Samstag, 4. August 2012

Ungarische Tageszeitungen


Népszava („Volksstimme“) ist eine im Jahr 1877 – andere Quellen sprechen sogar von 1873 – in Budapest von Viktor Külföldi gegründete sozialdemokratische ungarischeTageszeitung. Sie war bis 1948 die offizielle Zeitung der Ungarischen Sozial-Demokratischen Partei (MSZDP). 1940 wurde auch der nachmalige Staatspräsident Árpád Szakasits Chefredakteur.
Zwischen 1948 und 1989 in der Periode des Kommunismus in Ungarn war sie die offizielle Zeitung der ungarischen Gewerkschaften. 1990 wurde sie reformiert und gehörte bis 2002 dem Zentralrat der ungarischen Gewerkschaften. Später wurde sie privatisiert und gehörte kurze Zeit einer Werbeagentur namens ESMA. Gegenwärtig hat sie sich der Sozialdemokratie wieder angenähert, ist aber im Besitz ihres Managements und hofft auf Spenden.
Am 3. Dezember 2010 erschien Népszava aus Protest gegen das mittlerweile verabschiedete Regierungsvorhaben einer Verfassungsänderung zu einer verschärften Medienkontrolle durch die Staatliche Behörde für Medien und NachrichtenübermittlungNemzeti Média- és Hírközlési Hatóság mit leerem Titelblatt.







„Volksstimme“ in finanziellen Nöten
Seit einiger Zeit ist in der Online-Ausgabe der „sozialdemokratischen Tageszeitung“ Népszava (Deutsch: Volksstimme) ein dramatischer Ap­pell zu lesen: „Solange wir ein Blatt haben, haben wir eine Stimme!“ Die Népszava bittet ihre Online-Leser darin, in die Tasche zu greifen und ein Jahresabonnement (34.800 Forint) zu kaufen. 10.000 Jahres-Abos seien nötig, um die „138-jährige“ Zeitung über Wasser zu halten, heißt es. Die Zeitung braucht demnach knapp 350 Millionen Forint zum Überleben. Eine Menge Geld.

Das weiß auch Chefredakteur Péter Németh. „Wir müssten unsere Jahresabonnements um fast 100 Prozent erhöhen“, sagt er. Worauf die finanzielle Malaise zurückzuführen sei? In der Zeitung gebe es kaum noch Inserate, von staatlichen Anzeigen gar nicht zu sprechen. Seit die rechtskonservative Regierung von Viktor Orbán am Ruder ist, seien staatliche Inserate aus der Zeitung völlig verschwunden, erklärt Né­meth.

Der Chefredakteur von Népszava weist hierbei darauf hin, dass die linksliberalen Regie­run­gen freigebiger und toleranter gewesen seien. So seien zwischen 2002 und 2010 auch konservative Zeitungen, die heute als regierungsnah gelten, in den Genuss von staatlichen Anzeigen gekommen. Warum die Inserate aus der Pri­va­t­wirt­schaft in der Zeitung so dünn gesät seien, wollen wir wissen. Némeths Antwort: Unternehmen würden schlicht und einfach deshalb nicht inserieren, weil sie Angst vor Kontrollen der Steu­er­behörde hätten.

Steigende Verkaufszahlen als einziger Lichtblick in der tristen Situation

Was die Verkaufszahlen angeht, stehe Népsza­va derzeit gar nicht so schlecht da. „Erst gestern wurden die neuesten Zahlen veröffentlicht. Demnach hat Népszava um sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr zugelegt“, sagt Németh. Dies ist insofern beachtlich, als die anderen Tages­zei­tungen viele Leser verloren haben. Ob am Ho­ri­zont bereits ein rettender Investor auszumachen sei? „Nein“, lautet die Antwort. Und was habe es mit dem Angebot des Baulöwen und Multi­mil­li­ar­därs Sándor Demján auf sich, Népszava finanziell unter die Arme zu greifen?

Chefredakteur Németh winkt ab: „Das ist nichts Ernstes.“ Demján habe an eine finanzielle Unterstützung für die Zeitung die Bedingung geknüpft, eine sozialdemokratische Partei zu grün­den. „Damit kann ich nichts anfangen“, sagt er. Die Situation bei Népszava ist mithin wirklich prekär. Wie lange die Zeitung denn überhaupt noch finanziell über die Runden komme? „Das kann ein Monat sein oder auch ein halbes Jahr, ich weiß es nicht“, so die Antwort Né­meths.

Themenwechsel: Was unterscheidet eigentlich die zwei linken Tageszeitungen Népszabadság und Népszava voneinander? Népszabadság sei eher ein Mittelinksblatt. Zudem habe Népszava ein weit markanteres linkes Profil als Nép­sza­bad­ság. Ob es denn tatsächlich ein Naheverhältnis zu den oppositionellen Sozialisten (MSZP) gebe, wollen wir nun erfahren. „Ja, das gibt es.“ Né­meth umschreibt die Beziehungen seiner Zeitung zur Oppositionspartei folgendermaßen: „Sie können auf uns zählen, wir können auf sie zählen.“ Németh artikuliert diesbezüglich seine Hoffnung, dass die MSZP gerade in dieser schwe­ren Stunde für Népszava zur Stelle sein wird.

Schließlich kommen wir auf die Schwer­punkt­set­zungen der Zeitung zu sprechen. Németh betont, dass der politische Teil und die zum Teil ganzseitigen Hintergrundberichte neben den Kommentaren das größte Gewicht hätten. Die Kommentarseite leite Iván Andrassew, eine emblematische Figur unter den linken Publizisten des Landes. Unter den Kommentatoren, die regelmäßig Meinungsartikel für Népszava schreiben, seien auch zwei andere namhafte linke Pub­li­z­isten zu finden, György Bolgár und Tamás Mé­száros. In Anbetracht der klammen Fi­nanz­la­ge des Blattes schrieben die beiden genannten Jour­nalisten ihre Kommentare seit Monaten sogar gratis, sagt Németh.

Zum Abschluss des Gesprächs betont Chef­re­dakteur Németh noch, welch schweren Stand linke Medien heute in Ungarn hätten. „Wir geraten immer mehr ins Hintertreffen. Ich kann die linken Medien bereits an einer Hand abzählen“, so Németh. Demgegenüber werde das Netz­werk an rechten Medien immer größer. Und die Fäden all dieser rechten Medien liefen in einer Zentrale zusammen, die Fidesz hieße, vermeint Péter Németh zu wissen.

Népszava


Die Zeitung Népszava blickt auf eine lange Vergangenheit zurück. 1873 gegründet war sie ursprünglich das Blatt der Ungarischen Sozialdemokratischen Partei (MSZDP). Während des real existierenden Sozialismus galt Népszava als Zeitung der Gewerkschaften. Seit der Wende steht das Blatt den Sozialisten (MSZP) nahe. Auch die Budapester Zeitung konnte sich davon überzeugen: Während des Gesprächs mit Chefredakteur Péter Németh kam zufällig ein Anruf von At­tila Mesterházy, dem Vorsitzenden und Fraktionschef der MSZP. Németh war einst Chefredakteur der Magyar Hírlap, als die Zeitung noch eine linksliberale Ausrichtung hatte. Vor einigen Jahren ist die Magyar Hírlap allerdings zu einem konservativen Blatt mutiert, was für Németh „besonders schmerzhaft“ gewesen sei. Doch zurück zu Népszava: Die Zeitung erscheint von Montag bis Samstag auf 16 Seiten. Am Samstag liegt dem Blatt auch die Wochenendbeilage „Szép Szó“ (Deutsch: Schönes Wort) bei, die einst vom großen ungarischen Dichter Attila József und dem international renommierten Historiker Ferenc Fejt? gegründet worden war. Népszava beschäftigt heute rund 70 Personen, darunter etwa 40 Journalisten. pebo


Falls also jemand 120 EURO zuviel hat, das wäre eine gute Investition in die demokratische Meinungsbildung Ungarns