Montag, 3. Februar 2014

Altes und Neues von der BGB





Hellas Verona: »Wir hassen alle«

RECHTS Ende der 1960er entdeckten italienische Jugendliche das Ultra-Fankonzept. Obwohl anfangs sehr stark von einer linksgerichteten Protestkultur geprägt, entwickelten sich schon damals Gruppierungen mit rechtsradikaler Schlagseite. Als besonders auffälliges Beispiel dafür gelten einige Fangruppen von Hellas Verona. THOMAS TESAR hat sich ihre Geschichte genauer angesehen.
 
Die Stadt Verona ist historisch vorbelastet durch die Tatsache, dass sich Mussolini diese Stadt zur Verkündung seines Manifestes der faschistischen Bewegung ausgesucht hatte. So ist es nur konsequent, dass sich der 1971 gegründete Fanklub Brigate Gialloblu von Hellas Verona nach den Brigate Nere des italienischen Diktators benannte. Als weiteres Vorbild dienten die berüchtigten »Headhunters« von Chelsea, in deren »Shed« nach amikaler Besuchsfahrt schon 1976 die ersten Transparente von Verona-Fans platziert wurden. Weitere englischlastige Verona-Fanclubs wie »Deadly Sinners« oder »Hellas Army« folgten. Im exzessiven Alkoholkonsum und im Herumreisen ohne Fanutensilien, war man Vorreiter in Italien.

Die Killer aus der Kurve

Aber auch punkto englischer Filmkunst war die Norditaliener en vogue. Offenbar inspiriert durch den Film »Clockwork Orange« verübten zwei Verona-Fans, Wolfan Abel und Marco Furlan, unter dem Pseudonym »Ludwig« - eine offensichtliche Anspielung Beethoven, den Hauptsoundtracklieferanten des Kubrick-Films - mehrere Attentate und Mordanschläge. Von 1977 bis 1981 verbrannten sie einen Obdachlosen und einen Drogenabhängigen bei lebendigem Leib, richteten eine Prostituierte mit Axt und Beil, erschlugen einen homosexuellen Kellner und erstachen noch eine weitere Person. Im Jahr 1982 töteten sie drei Mitglieder des Klerus. Ab 1983 internationalisierten die Beiden ihre Verbrechen und verübten Bombenanschläge auf Pornokinos und Diskotheken mit etlichen Toten und Verletzten, unter anderem in Amsterdam und München. 1984 konnten sie endlich gefasst werden. In der darauf folgenden Gerichtsverhandlung wurden 15 Morde nachgewiesen und 27 Jahre Haft ausgesprochen.
Das alles hielt den Tifo von Verona aber 1996 nicht davon ab, seine ehemaligen Mitglieder mit dem Transparent »Gott mit uns« zu ehren. Mit diesem Motto unterzeichneten die beiden Killer ihre Bekennerbriefe. Auch die beiden faschistischen Kader, Franco Freda und Gianni Ventura - verantwortlich für den Bombenanschlag auf die Mailänder Banca Nazionale dell`Agricoltura mit 16 Toten und 86 Verletzten im Dezember 1969 - konnten sich der Solidaritätsbekundungen des Hellas-Blocks immer sicher sein.
Die Avantgardismen des Hooliganismus entstanden bei Verona immer auf einer stramm rechten Basis. Zuerst äußerten sich etwaige rassistische Manifestationen hauptsächlich in der Verachtung für Klubs aus dem Süden Italiens. Vor allem die Spieler und Anhänger des SSC Napoli mussten ein Ressentiment-Feuerwerk via Transparent (»Wascht euch«, »Keine Tierversuche, nehmt Neapolitaner«) über sich ergehen lassen.
Mit der Niederlage der radikalen Linken in Italien durch die Repression des Staates Ende der Siebziger, dem Niedergang der kommunistischen Partei und dem Wechsel vom klassischen Auswanderungsland zum Einwanderungsland entdeckte der harte Kern der Verona-Fans neue Feindbilder. In den achtziger Jahren flogen schon Bananen beim Auftritt des schwarzen Peruaners Julio Cesar Uribe von Cagliari, und auch die rechtsextreme Stärkung über die Stadien erfuhr neue Impulse.

Von der Bomberjacke zum Nadelstreif

Den Background organisierter politischer Gruppen für den Tifo von Verona stellt heute hauptsächlich die Gruppe »Forza Nuova« dar. Sie wurde 1987 gegründet, ist in ihrer Ausrichtung mit der NPD vergleichbar und fährt bei Lokalwahlen in Verona schon mal bis zu sieben Prozent ein. So sind dann auch Karrieren wie die des Ex-Hooligans Nicola Pasetto möglich, der nach seiner Zeit beim neofaschistischen MSI und der Alleanza Nazionale zum Referenzpunkt der radikalen Rechten und, als Jurist, Verteidiger von Naziskins wurde. Verona gilt aber auch zunehmend als Labor der »destra plurale«, in der sich rechtsextreme Gruppen an die Regierungskoalition Berlusconis und auch an deren institutionelle Ämter annähern. So wie Massiomo Lo Mastro, Führer und Namensgeber der rechtsgerichteten Hooligan-Vereinigung »Gruppo Loma«, der 2001 sogar für die Forza Nuova bei den Provinzwahlen antrat.
Diese institutionellen Überschneidungen und die vielleicht auch daraus resultierende, offensichtliche Unlust des Vereins, dem Treiben ein Ende zu setzen, bilden den Pool, aus dem die Rassisten des Hellas-Blocks mittlerweile sogar schon soviel Macht schöpfen können, die Einkaufspolitik des Vereines zu bestimmen. Die Verpflichtungen des Brasilianers Ze Maria, des Holländers Michel Ferrier und von Patrick Mboma aus Kamerun - allesamt schwarzer Hautfarbe - konnten jedenfalls erfolgreich verhindert werden. Bei letzterem Fall erlangte auch Veronas Präsident Giambattista Pastorello traurige Berühmtheit, als er vor laufender Kamera mit dem Satz kapitulierte: »Die Fangemeinde von Verona ist schlimm, jedenfalls was farbige Spieler betrifft.« Mehr fiel ihm dazu nicht ein. Die Hellas-Anhänger waren deutlich »kreativer«, wenn es um die Verteidigung ihrer Vorstellungen einer »ethnisch reinen« Mannschaft ging. Da tauchte man schon mal in Ku-Klux-Klan Kapuzen beim Spiel auf, oder verbrannte schwarze Puppen.
So scheinen die Ultras von Verona alles zu unternehmen, dem Titel eines Fanzines der Veneto Fronte Skinheads, Sammelbecken vieler rechtsradikaler Hooligans Norditaliens, treu zu bleiben: »Noi skin non siamo pignoli: odiamo tutti - Wir Skins sind nicht pingelig: Wir hassen alle!« Obwohl: ganz so scheint das ja nicht zu stimmen, denn weiße, männliche, heterosexuelle, rechte, gebürtige Staatsbürger oberhalb Roms scheinen davon ausgenommen. Aber wahrscheinlich auch nur, wenn sie Fans von Hellas Verona sind.

Am 8. August 2003 fand ein Freundschaftsspiel zwischen FC Wacker Tirol und Hellas Verona in Innsbruck statt. Vor dem Spiel kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und etwa 80 angereisten italienischen Fans, als diese versuchten, die Tiroler Anhänger zu attackieren. Während des Spiels fielen die Tifosi durch »Sieg Heil«-Gebrüll und rassistische Beschimpfungen ihrer eigenen Spieler auf. Die Faninitiative Innsbruck sowie mehrere Fanklubs hatten den FC Wacker schon im Vorfeld der Begegnung vor den rechtsextremen und fremdenfeindlichen Untrieben der Hellas-Hools gewarnt und eine Absage des Spiels gefordert.

Dank an Horst Leonhardsberger für die Lieferung von Hardfacts