Donnerstag, 8. November 2012

Quo Vadis, Rapid ?

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Männer ohne Gesicht: Das sind die wahren Probleme des SK Rapid Wien!

Der SK Rapid Wien braucht Veränderung. Das ist es was die Fans des Rekordmeisters fordern. Doch wie diese Veränderungen auszusehen und vor allem wieso sie vonstatten gehen müssen, ist bestimmt nicht jedem Fan klar. Rapid hat auf einigen Positionen – vor allem abseits des Platzes – Probleme, Aufholbedarf und einen gewaltigen Mangel an Perspektive und Professionalität. Wir möchten nun im Detail darauf eingehen, wie die Probleme des SK Rapid Wien aussehen.

Peter Schöttel bemerkte nach dem erschreckend schwachen 1:2 gegen den SK Sturm Graz, dass der SK Rapid derzeit genau dort steht, wo er hingehört. Banal gesagt bedeutet dies: Hinter der Wiener Austria und Red Bull Salzburg. Dass man in vielerlei Hinsicht – speziell mittelfristig – mit dem Ligakrösus nicht mithalten kann, ist dem Geldregen durch die Red Bull GmbH gedankt, der jedoch auf lange Sicht abnehmen wird. Dass Rapid jedoch gegenüber der Wiener Austria ins Hintertreffen gerät, stimmt die Fans nachdenklich. Gerade nach dem Ausstieg von Frank Stronach erwartete man einen abstürzenden Erzrivalen. Realität ist jedoch eine hungrige Mannschaft in Wien-Favoriten und etwa dieselben wirtschaftlichen Voraussetzungen, die das Resultat guter violetter und schlechter bzw. stockender grün-weißer Arbeit ist.

Starkl debütiert gegen Sturm: Schöttel ohne Alternativen

Peter Schöttel brachte beim Auswärtsspiel gegen Sturm Graz den 19-jährigen Dominik Starkl, der in den letzten 1 ½ Jahren 14 Ligatore für die Rapid Amateure erzielte. Ohne die Leistung und das Talent des jungen Angreifers schmälern zu wollen, ist ein Schnittspiel, wie es eine Auswärtspartie bei Sturm für Rapid nun mal ist, nicht die beste Bühne für das Bundesligadebüt eines Amateurs. Schon gar nicht beim Stand von 0:2. Einen Spieler wie Starkl sollte man eher dann bringen, „wenn’s rennt“. Schöttel ist in dieser Hinsicht jedoch in Schutz zu nehmen, denn viele Alternativen hatte der 45-Jährige nicht mehr auf der Bank. Dies wiederum ist das Resultat der Personalpolitik der letzten Jahre, für die Schöttel zwar mitverantwortlich ist, deren Grundprobleme aber woanders beginnen.

Rapid ist „flach“ – immer.

Rapid hat kein Geld. Das ist es, was vor und in jeder Transferzeit gebetsmühlenartig wiederholt wird. Man muss kleinere Brötchen backen, man ist nicht liquid genug um neue Spieler zu verpflichten. Die erste Frage der Ursachenforschung der aktuellen „Gesamtkrise“ beim SK Rapid muss also lauten: Wieso hat Rapid eigentlich kein Geld? Als Erster muss also Werner Kuhn, offizielle Berufsbezeichnung „General Manager“, in die Kritik genommen werden, denn er ist es, der dafür zu sorgen hat, dass das Budget der Grün-Weißen stagniert bzw. dass kein „unerwartetes Geld“ in den Verein und somit womöglich in die Mannschaft fließt.

Kuhn kein Mann für die TV-Kameras

Dass viele Fans bereits die Pension des 58-jährigen Kuhn herbeisehnen ist kein Geheimnis. Kuhn selbst wird mit dieser Situation umzugehen wissen, zumal er bereits seit Anfang der 90er bei diesem schwierigen Verein arbeitet. Doch betrachtet man die niedrige Popularität des Wirtschaftsverantwortlichen von außen, so wird man feststellen, dass Kuhn zwar ein willkommener Sündenbock ist, jedoch kaum jemand Einblick in seine tatsächliche Arbeit hat. Dass dem so ist hat wiederum zwei Gründe: Werner Kuhn ist kaum vor TV-Kameras zu sehen und sämtliche Medien stürzen sich lieber auf sportliche Gruselmeldungen, als die Arbeit Kuhns genauer zu beleuchten und ihn mit Hilfe unabhängiger Berichterstattung stärker unter Druck zu setzen.

Kuhn ein „Flirter“, aber kein Vollstrecker

Werner Kuhn ist ein verdienstvoller Mitarbeiter des SK Rapid, daran besteht kein Zweifel. Jedoch sollte man in seinem Willen seine Verdienste um den SK Rapid nicht in Relation zum Schaden setzen, den er in seiner Laufbahn bereits verursachte. Fehlendes Verhandlungsgeschick, fragwürdige Prioritätensetzungen und ein schleppender Modernisierungsprozess sind hier als Stichworte genannt. Kuhn gilt als Workaholic, ist jedoch trotz seiner Liebe zur Arbeit auch in Insiderkreisen umstritten. Er gilt als Geschäftsmann, der mit seiner charmanten, fast onkel-haften Art ein talentierter Geschäftsanbahner, quasi ein „Flirter“ ist. Doch wenn es ernst wird, zieht er zumeist den Kürzeren und bringt zum Teil gut eingefädelte Sponsorendeals nicht zur Unterschrift. Auch weil dem routinierten Kuhn dumme bis peinliche Fehler unterlaufen – hier ein verschwitzter Termin, da eine inakzeptable Verspätung. Kündigungsgründe in der Privatwirtschaft.

Kein Druck durch die Öffentlichkeit

Rechtfertigen muss sich Kuhn dafür öffentlich kaum, denn da er ein Mann im Schatten ist und sich nie selbst zu einem TV-Gesicht hochstilisierte, gehen haarsträubende Verfehlungen immer wieder locker durch. Heimische Journalisten stellen keine oder die falschen Fragen, wodurch einer der tatsächlichen Hauptschuldigen für die langfristige Stagnation Rapids sicher in seinem Sessel sitzt und Präsident Edlinger sich niemals zum Schaffen seines Wirtschaftsverantwortlichen deklarieren muss. Die Folge ist geringe Glaubwürdigkeit in alle Verantwortlichen des SK Rapid, denn die Öffentlichkeit gewann immer mehr den Eindruck, dass man als leitender Angestellter beim SK Rapid schon ein Kapitalverbrechen begehen müsste, um seinen Job in der Keißlergasse in Gefahr zu bringen.

Marek als Bauernopfer, weil er ein Gesicht hat

Die oberste Maxime für die Position des General Managers ist Geld. Die finanziellen Möglichkeiten Rapids zu erweitern ist das Ziel. Doch Kuhns Prioritätensetzung lässt nicht selten zu wünschen übrig, etwa als er nach dem Derby-Platzsturm vom 22.5.2011 „Image“ und die Wiederfindung des grün-weißen Zusammengehörigkeitsgefühls als wichtigstes Thema angab – kurz bevor die wichtige Sommertransferzeit startete. Apropos Image: Andy Marek wird öffentlich nicht selten angefeindet und kritisiert, was einen bestimmten Grund hat: Sein Gesicht sieht man Woche für Woche, er stellt sich auch in schwierigen Zeiten der öffentlichen Kritik. Diese war vor allem in den letzten zwei Jahren stark auf Marek konzentriert, obwohl er aufgrund seines Engagements und professioneller Herangehensweise an unangenehme Themen ein Segen für den Verein ist.

Modernisierung Fehlanzeige, Kuhns Zenit überschritten

Sukzessive Modernisierung auf wirtschaftlichem Sektor bei aktueller Besetzung im Wirtschaftsressort? Sehr, sehr unwahrscheinlich. Nicht nur auf dem Fußballplatz wuchsen die Anforderungen an einen Fußballverein in den letzten Jahren rasant. Rapids Marketingabteilung erarbeitete die „Marke Rapid“ in den letzten Jahren gut, wenn auch in manchen Situationen zu langsam und unentschlossen (jüngere Stichworte: Facebook-Präsenz, soziale Medien, Homepage). Unterm Strich wurden jedoch sehr gute Rahmenbedingungen zur weiteren Vermarktung des SK Rapid geschaffen. Seit einigen Jahren entwickelt sich der „Hype“ – der im Endeffekt Geld bringen soll – aber nicht mehr weiter, sondern zurück. Trotz idealer Begleitumstände konnte Wirtschafts-Dino Werner Kuhn das Wachstum des SK Rapid als Ganzes in Relation zum rasanten Wachstum der „Marke Rapid“ in der Öffentlichkeit (also das, was die Sponsoren interessiert) nicht mehr intensivieren. Rapids stiller General Manager erfüllt somit einerseits nicht mehr die Anforderungen an einen „modernen“ Wirtschaftsverantwortlichen und überschritt bereits vor Jahren seinen persönlichen Handlungszenit. Es ist nicht primär die Position eines Außenverteidigers oder eines defensiven Mittelfeldspielers, die frisches Blut braucht, sondern die des Generalmanagers – zumindest wenn man die Probleme des SK Rapid nicht kurzfristig betrachten will.

Stefan Ebner als unsichtbarer Sportverantwortlicher

Der erste Mann, der wissen will, wie viel Geld zur Verfügung steht, ist Stefan Ebner. Die Jobbezeichnung des 43-Jährigen ist „Sportmanager Profis“. Zuvor war Ebner „Teammanager“ und stets die rechte Hand des jeweiligen Sportdirektors. Ein ebensolcher hätte Ebner werden sollen, doch er entschied sich dafür diesen Terminus nicht „anzunehmen“, was wiederum Gründe hat. Überall auf der Welt stellt sich der Sportdirektor nach peinlichen Niederlagen, haarsträubenden Transferflops oder allgemeinen Problemen in den Vereinsstrukturen den TV-Kameras und der Kritik der Öffentlichkeit. Stefan Ebners Gesicht kennt man in der Öffentlichkeit jedoch noch weniger als das von Werner Kuhn. Die Begleiterscheinung: Nach einem 0:4 gegen Leverkusen oder einer inferioren Derbyniederlage, wird einzig Peter Schöttel vorgeschoben, um Fans und Presse zu verkünden, dass da aus Grund X und Grund Y einfach nicht mehr möglich war. Doch auch wenn den Trainer eine Mitschuld an schlechten Ergebnissen trifft, ist es nicht er, der über lange Zeit Grundprobleme aufbaute.

Rapid hat keinen Sammer, Zorc oder Heldt

Rapid hat seit Alfred Hörtnagl keinen leitenden Mitarbeiter mehr, der auch in schlechten Phasen seinen Mann steht. Die Verantwortung gegenüber der Öffentlichkeit liegt somit beim Trainer und den ohnehin jungen Spielern. Ein „starker Mann“, der sich öffentlich aufbaut und tiefer sitzende Probleme anspricht oder notfalls auch den eigenen Spielern den Marsch bläst, gibt es nicht. Rapid hat keinen Sammer, Zorc oder Heldt – Rapid hat nur Schöttel und die Öffentlichkeit somit sehr oberflächliche Fehleranalysen. An diesem Punkt der Professionalisierung und des Schritthaltens mit internationalen Standards stellt sich nun die Frage, ob Stefan Ebner nicht eine Etage zu hoch arbeitet. Eigentlich stellt sich sogar eher die Frage, ob eine „Etagendiskussion“ in Ebners Fall überhaupt nötig ist.

Rapid tätigt „logische Transfers“

Nach außen dringt aus Ebners Büro kaum etwas, seine Arbeitsweise ist Fans und Beobachtern ein ebenso großes Mysterium, wie die Arbeitsweise Werner Kuhns. Auch er gilt als Sündenbock der Fans. Hauptargument: „Rapid holt keine oder zu wenige gute Spieler“. Doch wieso ist das so?

Rapid tätigt größtenteils „logische“ Transfers. Deni Alar kam aus Kapfenberg, weil er in Kapfenberg gut spielte. Harald Pichler kam aus Innsbruck, weil er in Innsbruck gut spielte. Guido Burgstaller kam aus Wiener Neustadt, weil er in Wiener Neustadt gut spielte. Diese wenigen Beispiele aus den letzten zwei Jahren offenbaren den allgemeinen Weit- bzw. Kurzblick in der Transferpolitik. Die Idee hinter der Verpflichtung guter Kicker von Ligakonkurrenten ist grundsätzlich keine schlechte, aber sie geht am grundlegenden spielerischen Personalproblem Rapids insofern vorbei, dass man nach diesem Konzept nur sehr selten „fertige“ und konstante Fußballer – und die bräuchte Rapid derzeit wie einen Bissen Brot – zum Klub holt.

Hohes Flop-Potential bei neuen Legionären

Geht man nun bis zum Kauf von Nikica Jelavic zurück, der als letzter richtig guter Transfer des SK Rapid zu bezeichnen ist, findet man durch die Bank leichte Kost aus der eigenen Liga. Dass man für ein großes Talent wie Deni Alar eine größere Summe in die Hand nahm, ist eine Ausnahme. Sämtliche anderen zugekauften Spieler der letzten Jahre fallen unter das Motto „gekauft, weil’s geht“. Legionäre wie Soma und Jovanovic sind insgesamt als Flops zu bezeichnen, der populistische Vennegoor-of-Hesselink-Transfer war ein eindeutiger Flop, mit Jan Novota verstellt ein Ersatztorhüter einen Ausländerplatz. Und die neu verpflichteten Österreicher? Mit ganz wenigen Ausnahmen handelte es sich dabei um Spieler, die Perspektiven haben und auf dem Weg des geringsten Widerstandes zu haben waren. Dass Saurer, Konrad oder Hinum nicht mehr beim Verein spielen, ist kein Zufall. Man holte sie als „logische“ Neue und bemerkte schnell, dass sie den Anforderungen nicht entsprechen. Dasselbe ist in der aktuellen Mannschaft zu beobachten: Pichler ist nicht mehr erste Wahl, Schrammel fand nie in die Spur und Prager zählt in der laufenden Saison zu den Schwächsten. Die Fluktuation wird hier weiterhin hoch bleiben – so es möglich ist und die Spieler nicht längerfristige Verträge bekommen, die es dem SK Rapid erschweren den Kontrakt zu beenden.

Zu wenige personelle Alternativen

Schöttel sagt, welche Spieler er möchte – Ebner schaut, was er machen kann. Somit ist Schöttel für die Kaderplanung verantwortlich und Ebner für die Transfers und eine etwaige Alternativenfindung. An dieser Stelle kommen wir zu einem Thema, in dem der SK Rapid steinzeitlich agiert: Scouting und Relocating – ebenfalls Aufgabenbereich von Stefan Ebner. Als Quasi-Sportdirektor muss Ebner einen lückenlosen Überblick über den internationalen Markt und interessante Spieler haben. Wenn Schöttel einen Spieler nicht aus fester Überzeugung holen möchte, muss Ebner Alternativen parat haben – in diesem Fall hauptsächlich aus dem Ausland. Dies gestaltet sich jedoch aus mehreren Gründen schwierig.

Jäger und Sammler

Die Rapid-Scouts heißen Fritz Riedmüller und Anton Herzog. Wenn Rapid einen Spieler beobachtet, wird einer dieser beiden Herren zum relevanten Spiel geschickt. Zumal beide eine lange Vorgeschichte im Fußballgeschäft haben, mangelt es nicht an Kontakten und Tipps. Allerdings basieren die kargen, stammtischhaften Urteile – das Wort „Analyse“ wäre zu hoch gegriffen – in keinster Weise auf dem Level der international üblichen Arbeitsweise dieser für einen Fußballverein enorm wichtigen Berufsbezeichnung und so ist es nicht verwunderlich, dass Rapids Legionärserrungenschaften der letzten Jahre nie auf der tatsächlichen Entdeckung eines Spielers beruhten, sondern stets auf Tipps und Empfehlungen Dritter. Rapid besitzt in dieser Konstellation de facto nicht die Möglichkeit, gute Spieler vor anderen Klubs zu entdecken und ist auf dem Transfermarkt somit kein Jäger, sondern ein Sammler, der darauf angewiesen ist gesteckt zu bekommen, wo man suchen soll.

Ressourcen vorhanden, aber Ebner macht risikolos weiter

Rapids Scouting ist zudem enorm passiv und deckt viel zu kleine Pools ab, in denen nach Spielern gesucht werden könnte. Die Ressourcen, um dieses Problem sofort auszumerzen, sind vorhanden. Doch Stefan Ebner hat kein Interesse diese Ressourcen zu nutzen und begnügt sich aufgrund der risikolosen Sammler-Politik damit, dass Riedmüller und Herzog eine bessere Beschäftigungstherapie erhalten und Rapid hie und da von „Scouts“ spricht, die Spieler X „mehrmals beobachteten“. Diese Beobachtungen führten nicht selten dazu, dass sie in ihrer Oberflächlichkeit und durch das Nichtabwiegen zahlreicher taktischer und perspektivischer Eventualitäten unweigerlich zu Transferflops führten.

Das schändliche Ipoua-Syndrom

Dem aber noch nicht genug. Bis zur leihweisen Verpflichtung des Brasilianers Gerson im vergangenen Sommer herrschte bei Rapid lange Jahre ein oft belächeltes, aber sehr ernstes „Ipoua-Trauma“. Mit dem kamerunischen Stürmer, der 1997 zu Rapid wechselte, hatte man in Hütteldorf bekanntlich Probleme. Nach dem Abgang des schwierigen, aber hochveranlagten Spielers, kickte kein Afrikaner mehr in Hütteldorf. Die Mentalität afrikanischer Profifußballer sei zu schwierig – man hätte mehr Probleme als Nutzen, wenn man einen Spieler aus diesem Kulturkreis kauft. Die Angst vor einem afrikanischen Flop griff schließlich auch auf Südamerikaner über. Die wenigen Versuche sich in anderen Kontinenten an Spielern zu bedienen, schlugen fehl und bestätigten Stefan Ebner und die vorherigen Sportdirektoren in ihrer Linie, eher im benachbarten Ausland nach Nadeln im Heuhaufen zu suchen, obwohl afrikanische und südamerikanische Spielermärkte und sogar die Märkte im Nahen Osten und der karibischen Region, voll mit fußballerischem Nektar sind, der entdeckt werden will. Der Grund für die Überseeflops nach Ipoua war jedoch nicht etwa die Mentalität der Kicker, sondern unzureichende Fähigkeiten, wie man an Adel Jadoua, Saoud Fath, Pablo Cardozo und Fabiano gut beobachten konnte. Der Vorteil an diesen Transfers: Sie waren billig und man musste nicht Katar, Australien oder Brasilien auf der Suche nach einer besseren Lösung durchkämmen, weil die Transfers ohnehin auf Empfehlungen und nicht auf Beobachtungen oder gar Entdeckungen basierten.

Relocating unzureichend

Fakt ist, dass Rapid auf dem Gebiet des Scouting – gerade in Ligen und Ländern, die bisher stiefmütterlich vernachlässigt wurden – in Österreich eine Vorreiterrolle einnehmen könnte, wie sie etwa in der Schweiz oder sogar in Ländern wie Moldawien oder Serbien längst vergeben ist. Alle Ressourcen stehen bereit und man muss nur den „Start“-Knopf drücken. Doch Rapid hat mit Relocating ein weiteres gravierendes Problem, wenn es um Transfers ausländischer Fußballer geht. Jeder Spieler, vor allem ein junger, braucht in einem neuen Land einen „Guide“, der dafür sorgt, dass sich der Kicker wie zu Hause fühlt. Mit ein bisschen Sprachunterricht und den wichtigsten Amtswegen ist es jedoch noch nicht getan und genau hier endet die Kompetenz in der aktuellen Vereinskonstellation. Große Klubs wie Olympique Lyon oder der FC Porto, übrigens zwei Vereine, die immer wieder um viel Geld junge Südamerikaner verpflichten, erkannten das bereits vor vielen Jahren und stellten eine Relocating-Chefin ein, die dafür sorgte, dass es den Spielern bei ihrem neuen Verein an nichts fehlte und die Integration eines ausländischen Fußballers viel schneller vonstatten ging. Dabei geht es nicht darum, dass einem Fußballer alles abgenommen werden soll, sondern um einen ersten Eindruck, und eine klare Bezugsperson. Bei aller Professionalität wäre es aktuell für einen 21-Jährigen aus Mali schwer beim SK Rapid Fuß zu fassen – dafür zu sorgen, dass es einem solchen Spieler leichter gemacht würde, wäre hingegen keine große Hexerei.

Gute Spieler müssen nicht teuer sein – aber man muss nach ihnen suchen!

Das Gegenargument, das nun bemüht werden würde: „Ja, schon, aber Rapid hat ja kein Geld“. Nehmen wir die einleitenden Absätze aus und blenden aus, dass dies nicht der Fall sein müsste, ist das Finanzielle bei einer entsprechenden Scouting- und Relocating-Struktur kein wesentlicher Faktor. Man scoutet, um Spieler zu finden, deren Preis-Leistungs-Verhältnis zufriedenstellend ist. Gute Fußballer müssen nicht teuer sein – ganz im Gegenteil – aber man muss aktiv nach ihnen suchen und das wird bei Rapid, das lieber bei Ligakonkurrenten anklopft, um den Weg des geringsten Widerstandes gehen zu können, nicht getan. Übrigens sind gerade schwierige Fußballer interessant: Sie sind nicht selten günstig zu haben und mit entsprechenden Relocating-Maßnahmen gut formbar. Die zwei Probleme: Bei Rapid fallen schwierige Typen sofort aus dem Anforderungsprofil – und die fehlende Relocatingbereitschaft wurde ohnehin schon lang und breit erklärt.

Schöttel hält den Kopf für alle hin

Derjenige, der sich öffentlich für all diese Verfehlungen rechtfertigen muss ist Peter Schöttel. Der Cheftrainer ist in einem Verein, dessen Probleme in der Führungsetage beginnen, aktuell das schwächste Glied einer langen Fehlerkette. Er ist der Einzige, der sich regelmäßig zu den Problemen im Verein äußert. Sein Job ist nicht mehr nur der eines Trainers, er ist auch das subtile Sprachrohr derer, die sich nicht vor die Kameras wagen, weil sie ihr Gesicht nicht der oftmals tobenden Öffentlichkeit ausliefern wollen, um ihre eigenen Jobs zu schützen. Schöttels Job ist hingegen doppelt und dreifach gefährdet, weil er für diejenigen, die sich in ihren Büros verstecken den Kopf hinhält. Das erleichtert es Schöttel keineswegs, die letzten Prozente aus seinen Spielern zu kitzeln. Er hat als Mitarbeiter, der jeden Tag mit seinen Spielern zu tun hat, zu wenig Distanz, um mit öffentlichen Worten etwas zu bewegen.

Ansprüche: Außendarstellung viel zu lasch

Apropos öffentliche Worte: Das größte Manko an Rapid-Trainer Schöttel ist seine Tiefstapelei. Selbst wenn der Trainer davon überzeugt ist, dass die Mannschaft nur gut genug für den dritten Tabellenplatz ist, muss er als umfassender, sportlicher Navigator des Rekordmeisters die Ansprüche zurechtrücken. Nicht nur in einer Saison, in der Meister und Vizemeister für die Champions-League-Qualifikation planen können, sondern allgemein, muss der Trainer dieses in den letzten 20 Jahren nicht gerade von Erfolg verwöhnten Vereins die mentalen Weichen anders stellen und jedes Jahr den Meistertitel fordern und dies auch in Interviews bekräftigen. Ganz egal, wie wenig er selbst daran glaubt. Dies würde eine Aufbruchsstimmung erzeugen, die Spieler mitreißen und sie zu Leistungen und Zielen auf ganz anderem Niveau anspornen kann. Stattdessen ist die Außendarstellung jedoch insgesamt lasch und nicht nur Schöttel präsentiert sich zu schnell zufrieden.

„Wir wollen den Titel“ statt „Wir sind eh auf Kurs“

Rapid würde eine gesunde Großkotzigkeit, wie man sie etwa aus dem polarisierenden München kennt, gut vertragen. Jemand muss auch nach sehr schlechten Spielen vor die Kameras treten und auf authentische Art und Weise verkünden: „Dieses Spiel war so richtig Scheisse – aber Meister will der SK Rapid trotzdem werden!“ – die Reaktionen und Ergebnisse eines solchen Auftretens würden andere sein, als auf eine Aussage a la: „Das war heute ein schlechtes Spiel meiner Mannschaft – aber es bleibt dabei, dass unser Ziel der Europacup ist und dafür sind wir auf einem guten Weg!“ Das Schlimmste was Rapid in der sportlichen Öffentlichkeitswirksamkeit passieren kann ist, dass man nicht mehr polarisiert. Und in diese Richtung bewegt man sich aktuell aufgrund fragwürdiger Kommunikation der eigenen Ansprüche und einer ungesunden Portion Lethargie.

Fragen statt Floskeln

Auch äußere Einflüsse sind nicht frei von Kritik: Verfehlungen in der Führungsetage werden medial praktisch nicht beleuchtet, da vielen Mainstream-Journalisten das Know-How fehlt und leichtere Kost nun mal bessere Quoten und Zugriffszahlen bringt. Doch diejenigen, die bei Rapid seit vielen Jahren an einer weiteren Stagnation arbeiten dürfen, werden von niemandem unter Druck gesetzt. Zumindest nicht fundiert und mit Fokus auf die Wurzel der zahlreichen Probleme in Grün-Weiß. Den Medien reicht es, dass Rapid vier Gegentore von Bayer Leverkusen bekommt, um dem Rekordmeister eine Krise anzudichten. Doch nach den tiefsitzenden Gründen für diese Krise fragt niemand. Will man im Sinne des österreichischen Fußballs einen starken, im Europacup konkurrenzfähigen und sich stetig an allen Ecken weiterentwickelnden SK Rapid Wien sehen, darf man nicht nur hinausposaunen, dass die Qualität nicht stimmt und kein Geld da ist, sondern muss die Fragen stellen, wieso die Qualität nicht stimmt und wieso kein Geld da ist!

Hiermit wurden die personellen und strukturellen Grundprobleme Rapids angesprochen. Einen weiteren großen Themenkomplex, nämlich die Frage nach der Edlinger-Nachfolge, die dadurch zu erwartenden Veränderungen und das eigentlich euphorisierende und doch leidige Stadionthema werden wir separat in einer ausführlichen Analyse beleuchten!
Daniel Mandl, abseits.at
Daniel Mandl ist nicht nur Chefredakteur von abseits.at sondern auch der Inhaber der Internetplattform "Austrian Soccerboard".


Der Frust der Rapid-Fans. Neue Medien: Vor dem Spiel in Leverkusen ist der Frust der im Internet organisierten Rapid-Fans groß.

Peter Schöttel ist ein Medienmensch. Er liest viel und genau. "Nur anonyme Internet-Foren lasse ich aus, um mir einen Rest an Lebensqualität zu erhalten", erklärte der Rapid-Trainer im KURIER. Präsident Rudolf Edlinger denkt ähnlich, setzt auf das persönliche Gespräch und sagt: "Fan-Foren lese ich nicht, weil ich diese halb-anonyme, gesichtslose Form der Diskussion nicht so schätze." Vor dem schweren Gang nach Leverkusen zur erwarteten vierten Niederlage in der Europa League sind die beiden wesentlichen öffentlichen Vertreter des Klubs überrascht von der schlechten Stimmung. Die nackten Zahlen haben tatsächlich schon oft wesentlich schlimmer gewirkt. Fatal sind nur die mittlerweile neun Ausfälle: Ildiz ist erkrankt. Die drei Amateure Okungbowa, Bajrami und Randak dürfen laut UEFA-Recht mitfliegen, weil sie im Unterschied zum auffälligen Sturm-Debütanten Starkl schon mindestens zwei Jahre bei Rapid sind.

Brandbeschleuniger

Zwischen den Verantwortlichen und einem größer werdenden Teil des interessierten Publikums ist eine Entfremdung entstanden. Ähnlich dem Phänomen des Verdrusses in der Bevölkerung über das politische System und seine Vertreter. Bei Rapid gibt es für den Fan-Frust zwei Gründe, die zusammenhängen: die einzigartige Öffnung des Vereins für Fans. Und die zuletzt stark gestiegene Bedeutung der Internet-Foren für eben jene Fans. Gerade in Krisenzeiten können die neuen Medien zu Brandbeschleunigern werden, gegen die bei Rapid (noch) kein Löschmittel gefunden wurde. Ein Milliardenkonzern wie Red Bull kann es sich leisten, die im Netz publizierte Meinung der Fans zu ignorieren. Ein Verein, der bewusst auf die Emotion der Fans setzt, nicht. "Wir wollen mit den Fans direkt kommunizieren, wissen aber auch, dass das in schlechten Zeiten Gefahren birgt", sagt Kommunikationschef Peter Klinglmüller, der Facebook und Twitter forciert. Wesentlich beeinflusst wird die Stimmungslage in den zwei führenden Fan-Foren austriansoccerboard.at ("ASB") und rapidfans.at. "Wir sind das größte Klub-übergreifende Fan-Forum mit 120.000 Lesern pro Monat. Zu Rapid-Themen gibt es seit 2001 760.000 Posts", erzählt Daniel Mandl. Der 28-jährige Gründer des "ASB" betreut auch das Fach-Portal abseits.at, ist ein Rapid-Fan und gut im Verein vernetzt.

Harter Kern

Während im "ASB" sowohl abgeklärte Theoretiker diskutieren, als auch ganz Junge, die nach ihrem ersten Stadionbesuch mit dem Smartphone posten, bedient rapidfans.at den harten Kern. "Wir haben 1748 aktive User, die fast alle der Szene angehören und nur nach einer Prüfung registriert werden. Wer sechs Monate lang nichts postet, wird gesperrt", erklärt der Gründer Alexander Ottitzky, der selbst dem Fan-Klub "Alte Garde" angehört und "seit 27 Jahren ins Stadion" geht. In dieser Zeit ist der Wert des publizierten Wortes hoch geblieben, aber die Deutungshoheit hat sich verschoben: "Es gibt eingesessene Journalisten, die sauer sind, dass nicht mehr nur sie die Meinung machen." In den Foren werden Artikel verlinkt und diskutiert. Die Grenzen zwischen den Medien verschwimmen zusehends. So hat ein Sportportal besonders kritische, anonyme Posts über Schöttel und Rapid zusammenkopiert und daraus einen "offiziellen" Artikel gebastelt. Edlinger, 72, reagiert mit der Abgeklärtheit eines Ex-Finanzministers: "Ein Verein wie Rapid ist nicht auf Zuruf von außen zu führen." Ein zeitloses Statement. Oder nach der digitalen Revolution doch schon veraltet?