Mittwoch, 5. Dezember 2012

Die Presse, der Kommunismus und so.....


Sag Opa, war „Die Presse“ früher auch schon so niveaulos?


Ich habe soeben einen Leserbrief an “Die Presse” geschickt:



Nehmen wir einmal an, in Graz hätte eine christliche Partei die Wahlen gewonnen und ein Kommentator hätte daraufhin davor gewarnt, dass bald Kreuzzüge Richtung Jerusalem aufbrechen würden, um dort wie schon einstens Massenmorde anzurichten. Nehmen wir an, der Kommentator hätte den christlichen Kandidaten in die Nähe der NSDAP gerückt und Christentum und Nationalsozialismus verglichen. Es wurden ja im Namen beider millionenfache Massenmorde verübt. Es gibt im Christentum ja auch eine antisemitische Tradition… Nehmen wir an, der Autor hätte daher christliche Hilfsorganisationen wie die Caritas mit der Hamas gleichgesetzt und gefragt: Ist die Hamas denn keine Terrororganisation mehr, nur weil sie soziale Hilfswerke betreibt? Die Presse hätte einem solch wirren Machwerk wohl keinen Millimeter Raum für einen Kommentar gewidmet.

Zurecht.

Solchen Müll sollte keine Qualitätszeitung drucken. Aber Die Presse hat es getan. Nur ging es nicht um das Christentum, sondern den Kommunismus. Diese Zeitung druckt tatsächlich einen Kommentar, in dem die demokratische Kandidatin Elke Kahr mit NSDAP-Massenmördern und Grazer Mietpolitik mit Stalinismus und der Hamas verglichen wird. Gut, der Autor war nur Christian Ortner, aber trotzdem: Das geht nicht.

Ja, im Namen des Kommunismus haben einige der größten Verbrecher und Verbrecherregime der Geschichte geherrscht, unzweifelhaft wurden millionenfache Massenmorde verübt. Manche Varianten wie der Stalinismus sind schon in der theoretischen Konzeption glasklar diktatorisch und verbrecherisch.

Alles unbestreitbar und unbestritten.

Aber doch ist der Kommunismus keine Sekunde mit dem Nationalsozialismus gleichzusetzen. Der Kommunismus ist eine kollektivistische Ideologie, die hochgradig diktaturanfällig ist – aber weder Diktatur noch Massenmord sind Ziel und Zweck der Ideologie. Wer Marx oder seine Vorgänger liest, wird keinen Wunsch nach der Vernichtung von Menschen erkennen, sondern das Ziel ihrer Befreiung.

Natürlich wurde Marx missbraucht. Kann jedem Autor passieren, auch Evangelisten. Das Christentum ist ja eine Religion der Liebe, das geht für viele aus dem Neuen Testament zweifelsfrei hervor. Na zumindest fast zweifelsfrei, da ist der Spruch mit dem Schwert im Matthäusevangelium, den man sehr leicht als Gewaltaufruf interpretieren kann und der immer „richtig“ interpretiert werden muss… Die Presse würde den oben erdachten Kommentar wohl mit einer Begründung wie dieser ablehnen: „Morde im Namen des Christentums waren ein Missbrauch dieser Religion, während die Morde im Namen des Nationalsozialismus geradezu Sinn und Zweck dieser Ideologie waren. Es ist ganz klar, dass sich ein christlich(-sozial)er Bürgermeister nicht für Morde christlicher Fundamentalisten in der Vergangenheit verantworten muss.“

Man kann Christ sein, ohne Kreuzzüge veranstalten zu wollen und man kann Kommunist sein, ohne Dissidenten erschießen zu wollen. Aber man kann kein Nazi sein, ohne Menschen in Rassen einzuteilen und die Vernichtung der Minderwertigen zu fordern. Der Holocaust, die industrielle Vernichtung von Menschen aus rassistischen Motiven, war dem Nationalsozialismus inhärent, er war und ist Ziel und Zweck dieser Ideologie, keine spätere Pervertierung. Das mit Grazer Mietpolitik in einen Zusammenhang zu bringen, beleidigt die Opfer des Nationalsozialismus – und die des Stalinismus auch.

Christian Ortners Kommentar ist Müll und eine unglaubliche Frechheit der unbescholtenen Demokratin Elke Kahr gegenüber. Herr Ortner ist ein intellektuelles Wrack, sich über ihn aufzuregen lohnt sich nicht. Aber wie kann so was in dieser Zeitung in Druck gehen? Lesen die Gastkommentare nur noch Praktikanten?

Entschuldigt euch gefälligst bei Elke Kahr.

Michel Reimon

Hier der Kommentar im Original:

 

Sag Opa, war Josef Stalin eigentlich ein früher Pionier des Mieterschutzes?

CHRISTIAN ORTNER (Die Presse)
Eine bekennende Marxistin bekommt in Graz 20 Prozent der Stimmen. Das zeigt überdeutlich, wie notwendig es wäre, auch die Erinnerung an die Verbrechen des Kommunismus wachzuhalten.

 

Nehmen wir einmal an, in Graz wäre eine „Nationale Sozialistische Demokratische Arbeiterpartei“ (NSDAP), angeführt von einer Parteichefin, die stolz von sich behauptet, „Faschistin zu sein“, am vergangenen Sonntag zur Gemeinderatswahl angetreten und hätte 20 Prozent der Stimmen errungen. Man braucht keine überhitzte Fantasie, um sich vorzustellen, was passiert wäre.
Österreichs versammelte zu spät gekommene Widerstandskämpfer würden die unmittelbar bevorstehende Machtübernahme durch die Neonazis herbeiraunen. Internationale Medien würden in Hundertschaften anreisen, um Hitlers Auferstehung in der Waldheimat zu reportieren, die EU würde Sanktionen gegen die Steiermark erwägen.
Nun hat die Grazer Wahl bekanntlich keine rechtsextreme Partei gewonnen, sondern die „Kommunistische Partei“. Das ist zwar nicht viel besser, regt aber interessanterweise fast niemanden auf. Dass eine Partei, deren Firmennamen für eines der größten Verbrechen der Menschheitsgeschichte steht, von 20 Prozent der Wahlberechtigten gewählt wird, stellt den Grazer Wählern jedenfalls kein wirklich gutes Zeugnis aus.
Was werden diese Leute das nächste Mal wählen, wenn sie sich irgendwie unrund und von irgendjemandem benachteiligt fühlen? Jemanden, der ihnen erklärt, dass die Juden schuld an ihrem Unglück seien (wie das im benachbarten Ungarn bereits prächtig funktioniert)? Noch befremdlicher ist freilich die achselzuckende Milde, mit der ein großer Teil der veröffentlichten Meinung auf den Wahlsieg der Kommunisten reagierte. Diese Kommunisten, wurde und wird argumentiert, seien ja in Wirklichkeit keine, sondern bloß eine Art Mieterschutzvereinigung, die armen Grazern bei Wohnungsproblemen hilft.
Na und? Auch Neonazis in Ostdeutschland versuchen regelmäßig, bei sozial Benachteiligten politisch zu punkten, indem sie ihnen verschiedene Hilfsleistungen anbieten. Sind deshalb Neonazis, die alten Damen über die Kreuzung helfen, keine Neonazis? Auch die Hamas im Gazastreifen versteht sich als eine Art soziales Hilfswerk – aber ist die Hamas deshalb keine Terrororganisation mehr?
Es ist keine besondere Innovation, wenn die Anhänger verbrecherischer Ideologien vorhandene soziale Missstände nutzen, um sich eine politische Basis zu schaffen. Davon freilich werden die verbrecherischen Ideologien ja nicht weniger verbrecherisch.

Das trifft natürlich auch auf den Kommunismus zu. Auch Kommunisten, die wie in Graz Menschen bei der Bewältigung ihrer Alltagssorgen helfen, bleiben deshalb Kommunisten und stehen als solche in einer verbrecherischen Tradition, die sich nicht rasend von jener des Nationalsozialismus unterscheidet. Dass die Spitzenkandidatin auch noch stolz einbekennt, „Marxistin“ zu sein, erhöht die Glaubwürdigkeit der Tarnung als bloße Lobby von Mieterinteressen auch nicht eben.
Dass die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus bis heute vom Staat wachgehalten wird, ist vernünftig. Das Grazer Wahlergebnis aber kann man auch als Hinweis darauf deuten, wie dringend notwendig es wäre, die Verbrechen des Kommunismus nicht einfach dem großen Vergessen anheimfallen zu lassen. Sonst glauben die kommenden Generationen, Stalin wäre ein Pionier des Mieterschutzes gewesen.

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