Sonntag, 1. Juli 2012

KSC Kuttis Interview


Hadschi Murat: „Hallo KSC-Kutti. Ihre Fahne gehört zu jenen Prachtexemplaren, die bei Länderspielübertragungen regelmäßig im Fernsehen auffallen. Darf ich Ihnen ein paar Fragen stellen?“

KSC-Kutti (errötet): „Gerne! Dafür sind meine Fahne und ich doch da!“

H.M.: „Zunächst das Private: Wie alt sind Sie?“

K.K.: „Fast 50.“

H.M.: “Wie bitte?“

K.K.: „Hab' mich gut gehalten, nicht wahr?“ (lacht)

H.M.: „Allerdings. Dann können Sie sicher Einiges aus Ihrem Leben berichten, besonders aus der Zeit, bevor Sie sich dem Fahnenhopping widmeten.“

K.K.: „So sieht's aus, obwohl meine Vergangenheit zunächst sehr gewöhnlich ablief: Ich hatte eine Frau, ein Kind, ein schmuckes Häuschen, ein Auto und ein Motorrad. Wir lebten gemütlich in Teningen, und jedes zweite Wochenende fuhr ich als Kuttenträger zum Wildparkstadion. Daher auch mein Name. (grinst)
Mitte der 90er Jahre kam dann diese Jugendbewegung – ich glaube, man nennt das „Ultras“ oder so – in den deutschen Stadien auf. Damit begann die Hetze gegen uns Kuttenträger. Dieses zündelnde und randalierende Jungvolk klaute mir irgendwann hinter'm Stadion meine mit Aufnähern bestickte Jeansweste und verbrannte sie vor meinen Augen unter Sprechchören wie „Gegen den modernen Fußball“. Das war für mich ein Schicksalsschlag.“

H.M.: „Ja, die Jugend ist etwas rauer geworden. Wie ging es dann mit Ihnen weiter?“

K.K.: „Auch meine Ehe verlief zu dem Zeitpunkt nicht nach meinem Geschmack. Erst hatte meine damalige Angeheiratete bloß Augen für andere Männer, später stand für sie nur noch unsere Tochter im Mittelpunkt. Als ich irgendwann aus Verzweiflung mein Banner nähte und mich dem Fahnenhopping zuwandte, reichte sie die Scheidung ein – mit dem Argument, ich hätte nie Zeit für sie.“

H.M.: „So eine Fahne nimmt letztendlich viel Zeit in Anspruch.“

K.K.: „Das ist richtig, aber ich muss sagen, dass ich mit ihr viel glücklicher bin als ich es damals mit meiner Frau war. Hast du eine gutaussehende Dame an deiner Seite, macht jeder ihr Komplimente. Wenn du allerdings in Begleitung einer auffälligen Fahne unterwegs bist, bist du es, den die Leute bewundern und kennenlernen möchten.“

H.M.: „Sie sind also auf der Suche nach Beachtung und Bewunderung?“

K.K.: „Wie kommste bloß darauf? Du verstehst mich nicht. Ich fahre natürlich zu all den Spielen um guten Fußball zu sehen und dem mir sympathischeren Team die Daumen zu drücken. Dass meine Fahne dazu gehört, versteht sich von selbst. Schließlich freuen sich die Mannschaften, wenn sie sehen, dass ich im Stadion bin und mit ihnen fiebere. Und die Zuschauer im Fernsehen sind ebenfalls beeindruckt, wenn ich hinter ihrem Land oder unserer Nationalmannschaft – je nachdem, wer gerade auf dem Rasen kickt – stehe. Wer etwas Anderes behauptet, ist schlichtweg neidisch. In Wirklichkeit findet ausnahmslos jeder uns Fahnenhopper großartig. Es gibt Leute, die das offen sagen und uns loben, aber auch Personen, die es nur denken, dennoch es aus Neid niemals zugeben würden. Die lästern dann über uns. Und wiederum gibt es Gestalten, die sich eine Fahne nähen und zum Fußball in die ganze Welt reisen.“ (schmunzelt)

H.M.: „Da geht mit Sicherheit viel Geld bei drauf. Wie finanzieren Sie Ihre Touren?

K.K.: „Ich arbeite in einer Autowerkstatt. Wenn ein besonders teurer Trip – wie z.B. damals zur WM nach Südafrika - ansteht, mache ich Doppelschichten. Das mag hart klingen, aber wenn ich weiß, dass meine Fahne anschließend auf mehreren Millionen Bildschirmen flimmert, ist mir klar, dass sich die Schufterei gelohnt hat.“

H.M.: „ Das kann ich zutiefst nachvollziehen. Wie ist Ihre Beziehung zu anderen Fahnenhoppern?“

K.K.: „Es heißt immer: „Hobbies verbinden“. Das trifft beim Fahnenhopping nicht zu. Beinahe jeder andere Bannerträger ist ein Konkurrent, da TV-gerechte Fahnenplätze dünn gesät aber hart umkämpft sind. Das ist wie in der Wirtschaft. Wenn man im Unterrang auf der Gegengeraden oder hinter dem Tor keinen TV-gerechten Fahnenplatz findet, kann man das Spiel abhaken. Dann ist die Niederlage groß, da man – zumindest für den Abend – nicht mehr in aller Munde ist.“

H.M.: „Haben Sie eine besondere Taktik, um möglichst häufig einen TV-gerechten Fahnenplatz zu ergattern?“

K.K.: „Ich gebe mich immer freundlich und zurückhaltend. Die anderen Bannerträger fallen jedes Mal wieder darauf rein, denn sobald Einlass ins Stadion ist, bin ich vor allen Anderen am Zaun – ohne dass es jemand erwartet hätte.“

H.M.: „Was begeistert Sie außerdem am Fußball?“

K.K. (überlegt kurz) :“Meine von mir online gestellte Video-Serie „KSC-Kutti on Tour“, die aus sämtlichen Spielausschnitten besteht, in denen meine Fahne im Bild ist, wurde weniger als eine Millionen Mal angeklickt. Nun widme ich meinem Transparent ein selbstgeschriebenes Buch mit dem Titel „Von Zaun zu Zaun“. Darin nenne ich auch die verschiedenen Zauntypen dieser Erde, denn eine Fahne ohne Zaun ist wie ein Schaf ohne Gras. Demnächst werde ich zusätzlich einen Rap auf Youtube stellen, wo alle Welt mein musikalisches Können hinter meiner Fahne bestaunen kann.“

H.M.: „Sie scheinen ein wahres Allround-Talent zu sein. Wie sieht es mit Ihrem Verein, dem KSC, aus? Hängt dort auch Ihre Fahne?“

K.K.: „Ich war eine kurze Zeit lang Allesfahrer. Doch bei Auswärtsspielen wurde es immer komplizierter. Ständig überhängten diese selbstherrlichen Rabauken von den Ultras mein Banner und beleidigten mich. Denen geht es doch wirklich nur um’s Auffallen, und trotz der endlich eingeführten Stadionverbote kriegen sie immer noch Aufmerksamkeit wie ein bunter Hund! Als ich irgendwann die Nase voll hatte und mein geliebtes Stück Baumwolle selbstlos verteidigte, verpassten mir diese halben Kinder zu mehreren ein blaues Auge. Danach habe ich mich nur noch selten zu Spielen des KSC gewagt. Ich setze jetzt mehr auf internationale Begegnungen, die im Fernsehen übertragen werden und hohe Zuschauerzahlen versprechen. Natürlich nicht

nur wegen meiner Fahne, sondern weil „große“ Spiele meistens auch Qualität haben.“

H.M.: „Welche Erfolge konnten Sie in Ihrer Fahnenhopperkarriere verbuchen?“

K.K.: „2005 habe ich mit meinem Banner eine Welttournee gemacht. Wir waren bei Länderspielen auf allen fünf Kontinenten. Meine Fahne hing jedes Mal unglaublich TV-gerecht, und die anwesenden Zuschauer waren ausgesprochen freundlich, da sie annahmen, ich sei ein aus Deutschland angereister Fan ihrer Nationalmannschaft. Ich erhielt Freibier, wurde zum Essen eingeladen und durfte in den USA sogar umsonst bei einer Gastfamilie wohnen.“

H.M.: „Es freut mich, einen Mann von Welt wie Sie kennen gelernt zu haben. Wie schauen Ihre Zukunftswünsche aus?“

K.K.: „Mein Traum ist es, dass mein Leben und das meiner Fahne verfilmt werden. Was gäbe es für mich Größeres, als uns beide auf Großleinwand zu erleben?“ (kriegt glänzende Augen)

H.M.:
„Dann weiß ich demnächst, warum die Schlangen vor den Kinokassen so lang sind. Ich danke Ihnen für dieses höchst anspruchsvolle Interview und wünsche Ihnen und Ihrer Fahne viel Erfolg beim Film.“

Verehrte Leser, sollte sich auch unter Ihnen ein Kamera-erfahrener Fahnenhopper befinden, der bereit ist, ein Exklusiv-Interview für DIESES Forum zu geben, bitte ich, mich umgehend zu kontaktieren. Mein Fahnenforschungs-Center, bestehend aus hochkarätigen Diplom-Fahnenforschern, wird für Sie entsprechende Fragen ausarbeiten.