Zwei Tage nach der schrecklichen Tragödie nach
dem Spiel zwischen Al Masry Port Said und Al Ahly Kairo schreibt ein führendes
Mitglied der Ultras Al Ahlawy über die Gründe, wie und warum es zu den 73 Toten
nach dem Spiel kam:
Es gibt drei Gründe warum die
Ultras Ahlawy in den letzten zwei Monaten so vehement ihre Stimme gegen die
Militärführung – eigentlich vor allem seit dem Tod von Mohamed Mustafa, der im
November durch einen Schuss in den Rücken getötet wurde – erhoben. Bei unserem
letzten Heimspiel gab es eine Ultras Ahlawy Revolutionschoreo (der Jahrestag
der Ägyptischen Revolution jährte sich am 25. Jänner zum ersten Mal) mit
massiven Gesängen gegen das Militärregime und hatten ein Spruchband mit dabei
wo stand: „Ihr seid die Verbrecher.“ Dafür mussten wir vorgestern den Preis
bezahlen.
Die Polizei erlaubte den Heimfans
in Port Said den Eintritt mit Waffen, es gab keine Kontrollen und es wurde auch
nichts dagegen unternommen, dass die Heimfans nach jedem Tor, also insgesamt
drei Mal das Spielfeld stürmten. Dies ist in Ägypten bisher total ungewöhnlich
gewesen und noch nie vorgekommen. Dazu waren die Sicherheitsbestimmungen bisher
viel zu streng.
Die Armee versperrte die
Ausgangstüren und liessen die Auswärtsfans ohne Schutz im Stadion. Ein Freund
von mir, Ultra von Zamalek (der Stadtrivale von Al Ahly) sagte indirekt, es gab
deswegen so viele Tote da die Leute, die hinaus wollten an den verschlossenen
Toren erdrückt wurden. Normalerweise werden die Türen nur dann versperrt, wenn
die Polizei im Stadion war oder das Gelände unter der Woche versperrt ist.
Während der Spiele stehen normalerweise Polizisten an den Toren die offen sind.
Diesmal waren sogar die Toilettentüren versperrt. Dies passierte zwei Minuten
vor Spielende als schon Dutzende Fans auf der Laufbahn waren. Von der Polizei
war zu diesem Zeitpunkt nichts zu sehen.
Der dritte Punkt war, dass
Begegnungen zwischen uns und Al Masry bereits seit den 30er Jahren (damals war
El Masry einer der grossen Vereine in Ägypten) risikoreich waren, seit letztem
Jahr war der Hass noch gewachsen sodass es jetzt ein Hochrisikospiel ist. Schon
lange bevor es die Ultragruppen in Ägypten überhaupt gab waren Ausschreitungen
schon an der Tagesordnung, so erzählte mir mein Vater schon von derartigen
Vorkommnissen die sich vor 15 – 20 Jahren ereignet haben erzählt. Er verbot mir
auch immer, dorthin zu fahren. (In den Zeitungen wird die Begegnung zwischen Al
Ahly und Ismailiya immer als die gefährlichere geschildert, dies stimmt aber
nicht). Ich weiss nicht ob die derzeitige politische Situation die Sache noch
verschärft hat (die Bewohner von Port Said waren immer strenge Mubarakanhänger)
aber die Heimfans schickteten uns schon Tage vorher Botschaften wie „Bereitet
euch zum Sterben vor“ und „Heute ist euer Todestag“ via Internet. Wir liessen
uns nicht einschüchtern und bezahlten einen furchtbaren Preis.
Manchmal gewinnt man, manchmal
verliert man
Leider war dies eine sehr schwere
Niederlage
Spezialeinheiten standen wie immer vor dem
Auswärtssektor – üblich bei allen Spielen in Ägypten – in zwei Reihen: eine
hinter dem Tor und eine direkt vor der Kurve auf der Laufbahn. Doch sie taten
nichts als die Heimfans zu Hunderten auf den Platz und in Richtung
Auswärtssektor stürmten, mit Steinen und anderen Wurfgeschossen warfen und mit
Stangen und Messern bewaffnet die Auseinandersetzungen suchten. Dabei machten
sie auch nicht vor den Spielern Halt und einige unserer Jungs sprangen über den
Zaun um sie zu schützen. Sie waren die ersten Opfer. Als die Heimfans vor
unserer Kurve auftauchten machte die Polizei Platz für sie und liess sie
passieren. Dann begann die Schlacht zwischen den Fangruppen. Durch die
Übermacht zurückgetrieben stiegen wir einige Stufen hinauf und versuchten
dagegenzuhalten. Wir hatten keine Zeit zu reagieren und dagegenzuhalten und die
Polizei stand daneben und sah zu. Deswegen waren sie schnell in unserem Sektor
und droschen mit Stangen auf uns ein, einige hatten sogar messer dabei. Sowas
wie vorgestern habe ich noch nie im Stadion gesehen. Fast alle waren bewaffnet.
Durch den Angriff geschockt
versuchten einige Leute durch einen Tunnel zu entkommen, der in ein grosses
Freigelände hinter dem Auswärtssektor führte. Dieser war jedoch versperrt und
so konnten die Flüchtenden nirgends mehr hin. Die meisten Toten wurden entweder
erstochen, erschlagen erschossen oder im Tunnel erdrückt. Andere wurden an den
Stiegenaufgängen erschlagen als die Masryfans mit Stöcken, Steinen und Bengalen
auf alles eindroschen was vor ihnen stand. Es wurde eine Tragödie, fast jeder
Dritte war verletzt oder konnte einen Freund benennen der verletzt oder sogar
tot war.
Ultras ist eine Lebenseinstellung
und keine Frage von Leben und Tod.
Es war eine schwere, traurige
Niederlage. Armee und Polizei wollten uns bestrafen und ihren Hass auf uns
freien Lauf lassen, dies gelang diesen hirnlosen Tieren ohne Ehre.