagte eine der Umstehenden. „Ich kann es immer noch nicht fassen, dass die ohne
Polizeibegleitung in kleinen Grüppchen losziehen durften.“ Sie selbst musste
auch vor den Nazi-Hooligans fliehen und möchten ihren Namen nicht in der
Zeitung lesen.
Den Spieltag, der für Werder Bremen schließlich mit eins zu
null ausgeht, bezeichnete die Polizei im Nachhinein insgesamt als „relativ
friedlich“. Doch dass jene 130 Schiffsgäste, teils mit einschlägigen
Vorstrafen, sich an die Spielregeln nicht würden halten wollen – daran ließen
sie keinen Zweifel. Sie hatten es zuvor sogar schon in Anwesenheit der
Polizisten angekündigt.
Noch auf dem Weg zum Stadion war das Hooligan-Schiff von der
Wasserschutzpolizei aufgehalten und zum Anlegen gezwungen worden. Am
Martini-Anleger in der Bremer Innenstadt wurden die Männer einzeln
kontrolliert. Anlässlich des Jubiläumsspiels hatten sich die Neonazi-Hooligans
der Bremer „Standarte“ mit befreundeten Fans aus Essen zusammengetan. Mit
dabei: Hannes Ostendorf, Sänger der Rechtsrock-Band Kategorie C in langem,
schwarzem Ledermantel, der stadtbekannte Neonazi-Hooligan André S. und Daniel
Fürstenberg, ehemaliger Kandidat der NPD in Verden.
Während der Kontrolle waren einzelne der Gruppe weiterhin
mit Sturmhauben vermummt und mussten sie nicht abnehmen. Manche riefen
Beleidigungen und Drohungen aus, einer hob die falsche Hand zum Hitlergruß, der
auch mit links strafbar ist. Die Bande auf dem Schiff festzusetzen, wäre für
die Polizei einfach gewesen.
Einsatzziel allerdings war es vornehmlich, an Bord
befindliche Pyrotechnik sicherzustellen. Es seien deswegen einige Strafanzeigen
gestellt worden, hieß es von der Polizei-Pressestelle. Ein genauer Bericht
liege erst Anfang der Woche vor. An Bord seien auch Rechtsextreme gewesen, die
ganze Gruppe pauschal einzusperren, sei allerdings nicht möglich gewesen. Das
wäre eine „Stigmatisierung“, so eine Polizeisprecherin.
Erst im Februar hatte der Bremer Senat auf eine Anfrage der
CDU-Fraktion zum Thema Hooligans geantwortet: Für diese sei das Sportereignis
eine „Nebensache“. Und tatsächlich: Als die Polizei die gewaltsuchenden Männer
unbegleitet laufen ließ, verteilten die sich in alle Richtungen – nur nicht in
Richtung Stadion.