Die SMS ILTIS war Stationsschiff in Ta Ku während des Boxeraufstandes, sie war eines von sechs Überseekanonenboote der kaiserlichen Marine. Mit ihren 4 88mm Kanonen sowie - zur Zeit des Aufstandes - 8 Maschinenkanonen 37mm konnte sie den Fluss Peiho gut befahren und damit das Landungsdetachement in Tientsin unterstützen sowie die Forts von Ta Ku, deren schwere Geschütze (150mm bzw. 120mm Kruppgeschütze) seewärts zeigten und nur leichtere 75mm Kanonen nach hinten sicherten beherrschen und niederkämpfen. Am 17. Juni 1900 war sie eine von sechs Schiffseinheiten, die noch vor Ablauf des Ultimatums an die Chinesen - das auf 2 Uhr lautete und welches um eine Stunde früher von chinesischer Seite beendet wurde - den Kampf mit den Forts aufnahm. Dabei erlitt sie schwere Beschädigungen, acht Mann fielen, elf weitere wurden verwundet, konnte aber das Nordwestfort sowie das Südfort ausser Gefecht setzen und die Landeeinheiten unterstützen. Ihr Kapitän, Lans wurde dabei schwer verwundet. Der zweite Offizier Oberleutnant Hoffmann führte das Schiff während des grössten Teils des Gefechtes (der 1. Offizier befand sich zu diesem Zeitpunkt in Tientsin) und brachte es danach auch auf die Reede zurück. Ebenfalls auf diesem Schiff befand sich der im 1. Weltkrieg berühmt gewordene Korvettenkapitän (damals noch Leutnant) Karl Nerger.
Das Kanonenboot BOBR (oben ein Foto des Schwesterschiffes Krabri) war eines von drei russischen Kanonenbooten während der Beschiessung der Ta Ku Forts. Mit seinen zwei 203mm Kanonen sowie einer 152mm Kanone dazu noch Schnellfeuergeschütze vom Kaliber 47mm konnte es durchaus mit jeder Landbatterie aufnehmen. Die BOBR wurde während der Kämpfe ebenfalls beschädigt, konnte jedoch das Südfort mit einem Treffer in die Munitionskammer sprengen.
Die Kanonenfregatte (später Kanonenboot) KOREJETZ war die zweite Einheit die am Kampf um die Forts teilnahm. Ebenfalls mit zwei 203mm, einer 152mm Kanone sowie kleineren Maschinenkanonen bewaffnet griff sie in den Kampf um die Forts ein. Dabei wurden 9 Mann getötet und 20 verwundet.
Das Kanonenboot GILIJAK war die dritte russische Einheit, die an den Kämpfen teilnahm. Mit einer 120 mm Kanone als Hauptbewaffnung ausgerüstet (die Nebenbewaffnung stellten 5 75mm Kanonen dar) war ihr Auftrag eher die Unterstützung der Landetruppen, welche die Forts am Vormittag des 16. Juni 1900 erstürmen. Dabei gab es lediglich einen Leichtverletzten. Die GILIJAK war für diese Aufgabe mit einem 63,5mm Landungsgeschütz ausgerüstet, welches Steilfeuer schiessen konnte.
Angeführt wurde die Beschiessung durch die britsche ALGERINE, einem Kanonenboot, welches speziell für diese Aufgabe entstandt wurde. ALGERINE erhielt einige Treffer, wurde aber nicht ernsthaft beschädigt. Bewaffnet war die ALGERINE mit mit seche 101,6mm Schiffsgeschützens sowie einigen Schnellfeuerkanonen.
Hier ein zeitgenössischer Bericht über die Kämpfe:
Am 17. Juni, also zu der Zeit, wo
das Detachement Seymour bei Langfang zur Umkehr gewzungen wurde, nahmen die
Kriegsschiffe der verbündeten Mächte die Takuforts. Letztere bestanden
aus vier größeren und zwei kleinen Lehmforts knapp an der ganz flachen Küste auf
beiden Ufern der Peiho-Mündung. Sie waren gut sichtbar und gegen
Schiffsgeschütze zumeist deswegen nicht haltnbar, weil die
Verteidigungsgeschütze ungedeckt auf offenem Walle standen. Die Sturmfreiheit
war überdies geing, die Innenräume nur teilweise gedeckt. Die Armierung war
modern.
Die Veranlassung zur Wegnahme
dieser Forts gaben die Vorgänge in Peking und Tientsin, wo die Fremden arg
bedrängt wurden. Der Besitz der Takuforts war für die Verbündeten deshalb
notwendig, weil selbe die Verbindung zwischen den Meere und Tientsin sperrten;
überdies mußte durch irgend eine ernste Handlung auch die Kraft der Verbündeten
zum Ausdrucke gebracht werden, um die Boxerbewegung einzuschüchtern. Es wurde
daher am 16. Juni an den chinesischen Kommandanten ein Ultimatum gerichtet, die
Forts bis zum nächsten Tage 2 Uhr früh zu räumen, widrigenfalls selbe mit Gewalt
genommen würden. An demselben Tage wurde auch ein Landungsdetachements von ca.
600 Matrosen zum Schutze des Bahnhofes nach Tongku (etwa 10 Kilometer westlich
Taku) befördert, wo sich bereits über 300 japanische Matrosen befanden. Da die
großen Kriegsschiffe nur ungefähr 8 Seemeilen an die Küste bei Taku heranfahren
können, so standen nur neun kleinere flachgehende Kriegsfahrzeuge, d. i.
kleinere Keuzer und Kanonenboote, für den Angriff zur Verfügung. Von denselben
lagen zwei im Peiho-Flusse bei Tongku, die übrigen an der Mündung des Flusses,
fast unmittelbar neben den Forts. Noch vor Ablauf des Ultimatums, d. i. am 17.
Juni nach 12 Uhr nachts, wurde von den chinesischen Forts das Feuer an die an
der Mündung des Peiho stehenden Kriegsschiffe eröffnet, welch letztere nun zur
einer regelrechten Beschießung der Forts schritten.
Für diesen Zweck standen zur
Verfügung:
Kanonenboot "Iltis" (Deutschland) die Kanonenboote "Bobr", "Giljak", der kleine Kreuzer "Korrejetz", das Torpedoboot "Gaidamak" (Rußland), Kanonenboot "Lion" (Frankreich) der kleine Kreuzer "Algerine", die Torpedobootzerstörer "Whiling", "Fame" (England) Daneben war noch ein Landungskorps unter dem Oberbehl des Kapitäns z. S. Pohl, des Kommandanten Sr.M.S. "Hansa" zusammengestellt, dem der eigentliche Sturm auf die Forts als Aufgabe gestellt war.
Die Chinesen hatten in der
mondscheinklaren Nacht zum 17. Juni gegen 1 Uhr das Feuer eröffnet, richteten
aber vorläufig noch keinen Schaden an, bis es 1/2 4 Uhr des Morgens anfing, hell
zu werden und dadurch die chinesische Artillerie sich besser einschießen konnte.
Als Hauptzielpunkt diente für die Geschütze der Forts die von Korvettenkapitän
Lans geleitete deutsche "Iltis", die als Führerschiff diente, da
Korvettenkapitän Kans als ältester anwesender Kommandant den Oberbefehl hatte.
Trotzdem fuhr die "Iltis" an der "Algerine" vorbei, um aus Mangel an
weittragenden Geschützen sich näher an das Nordwestford zu legen und mit ihren
3,7-cm-Maschinenkanonen die chinesischen Bedienungsmannschaften zu treffen. Die
"Iltis" war nun natürlich wegen der Nähe noch mehr dem feindlichen Feuer
ausgesetzt, erfuhr arge Beschädigungen und leider auch erhebliche Verluste. Das
gänzlich ungeschützte Kanonenboot, welches nur um seine Maschinenanlage einen
dünnen Panzerschutz besaß, erhielt 21 Volltreffer aus 12- bis 21-cm-Geschützen,
von denen ein großer Teil in und auf dem Schiffe krepierte. Zum Glück befanden
sich die chinesischen Zünder infolge schlechter Aufbewahrung in einem sehr
schlechten Zustande, und nicht alle Granaten krepierten, auch wurdem
glücklicherweise die Kesselanlagen nicht getroffen, in welchem Falle das Schiff
sofort aktionsunfähig gemacht worden wäre. Die Aufbauten litten freilich dafür
umso stärker. Kommandobrücke, Kartenhaus, Steuerapparat. Maschinentelegraph
erhielten gefährliche Treffer, Oberleutnant z. See Hellmann und 7 Mann
fielen, und gegen 6 Uhr früh wurde auch Kommandant Lans schwer verwundet. Aber
obgleich ihm eine krepierende Granate beide Knochen des linken Unterschenkels
zerschlug und ihm außerdem 25 kleine Splitterwunden in den Beinen, Brust und
Gesicht zufügte, blieb er todesmutig und tapfer bis gegen den Schluß des
Treffens auf der Kommandobrücke seines Schiffes und lenkte auf diese Weise das
Gefecht einheitlich zu einem günstigen Ausgange. Alle Kanonenboote hatte
zunächst ihr Feuer auf das Nordwestfort gerichtet, und als 1/4 5 Uhr des Morgens
auch das letzte Geschütz, das hartnäckig und unverdrossen von den Chinesen
bedient wurde, zum Schweigen genbracht worden war, gab ein am Vordermast der
"Iltis" aufsteigender schwarzer Ball das verabredete Zeichen zum Sturmangriff.
Über die Vorgänge an Bord der
"Iltis" haben wir einen trefflichen, aus erster Quelle stammenden Bericht, den
der Kriegskorrespondent I. Herrings geschrieben hat, derselbe, dem das
tragikomische Malheur passierte, daß er, der unter deutscher Flagge schwer
verwundet wurde, in Deutschland, wohin er sich später begeben hatte, als
unsicherer Heeresflüchtiger festgenommen wurde. Kaiserliche Gnade legte die
Sache bei. Wohl an die 80 Geschütze, so schilderte Herrings anschaulich die
Schlacht, darunter (auf chinesischer Seite wenigstens) solche von Kaliber 21 bis
28 cm, beteiligten sich an dem Höllenkonzerte. Das Gezische und Gekreische der
heransausenden Geschosse zeriß die Ohren mit seinem schrillen Diskant, in den
der Kanonendonner wie mächtige Paukenschläge einklang, ohne doch das ewige
"Ratata, Ratata" der Maschinengewehre - eigensinnige Kinderstimmen gleich, die
auch zu Gehör kommen wollen - ganz betäuben zu können. Blasser wurden im
grauenden Morgen die feurigen Bogen, die unsere Geschosse in die Luft malten,
ehe sie auf den Steinwällen der Chinesen in wilder Glut krepierten. Immer
deutlicher hoben sich von dem fahlen Braun der Festungswerke die dunklen
Gestalten der chinesischen Kanoniere ab. Das Backgeschütz der "Iltis" hatte das
Schutzschild einer der dort plazierten großen Kanonen zerstört, un die
Hartnäckigkeit, mit welcher Leutnant Nerger das Ziel festhielt, verscheuchte die
feindlichen Artilleristen von ihren Posten. Ihr Feuer wurde merklich
schwächer.
Dafür aber verdoppelte jetzt das
Südfort in unserem Rücken seine Tätigkeit und füllte die Pausen, die das
Nordwestfort eintreten ließ, mit dem fast ununterbrochenen Donner seiner
mächtigen Geschütze. Vor der "Iltis" prasselte ein Regen von Schrapnells,
Granaten und Bomben ins Wasser.Manche dieser Geschosse explodierten auf dem
Flußbette und schleuderten die gelben Fluten des Peiho meterhoch empor.
Sie schossen noch immer zu hoch,
die Chinesen, obwohl sie jetzt ihr Ziel, unsere sechs kleinen Kanonenboote,
deutlich vor sich hatten. Auf der "Iltis" schrieen - anders hätte man sich bei
dem Getöse nicht verstanden - sie einander zu, der Feind hätte das Visier auf
Hochwasser gestellt, und da noch Ebbe herrschte, schössen sie acht Fuß über die
"Iltis" hinweg. In der Takelage waren freilich schon einige Geschosse geplatzt;
das war gegen drei Uhr, als die Leute Frühstückspause machten. Unsere Feinde
schienen doch nicht warten zu wollen, bis ihnen die Hochflut die Kanonenboote
vor das Visier brachte; dichter und dichter flogen ihre Geschosse über die
"Iltis" weg und schlugen zwischen den Lehmhütten des hart am Ufer gegen das
Nordwestfort aufsteigenden Dorfes ein.
Ganze Straßengevierte, die
Hunderten von Menschen zur Wohnung dienen mochten, wurde so zerstört. Ich hatte
mein Glas auf die Staubwolken gerichtet, die die Stellen markierten, wo die
chinesischen Geschosse eingeschlagen waren, ich erwartete, Jammergeschrei zu
hören und Szenen des Entsetzens zu sehen. Aber es ereignete sich nichts
dergleichen, kein Angstgeschrei, kein Schmerzensruf, keine Klage, kein Wutgeheul
drang aus den Ruinen zu uns herüber, nichts regte sich am Ufer und in den
Straßen. Da und dort schoß eine Feuergarbe durch die Staubwolken, um wenige
Augenblicke später ohnmächtig zu ersticken. In den Hütten dieses armen
Chinesenvolkes fand selbst die gierige Flamme keine Nahrung. Da ward ese klar,
was man schon seit Stunden vermutet hatte, daß die Bewohner lange vor dem Beginn
des Bombardements um die bevorstehende Gefahr gewußt hatten. In Scharen von
vielen Tausenden hatten sie Taku und Tongku und die zahlreichen Dörfer , die
sich um die Forts gruppierten, verlassen und waren weit hinter dem Nordfort -
auf dem Wege nach Pehtang - in Sicherheit. Nur die Kranken und Elenden hatten
sie zu Hause gelassen, und diese fielen denn auch zum großen Teil den Kanonen
des Südforts zum Opfer.
Das Südfort setzte sein bisher so
gänzlich wirkungslos gebliebenes Bombardement mit verdoppelter Energie fort.
Entweder hatte die Flut bereits eingesetzt und die "Iltis"gehoben oder die
Chinesen begannen jetzt das Ziel besser zu finden, denn eben durchbohrte eine
Granate die Achterkante des hinteren Schornsteines, und ein Hagel von eisernen
Splittern fiel auf die Kommandobrücke und das Deck herab. Eine dichte Rauchwolke
zog in diesem Momente von den links von uns ankernden drei russischen
Kanonenbooten "Bobr", "Korrejetz" und "Giljak" über das Deck der "Iltis", so daß
man keine drei Schritte weit sehen konnte. Es war dies das dritte Mal, daß der
Kampf auf sämtlichen Kanonenbooten einige Minuten lang eingestellt werden mußte,
da der schwere Rauch der russischen Geschütze unsere ganze kleine Flotille, von
dem die äußerste Linke haltenden französischen Schiffe "Lion" bis zu der rechts
von uns ankernden "Algerine" (englisch), in eine undurchdringliche Wolke
einhüllte.
Die herabsausenden feindlichen
Geschosse, die mächtige Luftwolken mit sich rissen, hatten den Rauchschleier
bald wieder zerteilt, und nun gewahrte man, daß die Splitter, welche das den
Schornstein der "Iltis" durchbohrende Geschoß auf das Deck des Schiffes
herabhagelt, keinerlei Schaden angerichtet hatten. Aber die Leute an den Kanonen
schienen von einer wahren Wut gegen den unsichtbaren Feind erfaßt. Die
Munitionsträger eilten über das Deck, als gelte es eine Wette, schweißtriefend,
der schweren eisernen Last kaum achtend; die Geschützbedienungsmannschaften
hatten die Jacke über der heißen Brust aufgerissen und hantierten mit
aufgekrämpelten Ärmeln. Es bedurfte der ganzen kalten Überlegung der Offiziere,
um den Geschützführern, die zielend und feuernd hinter den Maschinenkanonen
saßen, die nötige Ruhe zu verleihen. Die plötzliche Wut, die in die Leute
gefahren zu sein schien, fiel einem um so mehr auf, als sie bis dahin eine
bewundernswürdige Kaltblütigkeit, die sich mit deutlich ausgesprochener
Verachtung für die feindlichen Geschosse paarte, an den Tag gelegt hatten. Der
Geist eisener Disziplin und treuer Pflichterfüllung, der die ganze Mannschaft
des Schiffchens vom ersten bis zum letzten durchdrang, stellte jedoch das
Gleichgewicht schnell wieder her, und an Stelle der für einen Moment
aufflackernden Kampfeswut trat aufs neue kaltblütige Überlegung, die nicht
einzige Patrone verschwendete.
Mit derselben erstaunlichen Ruhe
hatten die Leute des Marine-Ingenieurs Friedrich die heftig qualmende
japanische Kohle, mit der die Kessel bisher geheizt worden, beiseite geschafft,
um einer weniger rauchenden Qualität Platz zu machen, die rückwärts des
Kesselraumes verstaut war. Die Leute kamen rauchgeschwärzt und schweißtriefend
aus dem Kesselraum an Deck, wo sie zum erstenmale das Kriegsgeschrei der dicht
über ihre Köpfe hinwegsausenden eisernen Feinde hörten — keiner zuckte auch nur
mit der Wimper, kaum daß sie vor den kreischenden Geschossen die unwillkürliche
"Verbeugung" machten. Platt lagen sie auf Deck ausgestreckt, die Arme tief in
den die Bunkers öffnenden Löchern, in ihr schwarzes Handwerk vertieft, als würde
die Arbeit unter klarem Himmel, auf Gottes freiem friedlichen Meere getan. — —
Die beiden großen
Schnellfeuergeschütze der "Iltis" (8,8 Centimeter Kaliber) hatten sich
inzwischen ausschließlich dem Südfort gewidmet, welches auch uns seiner ganz
besonderen Aufmerksamkeit zu würdigen schien. Rings um uns waren die sonst so
trägen gelben Fluten des Peiho in wilder Aufregung ob der fort und fort
einschlagenden feindlichen Geschosse. Unsere Maschinenkanonen aber sandten ab
und zu eine Salve nach dem Nordwestfort hinüber, das sich nur noch mit einem
einzigen Geschütz verteidigte. Auch dieses schwieg endlich. Die chinesischen
Kanoniere wichen zurück. Noch einmal - zweimal machten sie den Versuch, ihr
letztes Geschütz wieder in Aktion zu setzten, aber unter dem eisernen Hagel, mit
dem unsere Maschinenkanonen sie überschütteten, konnte kein Sterblicher stehen.
Die Widerstandsfähigkeit des Nordwestforts war gebrochen, in wilder Panik flohen
die Chinesen von den Wällen. Am Fockmaste der "Iltis" stieg der schwarze Ball
empor, welcher verabredungsgemäß den gelandeten Mannschaften unter Kapitän Pohl
von der "Hansa" das Zeichen zum Sturm auf das niedergekämpfte Fort gab. Wenige
Augenblicke später wurde der schwarze Ball auch am Hauptmaste der "Algerine"
gehißt, und jetzt stellten sämtliche Kanonenboote ihr Feuer auf das
Nordwestfort ein, um ihre ganze Aufmerksamkeit dem Südfort
zuzuwenden. Das Nordfort, das noch tags vorher schwarz oder vielmehr blau
von chinesischen Truppen gewesen, schien bereits aufgegeben zu sein; wenigstens
waren seine Geschütze verstummt.
Ich stand an die Reeling gelehnt,
unweit des achteren Schornsteins und beobachtete mit dem Glas die braune dürre
Lehmwüste, die sich oberhalb der Ortschaft nach dem Nordwestfort erstreckte.
Hier war es lebendig geworden, dünne grauweiße Linien bewegten sich
schlangenartig gegen die Wälle, kamen näher und näher, lösten sich auf — jetzt
konnte man die einzelnen Soldaten bereits unterscheiden, man hörte ihr "Hurra"
nicht, aber man fühlte es mit, als sie im Sturmschritt gegen die Befestigung
vorrückten. Hinter einsamen Salzmühlen, die bisher tot und verlassen erschienen,
tauchten plötzlich unsere Matrosen auf, aus Gräbern stiegen sie empor und eilten
den Kameraden nach zum Kampfe, zum Siege. —
Gerade um diese Zeit erhielt Herrings seine schwere Verwundung, wegen deren
er nach dem Lazarett in das Zwischendeck transportiert werden mußte. Er kann
daherden weiteren Verlauf der Affäre nicht aus eigener Anschauung schildern,
berichtet aber anschaulich genug nach den ihm gewordenen Erzählungen anderer,
vor allem nach den Angaben des tapferen Kommandanten Lans selbst.
Noch hatte sich der Rauch, den die
(im Kartenhause) explodierende Munition verursachte, nicht verzogen und
Steuermann Schmidt, der auf der Steuerbordseite vor dem Kommandoturm gestanden
hatte, war nach der Backbordseite herübergesprungen, um dem Kommandanten zu
melden, daß das Feuer gelöscht sei, da schlug eine Granate an der Stelle ein, wo
der Mann noch eben gestanden hatte, riß das dahinter liegende Deck der oberen
Brücke auf, explodierte und zertrümmerte das mittschiffs befindliche Geländer
und sämtliche klar stehenden Gewehre. Ein Schauer von Sprengstücken fiel auf die
Backbordseite nieder, wo eine Maschinenkanone mit gefülltem Gurt klar zum Feuer
stand. Sprengstücke hatten diesen Gurt getroffen, und nach allen Seiten platzte
die Munition auseinander. Dien Wucht der Explosion hatte den dicht
danebenstehenden Kommandanten Lans zu Boden geschleudert. Pulverdampf
verhüllte noch die Szene, als der Tod von neuem herabsauste. Die Granate traf
den Fockmast und explodierte mit einem ungewöhnlich lautem Knalle: die ganze
Brücke verschwand in einer Rauchwolke. Mitten durch den Schlachtdampf sah man
zwei Männer in größter Eile der Stelle zulaufen, wo der Komandant zu Boden
geschleudert worden war. Der eine war Steuermann Schmidt, der andere
Oberleutnant von Hoffmann. Schmidt war zuerst da; einen Moment beugte er sich
über die zu seinen Füßen allmählich sichtbar werdende Gestalt des Kapitäns, dann
trat er an die Brüstung des Komandoturmes und schrie mit lauter, trotz des
Kanonendonners deutlich hörbarer Stimme über das Schiff:
"Der Kommandant ist gefallen, Oberleutnant von Hoffmann hat das Kommando!" "Der Kommandant ist gefallen! Der Kommandant ist gefallen!" verbreitete sich der Ruf im Nu über das Schiff. Einen Augenblick ließen sogar die tapferen Leute am Achterdeck de Feind aus den Auge, um nach der Kommandobrücke zu schauen, die in dem Pulverdampf kaum noch sichtbar war.
Der Mann, der jetzt eilig die
heftig beschossene Brücke bestieg, war Oberleutnant von Hoffmann selbst,
der glücklicherweise kurz vorher von Kapitän Lans mit einem Befehl für
Oberleutnant von Hippel aufs Achterdeck geschickt worden war. Er hatte
eben die zu der Brücke führende Treppe erreicht, als der verhängnisvolle Schuß
gefallen war. — Leichen versperrten ihm den Weg; er sprang über sie hinweg.
Sprengstücke hatten ihm die Mütze vom Kopfe gerissen, Blut floß über dein
pulvergeschwärztes Gesicht und färbte die weiße Uniform an der rechten Schulter.
Er hatte die Worte des Steuermanns gehört und beeilte sich, den in einem so
kritischen Momente ihm zufallenenen Befehl über das Schiff zu übernehmen.
Als der Pulverrauch sich verzogen hatte, stand der Kommandant, an die Brüstung geklammert, wieder aufgerichtet und rief dem Steuermann zu: "Das linke Bein ist zerschossen, hier mein Taschentuch, schnüren Sie es über die Wunde fest um das Bein!"
Während sich diese tragischen
Ereignisse mit einer für den Leser unglaublichen Geschindigkeit abspielten,
hatte sich die "Iltis" auf der Steuerbordseite der "Algerine" bis auf wenige
Meter genähert. In diesen letzten Minuten, es waren vielleicht nur Sekunden,
blieb seine Brücke vom feindlichen Feuer verschont, und der Pulverdampf , mit
welchem die explodierenden Granaten bisher den Oberbau eingehüllt, verzog sich.
Es war jetzt hellichter Tag. Deutlich unterschied man alles, was auf der
"Algerine" vorgimng, deren Mannschaft die Wunden, die die "Iltis" erhalten, mit
neidischen Blicken musterte.
Auf der Brücke stand, mit der
linken Hand sein zerschossenes Bein hochhaltend, das Gesicht blutüberströmt und
pulververbrannt, Kapitän Lans. Grüßend schwang er die Mütze und rief dem
Komandanten der "Algerine" zu, ob er nicht einen Arzt entbehren könne, da so
viele Verwundete auf dem Verbandplatze lägen, daß unserer eigener Arzt alle
Hände voll zu tun habe.
Heftiger Kanonendonner ließ die Antwort nicht verständlich werden. In diesen Augenblicke meldet der am Ruder stehende Signalmatrose Mampe: "Ruder zerschossen!" Gleichzeitig rief der Telegraphenposten Dreger: "Maschinen-Telegraphen und Sprachrohre zerschossen!"
Das Feuer der Chinesen hatte sich
von neuem mit großer Energie gegen die "Iltis"gewendet, wodurch auch die jetzt
fast längsseits liegende "Algerine" stark mit gefährtet wurde.
In diesem kritischen Momente erteilte der erste Offizier, Oberleutnant von Hoffmann, seinen ersten Befehl. Mit lauter Stimme rief er achteraus: "Handruder einkuppeln, Befehlsübermittlung an die Maschinen über Deck!" Sofort wurde von dem Signalmatrosen Rollwagen mit Hilfe der Matrosen Mampe, Battre, Geißler und Hafenreffer das Handruder eingekuppelt und besetzt. An Deck stellten sich der Maschinistenmaat Rosenberg und der Heizer Risch auf, um die Befehle, welche ihnen der stellvertretende Kommandant zuzurufen hatte, in den Maschinenraum weiter zu geben. So schnell war das alles geschehen, daß das Schiff tatsächlich kaum einen Augenblick der festen Führung entbehrt hatte.
Wir waren inzwischen etwa 100 Meter
stromabwärts der "Algerine" vorausgedampft, als von der Brücke das Kommando
ertönte:
"Klar beim Steuerbord Anker!" "Maschinen äußerste Kraft zurück!" "Fallen Anker!" Diese Komandos konnten jedoch nicht so schnell ausgeführt werden, als sie gegeben worden, da eines der Schnellfeuergeschütze erst das Feuer abbrechen mußte, weil es das freie Niedergleiten der Kette verhinderte. Wohl weil die "Iltis" in dieser Stellung das Feuer der "Algerine", die zur selben Zeit eine Bewegung ausgeführt hatte, behinderte, ließ Kommandant von Hoffmann schon wenige Minuten später abermals Anker lichten, um noch vielleicht 200 Meter weiter stromabwärts zu gehen.
Inzwischen war Steuermann Schmidt
nach unten gestürzt, um dem schwer leidenden Kapitän Lans etwas Wasser zur
Linderung seiner Qualen zu holen, er fand jedoch fast alle auf Deck befindlichen
Wasserbehälter von den Granaten zertrümmert und mußte deshalb unter Deck gehen.
Schweißtriefend, die Uniform mit Blut befleckt, das Gesicht von dem Rauch von
einem Dutzend Expolsionen geschwärzt, lief er durch die Reihen seiner Kameraden,
die sich ängstlich nach dem Befinden des Kapitäns Lans erkundigten.
"Wird der Kapitän sterben?" - "Ist der Kapitän tot?" Aber Schmidt hatte keine Antwort auf diese Fragen. Er rief nach dem Stabsarzte und den Krankenträgern.Diese waren schon zu Seite des Verwundeten, der, von Blutverluste geschwächt, in Oberleutnant Hoffmans Arme zurückgesunken war.
Man setzte ihn auf einen noch
verschont gebliebenen Munitionskasten auf der Brücke nieder, wo Stabsarzt
Schoder eine oberflächliche Untersuchung der grausigen Wunde vornahm, die ihn
schnell überzeugte, daß nur im Hospital ein auch nur oberflächlicher Verband
angelegt werden könnte. Der Matrose Ringler hab ihn bei den Beinen, während
Stabsarzt Schoder und Brendl seinen Oberköper umfaßten.
Langsam begannen sie die steile Treppe hinabzusteigen. Da plötzlich - ein Brechen , Prasseln, Heulen, Blitzen - ein Donnerknall und - krach - stürzte die Treppe, der schwer verwundete Kommandant und Krankenträger Ringler aufs Deck hinab. Dr. Schoder und Brendl aber wurden von dem Luftdruck auf die Brücke zurückgeschleudert. Pulverdampf, der explodierenden Granate entweichend, verhüllte sekundenlang die Szene.
Als dieser sich endlich verzogen
hatte, bemerkte man, daß das Geschoß die auf der Back liegenden Kartoffelsäcke
durchbohrt, in das Kartenhaus eingedrungen und, nachdem es noch durch das
Kartenspind durchgegangen, den eisernen Boden nach unten gedrückt hatte. Unten
stand in diesem Augenblicke der Obermatrose Sokopf. Im nächsten Moment sank er
mit zerquetschtem Kopfe tot zu Boden.
Noch nicht zufrieden mit all dieser Verheerung, hatten Sprengstücke einen Wassertank zerschmettert und den dort postierten Obermatrosen Splinter schwer an der Brust verwundet, schließlich noch den Krankenträgern die Treppe unter den Füßen weggerissen und die oben beschriebene Katastrophe herbeigeführt. Das war das Werk einer Sekunde.
Kapitän Lans muß sich schnell
wieder aufgerafft haben, dann als der Pulverdampf sich verzogen hatte, war die
Stelle, wo man ihn hätte finden sollen, leer. Dr. Schoder besah sich. Er war
blutüberströmt, seine Uniform zerrissen - aber verwundet war er nicht. Ebenso
glücklich waren die beiden Krankenträger davongekommen.
"Der Kapitän ist in der Pinasse!" rief jemand dem Stabsarzt zu. Dieser eilte an die Brüstung. Richtig, da war der Kapitän bereits in der längseits liegenden Pinasse. Dem Stabsarzt rief er zu: Er wolle nicht, daß dieser sich um ihn bemühe. Man brauche ihn nicht zu verbinden! Man solle andere nicht der ärztlichen Hilfe berauben, die deren mehr benötigten als er.
In diesem wüsten Schlachtenlärm, wo
an Deck sich Leiche auf Leiche häufte, wo kaum noch einer war, der nicht das
Blut seines Nebenmanns gesehen, hatten die wackeren Schnellfeuergeschütze vorn
unter Oberleutnant Nergers und achtern unter Oberleutnant von Hippels Leitung
den Kampf gegen das Südfort mit verbissener Wut fast allein weiter geführt. auf
der Brücke war nur noch eine Maschinenkanone intakt. Die anderen waren
zerschlagen, kampfunfähig. Es war der Obermatrose Papst, der diese Kanone
bediente. Das blanke Messingrohr freilich war geschwärzt vom Pulverdampfe; aber
die Stimme des braven Geschützes klang scharf und herausfordernd, als verlange
es Sühne für die unglücklichen Kampfgenossen.
Dann plötzlich ein Knall, alles
übertönend, wie von hundert Riesengeschützen auf einmal abgefeuert.
Ein Schuß aus einem der achtern
Schnellfeuergeschütze hatte die zweite Munitionskammer - die erste war schon
früher explodiert - des Südforts getroffen, und dasselbe war mit einer
Erschütterung in die Luft geflogen, die unsere Hängematten im Hospital in
Bewegung setzte, lag die "Iltis" doch nur noch 300 Meter weit entfernt. Zugleich
erscholl an Deck brausendes Hurra! Der Feind schien besiegt, das Fort seinem
Schicksale verfallen zu sein.
Eine schwere, weißgraue Wolke von Rauch und Staub verdunkelte die Sonne, hüllte die Forts, die "Iltis" und alles in einen undurchdringlichen Schleier. Zu gleicher Zeit fiel ein Schauer von Holzsplittern, Steinchen und Sand auf Deck und prasselte rings um das Schiff ins Wasser.
Die Hurras der Mannschaft waren
noch nicht verklungen, da sauste, alles vor sich niederbrechend, eine Granate
durch die Apotheke; schräg durch das Schiff, am Verbandsplatze vorbei, drang
dann, das Oberdeck durchschlagend, unter der Back durch den Ölbehälter,
zertrümmerte eine Deckstütze und schleuderte diese weit über das Deck bis nach
den achtern Gewehrständen, wo sie krachend zu Boden fiel.
Noch hatte sich der von der Explosion im Südfort herrührende Rauch und Staub noch nicht verzogen; aber als man endlich den Schaden besehen konnte, fand man den Büchsenmacher Bästlein und den Obermatrosen Maas tot unter den Trümmern. Dem Heizer Holm floß der Lebensquell in starken Strömen aus einer Wunde in der Brust, und die Matrosen Fischer und Casmier wankten, auf ihre Kameraden gestützt, nach unten zum Verbandsplatz.
Die Granate - es war offenbar ein
sehr schweres Kaliber - war, wie die genommene Richtung vermuten ließ, zuerst
aufs Wasser aufgeschlagen und muß dann wieder in die Höhe gestiegen sein, dann
nur so ist es zu erklären, daß sie oberhalb des Bullauges (kleinen, runden
Fensters) der Apotheke eindringen und sich aufwärts einen Ausweg durch das
Walfischdeck ins Freie bahnen konnte. Doch noch war ihr Zerstörungswerk nicht
vollendet. Heulend setzte sie ihren Flug fort, bis der die Verbindung zwischen
dem Nordwest- und Nordfort bildende Wall ihr ein Ziel setzte. Sie krepierte mit
heftigen Knall und schlug eine große Bresche in das chinesische Festungswerk.
Unter dem brausenden Beifallsgeschrei der Kameraden auf den anderen
Kriegsschiffen steigerte die "Iltis" jetzt ihr Feuer mit geradezu fieberhafter
Tätigkeit. Diese letzten Minuten waren den Verwundeten eine Höllenqual. Den
Chinesen aber auch! Ihre Kanonen schwiegen eine nach der anderen, während
zugleich Kapitän Pohl mit dem Landungskorps von dem Nordfort auf in Bereitschaft
gehaltene Booten übersetzte und das Südfort im Sturm nahm. Die Chinesen sah man
über die Wälle in wilder Flucht landeinwärts eilen, von dem nimmer ermüdenden
Schnellfeuer der "Iltis" begleitet. Bald aber - die Chinesen liefen sehr schnell
- konnten selbst die 8,8-cm-Geschütze der "Iltis" die Fliehenden nicht mehr
erreichen, und jetzt sanken die Arme, die die ganze Nacht unermüdlich gewesen,
ermattet nieder.
Jetzt hatte man endlich Zeit, sich
mal umzusehen, was eigentlich pasiert war. War das die blitzsaubere "Iltis"?
Überall wüste Zerstörung, Feuerspuren, Blut, Leichen und Stücke von solchen. Wie
wenn es in einer modernen Schlächterei gebrannt hat, so sah das Deck der "Iltis"
aus. — — —
"Hurra, hurra, hurra!" Das war das Siegesgeschrei, mit dem die "Iltis" in allgemeinen Jubel der Schiffe und der Forts einstimmte, als das kleine tapfere Boot sich zu seinem Triumphzuge nach der Flotte auf der Taku-Reede anschickte, um Admiral Bendemann zu melden: "Die Taku-Forts sind genommen!"
Den Sturm auf das Nordwestfort
hatte, wie bereits ewähnt wurdem Kapitän Pohl zu kommandieren, der sein 820 Mann
starkes Kommando östlich von Tongku sammelte und unter dem Schutze der
Dunkelheit bis auf 600 Meter an das Fort heran brachte. Als der schwarze Ball an
Bord der "Iltis" früh 1/4 5 Uhr das Zeichen zum Sturmangriff gab, gingen die
Deutschen auf der lehmigen, sanft aufsteigenden Ebene ohne Deckung in
Schützenlinie vor, Kapitän Pohl drang als erster in das nicht mehr verteidigte
Fort ein und hißte in dessen Südwestecke die deutsche Flagge, die mit drei
kräftigen Hurras begrüßt wurde. Auf der anderen Seite erkletterten die Japaner
die Wälle, ihnen voran Kapitän Hattori, den beim Eindringen in das Fort
der Beilhieb eines Chinesen tötete.
Den letzten Sturmlauf schilderte
der österreichische Linienschiffsfähnrich Stenner wie folgt: Meine
Abteilung machte mit jener der deutschen Schiffe den Vormarsch in der
Dammdeckung. Da jedoch der Winkel, welchen die Straße mit der Schußlinie gegen
das Fort bildet, ein derartig spitzer war, daß man nicht ohne Gefährdung der
Vordermänner schießen konnte, ging ich sprungweise bis auf 800 Meter vor das
Fort, wo die Straße nach rechts abbiegt, vor. Hier eröffnete ich in sehr guter
Deckung das Feuer gegen die aus den Stückpforten schießenden chinesischen
Truppen. Meine kleine Mannschaftsabteilung war mir stets mit Tapferkeit und Ruhe
gefolgt und zeigte eine gute Feuerdisziplin. Ich war sehr rasch vorgegangen und
erreichte in beschriebener Deckung die englische Abteilung der Vortruppe. In
ständiger Deckung hinter dem Straßendamm konnte ich sprungweise bis auf ca. 300
Meter dem Fort nahekommen, die Leute hierbei abwechselnd schießen und ausruhen
lassen.Während dieses Feuers hatten sich allmählich Abteilungen verschiedener
Nationen in dieser Deckung vereinigt, welche dem Kommando des nächsten Offiziers
folgten. Meine kleine Abteilung schien sich vervierfacht zu haben, denn ca. 100
Mann folgten meinem Komando auf "Vorwärts", "Nieder" und selbst den
Feuerkomandos. War schon beim Anmarsche das Gewehrfeuer nicht von besonderer
Heftigkeit gewesen, so schien mit dem Feuer aus Nahdistanz der letzte Widerstand
gebrochen zu sein. Die Brücke über den Festungsgraben war intakt geblieben, das
Tor gesprengt, und beim Erklettern der Wälle fielen nur mehr vereinzelte
Schüsse.
Als ich mir meinen Leuten den
ersten Geschützstand erklommen hatte, wurde an dem Flaggenstocke desselben
soeben die englische Flagge gehißt. Da ich von diesem Standpunkte aus sah, daß
bereits an allen Punkten fremde Mannschaften erschienen und ich keinen leeren
Flaggenstock mehr rechtzeitig erreichen konnte, hißte ich im Einvernehmen mit
einem englischen Offizier um 5 1/2 Uhr die k. u. k. Flagge neben der englischen.
Im Fort fand man sehr viel Munition und besonders bei den Geschützständen viele
Gefallene.
Da der Angriff einseitig erfolgt war, schien die Besatzung beim Ansturm unter Mitnahme der Leichtverwundeten nach der Südseite geflüchtet zu sein. Ich ließ meine Manschaft sammeln, konstatierte, daß niemand verletzt war, kommandierte "Zum Gebet" und vereinigte mich nach einem Patrouillengange durch das Fort wiederum mit den deutschen Mannschaften. —
Nach dem Nordwestfort fiel auch das
Nordfort und als dessen unbeschädigte schwere Geschütze auf Befehl des Kapitäns
Pohl nach dem gegenüberliegenden Südfort gerichtet wurden, glückte dem erwähnten
Fähnrich Stenner ein so guter Treffer, daß das Pulvermagazin in dem Südfort
explodierte und dadurch auch dieses unhaltbar wurde, da das andere Magazin
bereits vorher von der "Iltis" aus in die Luft gesprengt worden war. Den
anrückenden Deutschen und Österreichern vermochte die chinesische Besatzung
keinen längeren Widerstand entgegen zu setzen, und 6 Uhr 50 Minuten wehte von
allen südlichen Werken die deutsche Flagge stolz in der Luft. Der Kampf war in
der Hauptsache zu ende, und 54 meist moderne schwere Geschütze,
Schnellfeuergeschütze mit Einheitspatronen und eine große Menge Munition waren
erbeutet; auch vier chinesische Torpedoboote, die vergebens versucht hatten, aus
der Peiho-Mündung zu entkommen, fielen in die Hände der Verbündeten, und je
eines davon behielten die Deutschen, Russen, Franzosen und Engländer. Die
letzteren besetzten das erste, die Japaner das zweite Nordfort, die Deutschen
und Russen das 1000 Meter lange Südfort.
Allerding war der Sieg nicht leicht
erkauft. Die Verluste der Verbündeten betrugen 118 Tote und Verwundete, jene der
Chinesen etwa 700 Mann und 100 Gefangene. Der Wert des ruhmreichen Erfolges, zu
dem deutscher Mut, deutsche Tapferkeit und Todesverachtung so unendlich viel
beigetragen hatten, schildert aber der für jene Heldentaten mit dem Orden
pour le mèrite ausgezeichnte Korvettenkapitän Lans, der in letzter Stunde
das Kommando über den "Iltis" an den Oberleutnant z. S. Hoffmann Lamatsch Edler
von Wallenstein abgetreten hatte, in folgenden Worten:
Wäre uns die Niederkämpfung der
Forts von Taku, die ja das Eingangstor nach Tientsin, d.h. die Flußmündung,
beherrschten, nicht gelungen, so wären alle Europäer, d.h. 3000 Mannschaften der
verschiedenen Stationen und etwa 2000 Europäer in Tientsin verloren gewesen.Nach
Einnahme der Forts aber konnten die am nächten Tage von allen Stationen
eintreffenden Verstärkungen ganz ungehindert gelandet werden, die gerade zur
rechten Zeit ankamen. Hätten wir gegen eine zivilisierte Nation zu kämpfen
gehabt, so wäre die Aufregung nicht so groß gewesen, aber der furchtbare
Gedanke, daß wir alle, Männer, Frauen, Kinder, ohne Ausnahme rücksichtslos den
entsetzlichen Martern der Boxer ausgeliefert waren, das ließ uns die Nerven aufs
äußerste anspannen."
Quelle: China Land und Leute, Illustrirte Geschichte des Reiches der Mitte,
Dr. Emil Wilhelmy, Verlag Herlet, 1905 von rado by jadu 2002.
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Gruppenbild der ILTIS
Tientsin - der Verteidigungsplan
Der Verteidigungsplan von Ta Ku.
Langfang - der Plan der Züge der Kolonne Seymour
Die Forts von Ta Ku
Die Stationierung der alliierten Flotte im Peiho
http://hdl.loc.gov/loc.mbrsmi/edmp.1965 - hier ein Video der Beschiessung von Ta Ku.
Die Belagerung von Tientsin