Nach den Drohgebärden schweigt Red Bull Leipzig
Die DFL prüft aktuell die Anträge der Fußballklubs auf eine Lizenz für die Zweite Liga, darunter auch die Bewerbung von Drittligaverein RB Leipzig. Den Red-Bull-Klub scheint nichts mehr aufzuhalten.Von Lutz Wöckener
Zumindest fußballerisch war es ein gutes Wochenende für Red Bull. Während die Motorenprobleme des neuen Formel-1-Boliden von Weltmeister Sebastian Vettel auch bei den letzten Testfahrten nicht in den Griff zu bekommen waren, vergrößerte RB Salzburg den Vorsprung an der Tabellenspitze der österreichischen Bundesliga dank eines 6:3 über Rapid Wien auf 22 Punkte. Zuvor hatte bereits RB Leipzig mit einem 2:0 gegen Elversberg seine Aufstiegsambitionen in Deutschlands Zweite Liga bekräftigt.
Sportlich scheint der Durchmarsch des Aufsteigers kaum mehr zu stoppen. Die Mannschaft wirkt gefestigt, verfügt bei Ausfällen wie von Angreifer Daniel Frahn am Sonntag über die nötigen Alternativen und hat sich mit einem Punktepolster von fünf Zählern in den zum direkten Aufstieg berechtigenden Plätzen festgesetzt.
Mit dem Einreichen der schriftlichen Bewerbung für die Teilnahme an der Zweiten Liga in der Saison 2014/2015 haben die Leipziger nun auch die erste Voraussetzung im Lizenzierungsverfahren der Deutschen Fußball Liga (DFL) geschaffen. Doch auch wenn die Erfüllung der in Paragraf zwei der DFL-Lizenzierungsordnung geforderten personellen und administrativen, infrastrukturellen, finanziellen und medientechnischen Kriterien schon heute sichergestellt sind, scheint die Entscheidung über die Vergabe zumindest theoretisch weiter offen.
Am entscheidenden Punkt angekommen
Mit der Entscheidung über die Lizenz ist Red Bull an seinem existenziell entscheidenden Punkt des vor fünf Jahren gestarteten Versuchs angekommen, einen eigenen deutschen Klub und damit einen exklusiven Werbeträger schnellstmöglich bis in die Bundesliga zu hieven – wichtiger als jedes Spiel und jeder Transfer. In den kommenden Wochen wird sich entscheiden, ob RB Leipzig der Eintritt in die exklusive Welt des deutschen Fußballs gewährt wird. Mit dem Sprung in die Zweite Liga wäre für den vom österreichischen Brausehersteller finanzierten Klub jedenfalls der Weg frei. Es ist die höchste, aber auch letzte Hürde.
Die DFL hingegen steht vor einer Grundsatzfrage, die sie bislang nicht beantworten wollte oder konnte, allerdings auch nicht musste, da die Zuständigkeiten bis zur Dritten Liga in den Bereich des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) fallen. "Wir werden uns das ganz genau anschauen und prüfen", hatten die Geschäftsführer Christian Seifert und Andreas Rettig stets betont.
Beide Seiten, Vertreter der in der DFL organisierten Klubs wie auch die Leipziger, ließen in den vergangenen Monaten mehrmals Testballons steigen. Während die Gegner immer wieder die ungewöhnlichen Strukturen von RB mit zu hohen Eintrittsbarrieren für Mitglieder bemängelten und diese als hinreichenden Grund für eine Lizenzverweigerung nannten, meinten die Leipziger fest, dass die "50+1"-Regelung der DFL, die die Stimmenmehrheit eines Investors bei einer Kapitalgesellschaft verhindern soll, juristisch auf wackeligen Beinen stehe. Muskelspiele und Drohgebärden auf beiden Seiten – die aber der Vergangenheit angehören.
Red Bull stellt die Kommunikation ein
Aktuell schweigen alle Beteiligten beharrlich. Das Szenario, bei dem sich die Parteien schon bald vor einem Gericht wiederfinden könnten, ist nicht ausgeschlossen und sorgt für erhöhte Vorsicht. Bei Red Bull haben sie sich auf höchster Führungsebene für eine Kommunikationsstrategie der Stille entschieden. Bis zur Lizenzvergabe oder -verweigerung wird es weder vom Firmensitz aus Fuschl noch aus Salzburg oder Leipzig einen Kommentar geben. Auch die RB-Gegner befürchten, dass mögliche Äußerungen vor Gericht negative Auswirkungen haben könnten – und schweigen.
Es geht daher nun um einen Kompromiss, wie beide Seiten – DFL und Red Bull – ihr Gesicht wahren können. Fest steht, dass die Leipziger bei den meisten Vereinsvertretern wie auch den deutschen Fußballfans nicht willkommen sind. Es gilt aber auch als wahrscheinlich, dass die Leipziger, die im Vorfeld bereits einige Zugeständnisse gemacht hatten und ihre Satzung leicht modifizieren werden, vor einem ordentlichen Gericht Recht zugesprochen bekämen und sich so theoretisch in die Zweite Liga klagen könnten.
Für die DFL stellt der Rechtsweg daher keine echte Alternative da, und auch Red Bull wird den Marketing-GAU, das Einklagen seines Klubs, gern vermeiden. Über die Zukunft von RB Leipzig dürfte in den kommenden Wochen daher in Frankfurter Hinterzimmern entschieden werden.
Es ist eine moralische Frage
Machen die Leipziger weitere Zugeständnisse, werden sie – so ist anzunehmen – die Lizenz ohne weitere Auflagen bekommen. Auch wenn die DFL-Geschäftsführung um den Vorsitzenden Christian Seifert und den Geschäftsführer Andreas Rettig dem von einigen Kritikern als "Schmuddelkind des deutschen Fußballs" betitelten Klub am Ende nur zähneknirschend die Tür aufhalten werden.
Bei allen juristischen Spitzfindigkeiten geht es letztlich allein um die grundsätzliche Frage, ob ein Klub, dessen grundsätzlicher Zweck die Bewerbung eines Produkts ist, in der Bundesliga mitspielen darf. Das kann und muss moralisch jeder für sich selbst beantworten. Juristisch aber scheinen es die Gegner innerhalb der DFL verpasst zu haben, rechtzeitig entsprechende Satzungsänderungen vorbereitet und mehrheitsfähig gemacht zu haben. So traurig das für manch einen klingen mag.