Mittwoch, 13. Juli 2011

SCHWÄTZER

Ein grosses Problem für die Weiterentwicklung einer Fanszene sind die sogenannten „Szenekenner“. Das sind Leute, die nur kurz dabei sind aber überall Bescheid wissen, jeden und alles kennen und natürlich alles besser machen können bzw. das Rad neu erfunden haben. Sie glauben alles besser zu wissen, haben die Weisheiten zwar meist nur aus dritter, vierter, fünfter Hand – damit haben diese Wahrheiten den Status von Märchen und Moritaten – bestehen aber darauf, es zu WISSEN und verbreiten dieses „Wissen“ auch noch weiter. Und genau das ist dann nämlich das Gefährliche daran: sie bringen mit dem ungefilterten Verbreiten von Geschichten den eigenen Verein und dessen Szene in Verruf. Vor allem dann, wenn man jedem etwas anderes erzählt, unkorrekt bis zum Geht-nicht-mehr ist und andererseits genau diese Korrektheit, die man selber nicht hat bei anderen einfordert. Da verkommt man schnell zum Clown und schadet damit seiner Szene mehr als mit einer verlorenen Fahne oder Boxerei.

Oftmals sind solche Geschichtenerzähler im Teenageralter. Als Heranwachsender glaubt man ja – wir wissen es alle – dass man alles kennt und alles besser weiss, das ist der Fluch dieser Jahre. Peinlich wird es nur, wenn man dann glaubt, sich mit Leuten vergleichen zu können, die schon jahrzehntelang in der Szene sind und dementsprechende Leistungen erbracht haben. Sich in ein gemachtes Nest zu setzen ist leicht – diesen Vorwurf mache ich auch den heutigen Capos der grünen Fanszene, die nie etwas aufgebaut haben aber stolz wie Könige über Leistungen anderer sind – eine andere Sache hingegen ist es, selbst etwas auf die Beine zu stellen, sei es einen eigenen Fanclub (da ist die Wahl des Namens meist das erste Hindernis) oder die Gestaltung einer Szene. Daran scheitern 99,99% aller „Szenekenner“. Sie kommen über den Status eines Märchenerzählers, Posers und Möchtegernirgendwas nicht hinaus, weil sie die oberste Regel des menschlichen Zusammenlebens nicht beherzigen: Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.

Genauso verhält es sich mit dem Verhalten bezüglich Erlebnisorientierung. Es kommt nicht wirklich gut an, wenn man irgendwo auftaucht, ein bischen herumhampelt, sich mit Geschichten aus dem Boxstudio brüstet und was für harte Kerle dort nicht alles trainieren (die denjenigen nichteinmal mit dem Arsch angucken) und dann versucht, „etwas auf die Beine“ zu stellen – und damit natürlicherweise scheitert. Solche Leute haben schnell den Status von Posern, den sie ihr ganzes (Fan)Leben nicht mehr wegbekommen, dies aus gutem Grund. Sie sind welche. Und damit genauso unnötig wie ein Wimmerl am Arsch oder ein drittes Nasenloch.

Schlimmer als solche Leute sind nur noch diejenigen, die ihnen dann auch noch folgen, vor allem wenn sie doppelt so alt sind wie diejenigen. Das sind dann die typischen „Ich bin nie aus dem Poser-Teenie-Alter herausgekommen“ Personen, sprich diejenigen die oben beschrieben wurden sechzehn Jahre später. Sie rennen dann gerne mit coolen Hooliganjacken irgendwelcher mörderisch bekannter Firms herum und erzählen jedem etwas von wegen „Ehrenmitgliedschaft“ bei diesen Firms, haben sich dabei aber wohl noch nie selber im Spiegel gesehen. Weist man sie darauf hin werden sie bockig und ziehen sich ins Schmollwinkerl. Peinlich hoch zehn.

Wenn sich dann noch solche Personen zusammenschliessen um einen Fanclub zu gründen dann muss man leider das Schlimmste für die Szene dieses Vereines fürchten. Ein Schicksal nämlich, welches an die Szene von Schwarz Weiss Essen erinnert, wo im Jahrestakt neue coole Fangruppen entstanden sind: ESSEN CREW, ETB SUPPORTERS, YOUNG CREW ESSEN. Alle drei vom selben hyperaktiven Jungen, passenderweise ist sein Name Kevin, der mit seinen supercoolen Mitstreitern zuerst überall Freundschaften aufbauen wollte und diejenigen, die das nicht wollten mit „Ewigen Hass“ gedroht hat. Im „besten“ aller Internetforen ultras.ws kann man unter folgendem Link http://www.ultras.ws/etb-schwarz-weiss-essen-t7796.html den vollen Spass dieser Leute erleben – zieht einfach selber die Vergleiche. Es ist amüsant, glaubt es mir. Auch die Bilder sprechen für sich. Nicht dass ihr mich falsch versteht: der ETB Schwarz Weiss Essen ist ein durchaus respektabler Verein dessen grosse Zeiten leider schon länger her sind (1959 Pokalsieger) und der ein schönes altes Stadion sein eigen nennt. Was sich da aber an jungen Fans auf der Tribüne tummelt – tja.

Dieses Paradebeispiel für Schwätzer hat immerhin erreicht, dass der Verein jetzt in jedermanns Munde ist und in Ultradeutschland – nein im deutschsprachigen Raum – als Sinnbild für Kabarett, Clownerie und Kasperltheater steht. Ein Ruf, den man sich zwar erst mal erarbeiten muss, da das Feld in Deutschland sehr gross ist, das da beackert wird, ob er erstrebenswert ist lasse ich mal dahingestellt. Für meinen Verein und meine Szene wünsche ich mir das jedenfalls nicht. Da sollen sich solche Schwätzer doch lieber einen anderen „New Most Wanted“ Verein aussuchen – irgendwo in der Provinz, wo es nicht so auffällt wenn man deppert hoch drei ist.

P.S.: Es freut mich übrigens, dass meine Zeilen wohl doch gelesen werden, die Reaktionen die ich – teilweise von anderen – darauf bekomme beweisen es.