Freitag, 14. Februar 2014

"Reiseverbot" für gewalttätige Fußballfans

Der Deutsche Städtetag hat am Mittwoch in München auch das Thema Gewalt im Fußball diskutiert. Seine Anregung: Wer im Zusammenhang mit Fußballspielen als gewalttätig aufgefallen ist, müsse durch Meldeauflagen daran gehindert werden, zu Spielen anzureisen.

Die Diskussion über Gewalt im Fußball ist nicht neu. Und auch, was der Deutsche Städtetag am Mittwoch mitteilte, war schon oft Thema. Dennoch, sicherheitshalber, es kann ja nicht schaden: Zum "Schutz unbeteiligter Bürger" müssten "gewaltbereite und gewalttätige Einzelpersonen und Gruppen auch konsequent strafrechtlich verfolgt werden", so formulierte es Dr. Eva Lohse, Vizepräsidentin des Städtetags und Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen.

Diese Forderung ist mäßig originell - und wurde in den vergangenen Monaten und Jahren von so ziemlich allen Beteiligten immer wieder benannt. Ganz so, als führe der Rechtsstaat ausgerechnet bei Sport-Gewalttätern eine ganz lockere Linie.

Lohse weiter: "Fußball hat als Breiten- und als Spitzensport eine besondere Bedeutung für unsere Gesellschaft, für viele Menschen übt Fußball eine besondere Identifikationskraft aus. Deshalb darf es nicht sein, dass einige gewaltbereite Fans oder Chaoten diesen Sport diskreditieren." Auch das eine Standardformel aus dem Vokabular der Fußball-Kritik. Allein die ständige Wiederholung, was nicht sein "darf", beseitigt jedoch die Probleme nicht. Und wirkliche Lösungen sind weiterhin nicht in Sicht, schlimmer noch: kann es vielleicht gar nicht geben.

Dass der Städtetag ausdrücklich die Arbeit der Fanprojekte lobte, die Gewalt vorbeugten, ist letztlich auch nur Ausdruck von Machtlosigkeit. Die Arbeit der Fanprojekte soll nicht geschmälert werden - aber sie haben schon in der Vergangenheit nicht verhindert, dass sich Gewalt im Fußball Bahn bricht. Sie erreichen ja gar nicht erst die angesprochene Klientel.

Es gelte, so heißt es weiter, die "Gewaltprävention zu intensivieren". Als sei das nicht längst ständiges Thema zwischen Polizei, Vereinen und Sicherheitsbeauftragten. Man müsse alle "strafrechtlichen Mittel" ergreifen, um potenziell gewalttätige Personen daran zu hindern, zu Fußballspielen zu reisen. Das "Problem" ist natürlich, dass im deutschen Recht nun einmal die Strafe der Tat folgt - und dieser Grundsatz gilt im besonderen "Fußball-Recht" schon heute nur noch begrenzt.

Beispiel Stadionverbot oder Betretungsverbot: Auf bloßen Verdacht hin können sie heute ausgesprochen werden - noch ehe überhaupt eine Tat begangen wurde. Ein noch "intensivere" Prävention wäre ja eigentlich nur noch Haft.

Genaugenommen ist es fast ärgerlich, mit welchen Forderungen sich der Städtetag zu Wort meldet. Die Vereine müssten "vorhandene Sanktionsinstrumente anwenden" - zum Beispiel durch konsequente Stadionverbote. Dass in (Fußball-)Deutschland gerade über Stadionverbote seit Jahren immer wieder diskutiert wird. Die Diskussion ist längst weiter als der Städtetag. Heute geht es schon wieder darum, ob Stadionverbote nicht viel zu schnell verhängt werden.

Verfahren gegen "Fußball-Rowdys" müssten "schneller vor Gericht kommen und zeitnäher abgewickelt werden", schreibt der Städtetag weiter. Dabei ist es heute schon eher die Regel als die Ausnahme, dass Täter schon im Stadion ausfindig gemacht und tatsächlich zeitnah sanktioniert werden. Mit Kameras werden heute ganze Fankurven hochaufgelöst beobachtet. Immer häufiger ist die Rede vom "Stadion-Staatsanwalt", der auf kurzem Dienstweg Verfahren abhandelt.

Und um Zwischenfälle außerhalb der Stadien zu unterbinden, gleichen die Anreisewege von Gästefans zu den Stadien schon längst bewachten Hochsicherheitszonen. Man fragt sich, wann Dr. Eva Lohse zuletzt in einer Gruppe von Fans in ein Stadion eskortiert wurde - begleitet von schwer gepanzerten und bewaffneten Einsatzkräften der Bundespolizei, unter Blaulicht, gefilmt und zusammengepfercht wie eine Herde Tiere. Selbst der unbeteiligste und friedlichste Fan dürfte schon einmal die Fäuste in der Tasche geballt haben, wenn er bei der Ankunft in einem fremden Bahnhof wie ein Schwerverbrecher behandelt wurde.

Vielleicht müsste auch noch einmal diskutiert werden, welchen Anteil die Polizei-Strategie der absoluten Kontrolle am Aggressions-Potenzial der Fans hat? Es ist nicht alles so simpel, als dass man es mit einfachen Strategien lösen könnte - das zeigt sich Woche für Woche. Populistische und wohlfeile Forderungen wie die des Städtetags machen das Problem sicher nicht kleiner.

Natürlich ist es nicht akzeptabel, wenn sich gewalttätige Szenen auf die Straße und verlagern und Unbeteiligte in Gefahr geraten - so wie jüngst in Köln. Oder wenn Testspiele von Klubs im Ausland missbraucht werden als "Box-Vergnügen". Aber was nützen Distanzierungen und Stadionverbote, wenn die Täter am Sport selbst nur begrenztes Interesse haben? Und wenn im Versuch, die Kriminellen auszusieben, gleich ganze Fanszenen in Verruf gebracht werden?

Übrigens lohnt ein Blick ins Nachbarland Schweiz - soll es wirklich so wie dort kommen? Seit 2012 greift dort eine Art verschärftes "Betretungsverbot" für die Bereiche rund um Sportstätten. Wer auffällig wurde, darf gar nicht erst anreisen. Darüberhinaus können Behörden nach eigenem Ermessen für alle Besucher den Alkoholausschank unterbinden, Sicherheitsdienste einsetzen, Meldeauflagen auszusprechen - und umfangreiche Leibesvisitationen durchführen. Auf Verdacht hin.

Verbote und Auflagen für alle - damit einige wenige ausgeschlossen werden. Soll das die schöne neue Welt auch in Deutschland werden?

Es geht aber insgesamt noch oberflächlicher: Vereine und Fangruppen müssten sich "eindeutig von Straftätern" distanzieren. Das sind Forderungen aus dem Phrasenschwein. Floskeln, die Fußballfans heute im Tiefschlaf aufsagen können, so oft werden sie genutzt. Dummerweise sorgt die ständige Wiederholung solcher Phrasen auch dafür, dass sich das verzerrte Bild eines durch Gewalt bedrohten Sports in der Wahrnehmung des Beobachters festsetzt.

Kurzum: Der Städtetag hat keinerlei sinnvollen Beitrag zum Thema geleistet, aber immerhin auch noch mal nachgeplappert, was ohnehin alle sagen.

http://www.westline.de/fussball/news/De ... 22,1729667