Zuletzt aktualisiert: 18.06.2013 um 17:30
Uhr
Verurteilter Ultras-Chef: Rapid rudert zurück
Während die Justiz den Ex-Ultras-Chef für
14 Monate ins Gefängnis schickte, wurde Oliver P. trotz neuerlicher Verurteilung
von Rapid-Präsident Edlinger in Reformkommission berufen. Am Nachmittag ruderte
der Klub zurück.
Foto © GEPARapid-Präsident Rudolf
Edlinger
Im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen von Rapid-Fans am
Wiener Westbahnhof vom 21. Mai 2009 sind am Dienstag 22 Urteile des
Straflandesgerichts bestätigt worden. Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) hat die
Strafberufungen der wegen Landfriedensbruchs schuldig erkannten Fußball-Anhänger
verworfen. Das bedeutet, dass Ex-Ultras-Chef Oliver P. 14 Monate im Gefängnis
verbüßen muss. Wie der Rekordmeister mit dem damit bereits mehrfach
rechtskräftig vorbestraften Gewalttäter umgeht, wirkt einigermaßen irritierend.
In Reformkommission berufen
Statt sich von dem 30-Jährigen zu distanzieren, wurde Oliver P. nämlich vom
SK Rapid in eine Reformkommission berufen. Sein Verteidiger Marcus Januschke
legte im Justizpalast ein Schreiben vor, demzufolge der 30-Jährige von
Rapid-Präsident Rudolf Edlinger persönlich in diese Funktion gehoben wurde. Die
14 Personen umfassende Kommission, der neben Edlinger auch Ex-Präsident Günter
Kaltenbrunner und der ehemalige Trainer und Sportdirektor Ernst Dokupil
angehören, soll Vorschläge erarbeiten, "wie die Struktur und damit verbunden
auch die Satzung des Rekordmeisters so verändert werden kann, dass der SK Rapid
den Ansprüchen der nächsten Jahrzehnte gerecht werden kann", wie auf der
Homepage des Vereins nachzulesen ist.
Wie Oliver P. dem OLG-Berufungssenat erläuterte, soll er innerhalb der
Kommission, die Anfang Juni das erste Mal zusammengetreten ist, "ein Bindeglied
zwischen Verein und der Fan-Szene sein". Er habe sich zu diesem Zweck "aus der
vordersten Organisation der Fan-Gruppe zurückgezogen", ergänzte sein
Rechtsbeistand. Laut nunmehr rechtskräftigem Urteil hat sich Oliver P. in
führender Funktion an den Ausschreitungen am Westbahnhof beteiligt, indem er
Dutzende Rapid-Anhänger anfeuerte und dirigierte, die von einer Auswärtspartie
in Linz heimkehrende Austria Wien-Fans in Empfang nehmen wollten. Bei der
Strafbemessung war eine einschlägige Vorstrafe erschwerend: Der Ex-Ultras-Capo
war nach gewalttätigen Ausschreitungen bei einem Auswärtsmatch in Kapfenberg
bereits einmal wegen Landfriedensbruchs verurteilt worden.
Dass er den Berufungssenat (Vorsitz: Werner Röggla) um eine gänzlich bedingte
Strafnachsicht ersuchte, nahm das Gericht mit für Prozessbeobachter ebenso
ersichtlicher Verwunderung zur Kenntnis wie seinen offensichtlich anhaltenden
"guten Draht" zu Entscheidungsträgern beim Rekordmeister. Nach der
erstinstanzlichen Erledigung der Causa Westbahnhof im Jänner 2012 war Oliver P.
nämlich im Dezember 2012 vom Bezirksgericht Wien-Fünfhaus neuerlich abgeurteilt
worden - zum einen wegen einer versuchten Körperverletzung am Rande eines
Heimspiels des SK Rapid, als er einem Kontrahenten zwei Schläge ins Gesicht
versetzte, zum anderen wegen Sachbeschädigung, weil er bei einem Auswärtsspiel
in Ried die Scheibe eines Busses eingeschlagen haben soll.
Rapid kündigt Neubesetzung
Rapid-Präsident Rudolf Edlinger erklärte am Nachmittag, dass für den
verurteilten Ex-Ultras-Chef in Zukunft kein Platz mehr im Gremium sein werde.
"Nach der nun rechtsgültigen Verurteilung ist [...] klar, dass die aktive
Fanszene zukünftig in der Reformkommission durch eine andere Person vertreten
sein wird", wurde Edlinger in einer Vereinsaussendung zitiert.
Wie der Klub erläuterte, sei Oliver P. als von der "aktiven Fanszene"
nominiertes Mitglied in die Reformkommission geholt worden, man habe von
Vereinsseite keine Ausgrenzungspolitik betreiben wollen. "Im Falle der aktiven
Fanszene wurde der ehemalige Ultras-Capo Oliver P. vorgeschlagen, und so wie bei
allen anderen nominierten Personen folgte die Einberufung von ihm in diese
Reformkommission persönlich durch Rapid-Präsident Rudolf Edlinger", hieß es.
Edlinger erläuterte die Nominierung folgendermaßen: "Es war uns wichtig, dass
die gesamte Rapid-Familie, der auch die aktive Fanszene, die vorwiegend im Block
West beheimatet ist, angehört, in dieser Reformkommission vertreten ist. Wir
wollten und wollen niemanden ausgrenzen, und auch durch die Tatsache, dass sich
Herr P. in den jüngeren Vergangenheit als wertvolles Bindeglied zwischen der
aktiven Fanszene und dem Klub bewiesen hat, erfolgte diese Nominierung."
75 wurden verurteilt
In der Causa Westbahnhof waren am Ende langwieriger polizeilicher
Ermittlungen 85 Rapid-Fans vor Gericht gelandet. 75 wurden schließlich wegen
Landfriedensbruchs, teilweise auch wegen Sachbeschädigung, versuchter
Körperverletzung und Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt, davon elf zu
teilbedingten oder gänzlich unbedingten Haftstrafen. 41 legten dagegen
Strafberufung ein.
Neben Oliver P. bekamen heute weitere 21 vom OLG zu hören, dass für eine
Strafreduktion kein Platz sei. "Sie haben eine Gegend in Angst und Schrecken
versetzt", betonte Richter Röggla. Die teilweise gerichtlich vorbelasteten
Männer hätten "die Langmütigkeit der Justiz ausgenützt". Für die Rädelsführer -
neben Oliver P. fasste ein zweiter Anführer zehn Monate unbedingt aus - bedürfe
es des Vollzugs der Freiheitsstrafen. Die restlichen Männer kassierten Strafen
zwischen elf Wochen auf Bewährung und neun Monaten teilbedingt.
19 weitere Berufungen werden in einem weiteren öffentlichen Rechtstag morgen,
Mittwoch, verhandelt.