Elisabeth Petznek (* 2. September 1883 in Laxenburg, Niederösterreich;
† 16. März 1963 in Wien; geboren als Erzherzogin Elisabeth Marie Henriette
Stephanie Gisela von Österreich; geschiedene Windisch-Graetz) war die einzige
Tochter des Kronprinzen Rudolf. In der Republik wurde sie als „rote
Erzherzogin“ bekannt.
Elisabeth Marie war das einzige
Kind des österreichisch-ungarischen Kronprinzen Rudolf und seiner Frau
Stephanie von Belgien. Sie wurde in der Familie „Erzsi“ genannt, die ungarische
Koseform von Elisabeth. Erzsi war erst fünf Jahre alt, als sich ihr Vater
zusammen mit seiner Geliebten Mary Vetsera am 30. Jänner 1889 in Mayerling das
Leben nahm. Nach diesem Schicksalsschlag nahm sich ihr Großvater, Kaiser Franz
Joseph, seiner „Lieblingsenkelin“ besonders
an. 1900 heiratete ihre Mutter Stephanie in zweiter Ehe den ungarischen Grafen
Elemér Lónyay von Nagy-Lónya und Vasaros-Nameny und schied damit aus der
österreichischen Dynastie Habsburg-Lothringen aus. Erzsi hatte danach kaum noch
Kontakt zu ihr. Das Verhältnis war zudem dadurch belastet, dass sie ihrer
Mutter eine Mitschuld an der Tragödie von Mayerling gab. Ihren toten Vater
Rudolf und seine Geliebte Mary von Vetsera betrauerte sie zu jedem Todestag.
Erzherzogin Elisabeth Marie hatte keine materiellen Sorgen. Der Kaiser hatte
sie großzügig mit Mitteln versorgt, auch von dem Erbe ihrer Großmutter Sisi
erhielt sie einen erheblichen Betrag. Sie verliebte sich im September 1900 in
Prinz Otto zu Windisch-Graetz (1873–1952). Ihr Heiratswunsch stieß jedoch
anfangs auf den Widerstand des Kaisers, da Windisch-Graetz nicht ebenbürtig war
und für Elisabeth Marie eine Verbindung mit dem deutschen Kronprinzen Wilhelm
in Aussicht genommen war. Sie hielt aber auch nach einer ihr auferlegten
Bedenkzeit an Windisch-Graetz fest, so dass Kaiser Franz Joseph schließlich
einwilligte.
Elisabeth Marie schied aus dem
Haus Habsburg-Lothringen aus und verzichtete damit auf alle Ansprüche, z. B. im
Notfall aus dem Familienversorgungsfonds der Dynastie unterstützt zu werden, Windisch-Graetz
wurde anlässlich der Hochzeit in den Fürstenstand erhoben. Die Verlobung wurde im Schloss Hetzendorf
gefeiert, die kirchliche Trauung in der Hofburg–Kapelle vollzogen. Die Braut
war 18 Jahre, der Bräutigam um zehn Jahre älter. Elisabeth fühlte sich erstmals
in ihrem Leben frei. Aus der am 23. Jänner 1902 geschlossenen Ehe gingen vier
Kinder hervor. Die Ehe verlief jedoch nicht glücklich und war durch angeblich
häufige beiderseitige Untreue und Eifersucht gekennzeichnet. Der Legende nach
soll Elisabeth Marie sogar einmal in Prag auf eine Geliebte ihres Mannes
geschossen und sie schwer verletzt haben. 1911 kaufte Elisabeth Schloss Schönau
und ließ es kostspielig umgestalten. Davor besaß es Otto Franz Joseph von
Österreich, ein Neffe Kaiser Franz Josephs. Fortgesetzt wurde in der
Gesellschaft des Kaiserreiches über die Untreue des Otto Windisch–Graetz
gemunkelt. Die Eheleute entfremdeten sich immer mehr, und Elisabeth Marie
verbrachte die Winter mit ihren Kindern, getrennt von ihrem Mann, in Istrien.
Dort lernte sie 1913 in Pola Linienschiffsleutnant Egon Lerch kennen, mit dem
sie eine zumindest freundschaftliche Beziehung verband, bis er im August 1915
als U-Boot-Offizier fiel.
Im Ersten Weltkrieg scheiterte
die Ehe endgültig. Erstmals hatte sie im August 1915 ihren Mann Otto mit ihrem
Scheidungswunsch konfrontiert. Der betagte Kaiser, der grundsätzlich gegen
Scheidungen war, willigte allerdings nicht ein. Nach dem Tod des Kaisers kam es
zu heftigen Auseinandersetzungen um das Sorgerecht für die Kinder, die erst
1924 beigelegt wurden, als sich das Paar definitiv trennte. Die Ehe wurde
damals, nach anderen Quellen aber erst im Februar 1948 offiziell geschieden.
Hintergrund war ein 1921 von Otto Windisch–Graetz angezettelter
Gerichtsbeschluss, der ihm die Kinder zuteilte. Damals stand das Gericht
traditionell auf Seiten des Mannes. Die Kinder weigerten sich aber verzweifelt,
vom Vater mitgenommen zu werden.
Als schließlich sogar der Richter
samt Gerichtsvollzieher und 22 Gendarmen nach Schloss Schönau kam, um die
Kinder abzuholen, blockierten an die hundert sozialdemokratische Arbeiter den
Eingang. Der Richter musste abziehen. Dieser Vorfall beschäftigte die
internationale Presse und die Regierung. Das vom Ehemann erzwungene
Gerichtsverfahren wurde eingestellt und die Kinder blieben bei der Mutter. Gesetzeskonform
war Elisabeth 1924 offiziell „von Tisch und Bett getrennt“, aber nach der
damaligen kirchlich bestimmten Gesetzgebung nicht endgültig geschieden, wodurch
eine Wiederverheiratung unmöglich war (vgl. auch Eheaufhebung und
Ehescheidung). Erst 1948 erreichte sie die Beseitigung aller diesbezüglichen
bürokratischen Hindernisse.
Elisabeth Windisch-Graetz, deren
Adelstitel mit dem österreichischen Adelsaufhebungsgesetz 1919 aufgehoben
wurde, lebte mit ihren Kindern aus der früheren Ehe mit Fürst Windisch-Graetz
auf ihrem Anwesen Schloss Schönau im niederösterreichischen Schönau an der
Triesting wenige Kilometer südlich von Wien. Bei einer Wählerversammlung der
Sozialdemokraten in Leobersdorf lernte sie 1921 ihren späteren Ehemann, den
Lehrer und sozialdemokratischen niederösterreichischen Landtagsabgeordneten
Leopold Petznek (1881–1956) kennen, mit dem sie bald eine herzliche Beziehung
einging. Sie öffnete ihren Schlossgarten für die Kinder der trostlosen
Arbeitersiedlungen in der Umgebung und half mit Gemüse und Obst von den Feldern
des Schlosses. Daraus ergaben sich Kontakte mit den sozialdemokratischen
Kinderfreunden. Elisabeth Windisch-Graetz beschäftigte sich zunehmend mit der
Sozialdemokratie. Petznek motivierte wohl Elisabeth Windisch-Graetz zur
Annäherung an die Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP), der sie im Oktober
1925 beitrat. Ihr frauenpolitisches Verständnis brachte sie 1927 in einem
langen Zeitungsinterview zum Ausdruck: Die Sozialdemokraten allein haben den
Frauen mit der Tat geholfen. […] Die Zukunft gehört dem Sozialismus. Weiterhin
engagierte sich Elisabeth vor allem bei den Kinderfreunden, für die sie am 1.
Mai rote Papiernelken verkaufte. Amüsiert erzählte sie später, dass sie manchmal
von Genossinnen mit „kaiserliche Hoheit“ angesprochen wurde. Im Herbst 1927
lernten sie und ihre Tochter Stephanie Eleonore den späteren Bundeskanzler
Bruno Kreisky kennen. Kreisky erinnerte sich fast 60 Jahre später: Es war übrigens der erste Parteitag, an
dem ich als Zuhörer auf der Galerie teilnahm, und er ist mir auch deshalb gut
in Erinnerung geblieben, weil ich neben der Prinzessin Windisch-Graetz saß, die
ihre bildhübsche Tochter mitgebracht hatte. Die „rote Prinzessin“, wie sie
genannt wurde, war […] eine interessante Erscheinung, eine der schönsten
Enkelinnen Franz Josephs.
Der Legende nach soll Kreisky
auch noch später im Kreise seines Parteivorstandes wiederholt gesagt haben,
dass man für alltagstaugliches Politikverständnis ausschließlich von Arbeitern
und von Hochadeligen etwas lernen könne. Elisabeths Vorstellung von der
Sozialdemokratie soll von Kreiskys politischer Überzeugung geprägt gewesen
sein, der Kernauftrag der Sozialdemokratie sei die permanente Sicherstellung
des gerechten Alltags und des sozialen Friedens für alle Menschen. 1929
verkaufte sie ihr Schloss Schönau und kaufte statt dessen ein Palais am
Wolfersberg im Westlichen Wienerwald im Bezirksteil Hütteldorf, Linzer Straße
452. Dieser Bezirksteil befand sich damals im 13. Wiener Gemeindebezirk
Hietzing, seit 1938 im 14. Wiener Gemeindebezirk, Penzing. Das Gebäude ist bis
heute als Windisch-Graetz-Villa bekannt. Das Villenanwesen, in dem sie mit
ihrem Lebensgefährten Petznek von 1930 an wohnte, kannte Elisabeth seit ihrer Kindheit.
Die Mitte des 19. Jahrhunderts von Hofarchitekten errichtete
Spätbiedermeiervilla und ihr ausgedehnter Park waren in einer Karte von 1872
westlich des Zentrums von Hütteldorf zwischen Wolfersberg im Norden und
Nikolaiberg im heutigen Lainzer Tiergarten im Süden, jenseits des Wienflusses,
eingezeichnet. Wie im benachbarten Jagdschloss Esterházy zogen den Hochadel
auch hier die privaten Jagdeinladungen der Habsburger in die Wienerwaldberge
an. Der unmittelbar angrenzende Wolfersberg, der benachbarte Bierhäuselberg und
das gegenüber liegende, später Lainzer Tiergarten genannte Areal waren private
Jagdreviere des Kaiserhauses. Beispielsweise wurde 1846 in der Nähe von
Elisabeths späterer Villa der letzte Wolf im Wienerwald durch Erzherzog Franz
Karl von Österreich, dem Vater Kaiser Franz Josephs, erlegt. Leopold Petznek
wurde von der Diktatur Dollfuß’ 1934 vorübergehend verhaftet. Danach
engagierten sich beide für Familien, deren sozialdemokratische Angehörige
inhaftiert waren. Petznek wurde 1944 ein zweites Mal verhaftet und ins
Konzentrationslager Dachau verschleppt. Von dort konnte er erst zum Ende des
NS-Regimes, 1945, heimkehren. Von 1945 bis 1947 war er, vom Nationalrat
gewählt, Präsident des Rechnungshofes. Elisabeth heiratete ihn am 4. Mai 1948.
(Die Angabe 14. Mai beruht auf einem Tippfehler.) Die Villa in Hütteldorf war
indessen von September 1945 bis Februar 1955 vom Oberbefehlshaber der
französisch besetzten Zone Österreichs, General Emile Béthouart, beschlagnahmt
(sie lag im französischen Sektor Wiens). Erst nach dem Abschluss des
Staatsvertrags, 1955, konnte das Paar in sein Haus zurückkehren, als beide
schon schwer krank waren. Leopold Petznek starb, 75-jährig, 1956. Zeit ihrer
SPÖ–Mitgliedschaft unterstützte sie die Sozialdemokratie aktiv, auch durch ihre
Anwesenheit bei Parteiveranstaltungen. Ein schweres Rheuma und das Leben im
Rollstuhl zwangen Elisabeth, sich aus der Öffentlichkeit in ihre Villa
zurückzuziehen, wo sie unter anderem von ihrem engen Parteifreund Bruno Kreisky
besucht wurde. Zuletzt verfasste sie ein Testament, in dem sie auch die
SPÖ-regierte Stadt Wien begünstigte. Darin legte sie bezüglich ihrer Beisetzung
fest, dass diese (im Gegensatz zu ihrer Geburt, die in ganz Österreich-Ungarn
mit Geschützsalven, Militärparaden und Fackelzügen gefeiert wurde) in aller
Stille stattfinden solle. Elisabeth Petznek starb 1963 mit 79 Jahren und wurde
auf dem Hütteldorfer Friedhof in Wien im gleichen Grab wie ihr Mann (Gruppe 2,
Nummer G72) beerdigt. Im Grab waren vor den beiden zwei Söhne Elisabeths aus
der Ehe mit Otto Windisch-Graetz, Rudolf († 1939) und Ernst († 1952), bestattet
worden. Seit 1998 ist nach ihr die Elisabeth-Petznek-Gasse benannt, eine kurze
Seitengasse der Hüttelbergstraße, in Luftlinie etwa 500 Meter von der
Windisch-Graetz-Villa entfernt.
Elisabeth verfügte über
beträchtliches Vermögen, wobei sie den großflächigen Park ihrer Penzinger
Windisch–Graetz–Villa, in bester Wiener Wohnlage, der Stadt Wien zur Errichtung
einer neuen Wohnhausanlage überließ. Das ursprüngliche Gesamtareal, in der
heutigen Linzer Straße 448 bis 452 jeweils bis zur heutigen Anzbachgasse
gelegen, wurde zwischenzeitlich geteilt und dessen östlicher Teil von
Verwandten Elisabeths vorübergehend für eine Ordensgemeinschaft verwaltet. Nach
der Beilegung teils heftiger juristischer Auseinandersetzungen zwischen einigen
erbberechtigten Verwandten Elisabeths und den Begünstigten wurden im
ursprünglich westlichen Teil des Parks, oberhalb der Villa in der Linzer Straße
452, eine soziale Gemeindewohnanlage der Stadt Wien und danach im östlichen
Teil, Linzer Straße 448 bis Anzbachgasse, eine genossenschaftlich–gemeinnützige
Parkvillenanlage errichtet, wobei der Baugrundriss der Parkvillen an Elisabeths
Villa erinnert.
1883–1902: geb. Erzherzogin
Elisabeth Marie Henriette Stephanie Gisela von Österreich
1902–1919: Fürstin Elisabeth
Marie zu Windisch-Graetz
1919–1948: Elisabeth (Marie)
Windisch-Graetz
1948–1963: Elisabeth Petznek