Offener Brief an Alemannia Aachen und das Fanprojekt Aachen
Anlässlich der Vorfälle, die sich beim Spiel von Alemannia Aachen gegen Wismut Aue zugetragen haben, und als Reaktion auf zwei Veröffentlichungen (1, 2) auf der Homepage des Vereins, haben wir einen Brief geschrieben, den wir hiermit auch öffentlich machen:
Sehr geehrte Verantwortliche bei Alemannia Aachen sowie im Aachener Fanprojekt,wahrscheinlich kommt dieser Brief etwas unerwartet für Sie. Wir, die Mitglieder der Ultragruppierung „Racaille Verte“, schreiben Ihnen bezüglich des Angriffs von „Alemannia Supporters“ und „Karlsbande“ auf die „Aachen Ultras“, weil wir glauben, dass unsere Bremer Erfahrungen im Umgang mit rechtsgerichteten Fans Ihnen durchaus eine Hilfe sein können.Wir haben keinen Grund anzunehmen, dass die Schilderungen der „Aachen Ultras“ in irgendeiner Weise falsch oder übertrieben sind. Es ist innerhalb der Ultraszene seit längerem bekannt, dass die „Karlsbande“ nicht nur rechts unterwandert ist, sondern ausdrücklich unter antiprogressivem Vorzeichen gegründet wurde. Die ebenfalls beteiligten „Alemannia Supporters“ können als Tarngruppe für die Aachener Hooligans gesehen werden. Auch diese sind politisch eindeutig rechts einzuordnen.Es ist uns schleierhaft, wieso Sie den Angreifern auf der offiziellen Vereinsseite eine Plattform gegeben haben, auf der sie ihre Sicht der Dinge quasi unkommentiert darstellen dürfen. Noch viel mehr schockiert uns allerdings Ihre Aufforderung an die „Alemannia Supporters“ und die „Aachen Ultras“, „an der Lösung ihrer Konflikte aktiv zu arbeiten und zur Überwindung des tiefen Risses beizutragen, der die Aachener Fanszene durchzieht“. Wir wollen Ihnen im Detail darlegen, warum wir Ihre Wortwahl und die dahinter stehenden Vorstellungen für völlig abwegig und gefährlich halten.Dadurch wird eine völlig unangebrachte Äquidistanz zu Opfern und Tätern geschaffen. Es hat hier einen Angriff gegeben, der ganz klar von einem rechtsgerichteten Haufen ausging. Als Verein sind Sie in der Verantwortung, sich hinter diejenigen zu stellen, die sich gegen Diskriminierung und für eine bunte Fankurve einsetzen, und diejenigen zu verurteilen und auszuschließen (nicht nur aus dem Stadion, sondern aus dem gesamten Diskurs), die sich Hass und die gewaltsame Verdrängung andersdenkender Menschen auf die Fahnen geschrieben haben.Die „Aachen Ultras“ leisten seit einigen Jahren gute Arbeit gegen Diskriminierung. Es ist ein Hohn, nun von dieser Gruppe zu fordern, mit rassistisch, homophob, sexistisch und antisemitisch motivierten Rechtsradikalen zusammenzuarbeiten, um einen Riss in der Fanszene zu kitten. Wenn es zu einem solchen Riss in einer Fanszene kommt, ist die Zeit gekommen, klar Stellung zu beziehen und nicht die Illusion einer Einheit zu wahren.Eine solche notwendig klare Positionierung mag gerade einem kleineren Verein schwer fallen, doch es lohnt sich. Nachdem unsere Gruppierung vor nunmehr fast fünf Jahren von Neonazis aus der Bremer Hooliganszene angegriffen wurde, erhielten auch wir über die Presse das Angebot des Vereins, sich an einen runden Tisch zu setzen. Wir waren entrüstet ob der Vorstellung, uns mit Nazi-Schlägern zu treffen, die uns erklärtermaßen mit Gewalt loswerden wollten (und bis heute wollen). Nach einiger Zeit sah der Verein seinen verfehlten Ansatz ein und unterstützte unseren Kampf gegen Diskriminierung, den wir trotz aller Drohungen immer weiter intensivierten. Heute kann sich der SV Werder damit rühmen, eine vorbildliche Arbeit gegen Diskriminierung innerhalb und außerhalb des Stadions zu leisten. Durch die kontinuierliche Arbeit der Fans und mit Hilfe der Rückendeckung des Vereins und Fanprojekts hat die Bremer Ostkurve mittlerweile den Ruf, ein offener Ort für alle Menschen zu sein. Das hat nicht nur zur Folge, dass die aktive Fanszene heute größer ist als je zuvor, es sind auch sichtbar mehr Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund anzutreffen. Der Kampf gegen Diskriminierung ist weitgehend Konsens, rechte Schläger sind ein Randphänomen.Aber nicht nur der Verein, sondern auch das Fanprojekt ist hier in der Pflicht. Eine deutliche, öffentliche und schnelle Positionierung zur Solidarität und Unterstützung der „Aachen Ultras“ wäre das Mindeste. Des Weiteren sollte diese heikle Situation durch ausgebildete Fachkräfte begleitet werden. Die Opfer jetzt alleine zu lassen, würde einer Akzeptanz für den politisch motivierten Angriff gleichkommen. Das Fanprojekt Bremen hat gezeigt, wie eine solche Unterstützung aussehen kann.Wir wünschen Ihnen in Aachen eine ähnlich erfreuliche Entwicklung. Die „Aachen Ultras“ haben dafür den richtigen Weg eingeschlagen. Unterstützen Sie Ihre Fans auf diesem Weg und verabschieden Sie sich von rechten und rechtsoffenen Ewiggestrigen, denn sie werden Ihnen nicht fehlen!Herzliche Grüße aus Bremen, Racaille Verte